Dienstag21. Oktober 2025

Demaart De Maart

SüdosteuropaWie Washington den Balkan destabilisiert

Südosteuropa / Wie Washington den Balkan destabilisiert
Der bosnische Serben-Anführer Milorad Dodik in Banja Luka Ende Februar Foto: AFP

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Ob gewollt oder unbeabsichtigt: Was Moskau in Südosteuropa seit Jahren versucht, ist der neuen US-Führung in wenigen Wochen geglückt – die nachhaltige Destabilisierung der labilen Vielvölkerregion.

Hektische Verstärkungen der Schutztruppen, Krisensitzungen und Appelle zur Bewahrung des Friedens: Drei Jahrzehnte nach Ende des Bosnienkriegs ist der labile Vielvölkerstaat erneut in den Fokus der internationalen Diplomatie – und in den Krisenmodus gerückt. Die „Aktionen“ von Serbenführer Milorad Dodik würden „die Institutionen von Bosnien und Herzegowina untergraben und seine Sicherheit und Stabilität bedrohen“, warnte am Wochenende der neue US-Außenminister Marco Rubio: „Wir rufen alle Partner der Region dazu auf, sich diesem gefährlichen Verhalten zu widersetzen.“

Zwar mimt Washington mit Verspätung nun den Feuerwehrmann in Bosniens wieder aufgeflackertem Krisenfeuer. Doch ob die vermehrten Spannungen in Bosnien oder Rumänien, Ungarns verstärkte Störfeuer in der EU und auf dem Westbalkan – oder das Kokettieren von EU-Anwärter Serbien mit einer außenpolitischen Neuorientierung: Was Moskau in Südosteuropa seit Jahren versucht, ist der neuen US-Führung, bewusst oder ungewollt, in wenigen Wochen geglückt – die Destabilisierung der labilen Vielvölkerregion.

Nationalisten feiern Trump

Ob Ungarns Premier Viktor Orbán, Serbiens autoritärer Präsident Aleksandar Vucic, Rumäniens russophiler Präsidentschaftsanwärter Calin Georgescu oder Moskaus bosnischer Serbenbüttel Dodik: Quer über alle Grenzen hinweg feierten rechtspopulistische Nationalisten im Südosten die Machtübernahme ihres US-Hoffnungsträgers Donald Trump als Beginn einer Zeitenwende.

Er rechne mit „großen Veränderungen“ in der US-Außenpolitik, freute sich der von Washington seit Jahren sanktionierte Dodik über den von ihm mit einer Cocktailparty gefeierten Wahlsieg von Trump. Er erwarte, dass die USA sich weniger einmischen und Bosniens Entwicklung zu „unserer Sache“ erklären würden. „Präsident Trump ist nicht unser Retter, aber unser Mitstreiter“, jubilierte Putin-Freund Orban: „Die Weltordnung wird sich ändern, großartige Möglichkeiten für Ungarn entstehen und unser Manövrierraum wird sich erweitern.“

Den hohen Erwartungen rechtspopulistischer „Souveränisten“ in der Region wurde die neue US-Führung zumindest in Rumänien schnell gerecht. Schon auf seiner „Wutrede“ in München nahm US-Vizepräsident J.D. Vance Bukarest wegen der Annullierung der von Georgescu in der ersten Runde gewonnenen Präsidentenwahl aufs Korn.

USA setzten sich für Tate-Brüder ein

Seit Wochen setzt sich neben Vance auch der Milliardär Elon Musk für den von Rumäniens Verfassungsgericht gestoppten Georgescu ein. Der US-Sonderbeauftragte Richard Grenell soll laut Medienberichten zudem in Bukarest Druck für die schließlich Ende Februar erfolgte Aufhebung der Ausreisesperre der Brüder Andrew und Tristian Tate gemacht haben: Gegen die in die USA ausgereisten Influencer wird in Rumänien weiter wegen des Verdachts des Frauenhandels und der Vergewaltigung ermittelt.

„Nicht nur Rumänien, sondern die gesamte EU wird derzeit aus zwei Richtungen angegriffen – aus Moskau und Washington“, klagt der Kommentator des Webportals von „RFI Romania“. Die Spaltung des Westens bekommt auch der EU-Wartesaal auf dem Westbalkan empfindlich zu spüren. Mit der Unterstützung Budapests und Moskaus versuchen die um ihre Pfründe bangenden Balkanregenten wie Dodik und Vucic das durch die US-Schwächung der transatlantischen Allianz entstandene Machtvakuum für ihre eigenen Interessen zu nutzen.

Zwar pflegt Dodik schon seit Jahren mit der Abspaltung der Republika Srpska zu drohen. Doch bisher hatte er seinem Sezessions-Gepolter nie Taten folgen lassen. Ermutigt vom US-Machtwechsel, hat er mit dem nun von Bosniens Verfassungsgericht annullierten Verbot der nationalen Justizbehörden im Teilstaat erstmals konkrete Schritte in Richtung der anvisierten Unabhängigkeit versucht.

Von Washingtons Liebe ausgenommen?

„Geopolitische Momente“ hätten „gewisse Kräfte in Bosnien“ dazu ermutigt, aktiv zu werden, so der bosnische Kroatenführer Dragan Covic (HDZ). Dass Dodik von Washingtons neu erwachter Liebe zu russophilen Rechtspopulisten offenbar ausgenommen ist, hat ihn selbst völlig überrascht. Trump habe mehrmals gesagt, „sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einmischen zu wollen und jetzt plötzlich das“, grantelte Dodik in einer ersten Reaktion auf das rote Stopplicht von US-Chefdiplomat Rubio.

Dodik habe von der Trump-Administration, in die er so große Hoffnung gesetzt habe, eine „gewaltige Ohrfeige“ erhalten, ätzt Bosniens Verteidigungsminister Zukan Helez (SDP). Auch für Serbiens Präsident Vucic sei Dodik nur ein „nützlicher Idiot“: Vucic versuche mit dem Schüren der Krise in Bosnien von der Protestwelle gegen die Korruption im eigenen Land abzulenken.

Tatsächlich hatte der zwischen Ost und West balancierende Vucic bisher auch in Bosnien gerne den Feuerwehrmann für die von ihm selbst kräftig mitgeschürten Brände gemimt – auch um sich wegen seines angeblich mäßigenden Einflusses auf den von ihm protegierten Dodik für die EU unverzichtbar zu machen. Doch in Bosniens jüngster Krise hat der vermehrt mit einem außenpolitischen Kurswechsel kokettierende Vormann des EU-Anwärters bei zwei Blitzbesuchen in Banja Luka Dodik öffentlich den Rücken gestärkt.