„Der Tod, das muss ein Wiener sein“, sang Georg Kreisler in einem seiner berühmtesten Lieder. In Wien verstehen sie sich aber auch auf das Leben. Die österreichische Hauptstadt landet auf Listen der lebenswertesten Städte regelmäßig auf den Spitzenplätzen. Das liege, so die Meinung vieler Wien-Liebhaber, am sozialen Wohnungsbau, der in der Stadt eine 100-jährige Tradition hat – und auch international seinesgleichen sucht.
Das Wiener Modell ist eine Erfolgsgeschichte. Viele sehen darin eine mögliche Lösung für die Wohnungskrise in wachsenden Ballungszentren. So auch die LSAP. An diesem Freitag ist der Wiener Oberbürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zu Besuch in Luxemburg, um die Wohnungspolitik seiner Stadt zu erklären.
62 Prozent der Wiener Bürger leben in einer Wohnung mit gedeckelter Miete. Die Stadt selbst besitzt 220.000 Wohnungen, an weiteren 200.000 geförderten Miet- und Genossenschaftswohnungen ist sie beteiligt. Ein zentraler Punkt, den auch Oberbürgermeister Ludwig betont, sei dabei die soziale Durchmischung. Denn diese Wohnungen sind über die ganze Stadt verteilt. Man wolle „keine Ghettos für Arme und keine für Reiche“, sagt Ludwig. 600 Millionen Euro investiert die Stadt Wien in die Wohnbauförderung, dafür müssen die Wiener zahlen. Ein halbes Prozent des Bruttolohns fließen sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer in die Wohnbauförderung.
Der Gemeindebau drückt die Preise auf dem Markt
Die LSAP will das Wiener Modell auch in Luxemburg umsetzen. In ihrem Wahlprogramm schreibt die Partei, in 10 bis 15 Jahren soll jede vierte Wohnung in öffentlicher Hand, also im Besitz des Staates oder der Gemeinde sein. Spitzenkandidatin Paulette Lenert betont im Gespräch mit Ludwig die Parallelen zwischen Wien und Luxemburg. Und in der Tat gibt es Gemeinsamkeiten.
Ähnlich wie Luxemburg hat Wien in den vergangenen Jahren ein starkes Bevölkerungswachstum erlebt. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ist die Stadt stetig gewachsen. Allein zwischen 2010 und 2020 kamen mehr als 200.000 Menschen hinzu. Nach Jahren des Rückgangs hat Wien heute wieder zwei Millionen Einwohner.
Aber es gibt auch Unterschiede. Und die liegen vor allem in der Geschichte. Der soziale Wohnungsbau begann zur Zeit des sozialistisch regierten Roten Wiens nach dem Ersten Weltkrieg, ein großer Teil der Bauten und Wohnungen entstand in diesen Jahren. Anders als andere europäische Großstädte verkaufte man im großen Privatisierungsboom der Achtziger- und Neunzigerjahre den Bestand nicht.
Das Wiener Modell funktioniert auch deshalb so gut, weil es eine kritische Masse erreicht hat. Zwar gibt es Einkommensgrenzen für den Zugang zu geförderten Wohnungen, aber die sind so angesetzt, dass sie bis weit in den Mittelstand reichen. „70 Prozent der Einwohner Wiens haben Zugang zum Gemeindebau und zu geförderten Genossenschaftswohnungen“, sagt Ludwig. Und je größer der theoretische Zugang, desto breiter die Zustimmung in der Gesellschaft. Weil so viele Menschen davon profitieren, gebe es auch eine parteiübergreifende Akzeptanz, so Ludwig. Der Gemeindebau drückt die Preise auf dem privaten Sektor, weil es eine kostengünstige, weitverbreitete Alternative gibt. Damit stabilisiert er die Verhältnisse auf dem Markt.
Finanziert hat man den Gemeindebau in Wien in den Zwanzigerjahren mit einer Reihe von Steuern, die vor allem auf den reichen Teil der Gesellschaft abzielten, wie einer progressiven Wohnbausteuer und Abgaben für Luxusgüter und Hauspersonal. Diese Steuern machten 1927 etwa 20 Prozent der gesamten Einnahmen der Stadt aus.
„Vieles ist bei uns historisch gewachsen“, sagt Ludwig, „da muss man fairerweise sagen, das kann man nicht gleich alles umsetzen und neu machen.“ Nichtsdestotrotz sieht Lenert Luxemburg heute genau am richtigen Zeitpunkt für nachhaltige Investitionen in den Wohnungsmarkt. Gerade seien außerdem viele Wohnungen auf dem Markt, die man aufkaufen könne, um sie zu sanieren.
Ob sich das ehrgeizige Ziel von 25 Prozent in 10 bis 15 Jahren umsetzen lässt, wird die Zukunft zeigen. OB Ludwig ist sich sicher: „Jeder Schritt in eine Richtung leistbares Wohnen ist ein guter Schritt. Man braucht sich nicht an Maximalvarianten orientieren.“
Schlau kopiert
Die LSAP schreibt in ihrem Wahlprogramm zum Wiener Modell: „Le LSAP s’inspire de l’exemple de la capitale de l’Autriche, Vienne, qui a une longue tradition dans la construction de logements communaux. Le système fonctionne parce qu’il est accessible à de larges segments de la population, englobant des centaines de milliers de logements. C’est la raison pour laquelle les coûts sont volontairement supportés par la communauté.“
Derselbe Wortlaut findet sich in einem Artikel des Deutschlandfunks vom 20. September 2018: „Der soziale Wohnungsbau in Wien hat eine lange Tradition. Er funktioniert, weil er breiten Bevölkerungsschichten zugänglich ist, hunderttausende Wohnungen umfasst und die Kosten von der Gemeinschaft bereitwillig getragen werden. Das Modell ist allerdings nur begrenzt übertragbar.“
Den letzten Satz hat man bei der LSAP natürlich klugerweise weggelassen.
De Maart
Autsch, kommt da etwa Frust auf, dass man nicht zur Giogetti-Party eingelanden war.... Aber vor den Wahlen kann man ja gut Reden, umgesetzt wird davon eh nichts, da andere wohlbetuchte Leute die Strippen ziehen und der ewige Junior eh wieder brav Ja nicken wird.