Für die Linke scheint es gerade wie am Schnürchen zu laufen. In einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Insa überholte die Partei jüngst die Grünen – zum ersten Mal seit sieben Jahren. Auch andere Institute sehen die Linke stabil zwischen neun und elf Prozent. Besonders stark ist die Partei in Berlin unterwegs: Infratest dimap ermittelte für die Wahl zum Abgeordnetenhaus einen Wert von 19 Prozent für die Linke. Sollte sie auf dieser Flughöhe bleiben, könnte sie im nächsten Jahr sogar Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) gefährlich werden.
Das hat die Partei, die bei der Bundestagswahl in diesem Jahr mit 8,8 Prozent ein furioses Comeback hinlegte, auf der Habenseite zu verbuchen. Und dennoch: Allmählich zeigen sich in der viel beschworenen Einheit Risse. Thüringens ehemaliger Ministerpräsident Bodo Ramelow sinnierte vor einigen Tagen über die Linke – und zeigte sich irritiert über ihren Wandel. „Bin ich dabei, die Partei zu verlassen – oder verlässt meine Partei gerade mich?“, fragte er sich. Hintergrund war ein turbulenter Linken-Landesparteitag in Thüringen, bei dem nach einer Kontroverse über Ämtertrennung das Spitzenpersonal ausgetauscht wurde.
Zu ihrem Erfolg bei der Bundestagswahl verhalf der Partei, dass sie sich als glaubhafte Kümmererin präsentierte. Mit der Forderung nach bezahlbarem Wohnraum traf sie innenpolitisch einen Nerv. Zudem trat sie als Bollwerk gegen Rechtsextremismus auf und setzte sich für eine humane Flüchtlingspolitik ein. Das überzeugte besonders bei jungen Frauen. Hinzu kommt: Die Partei hat „junge, neue Führungskräfte an der Spitze, die ein Stück mehr die Sprache der Jungen sprechen“, sagt der Politikwissenschaftler Constantin Wurthmann. Er ist am Zentrum für Europäische Sozialforschung der Universität Mannheim tätig.
Das alles schlug sich im Februar nicht nur in einem vergleichsweise starken Wahlergebnis nieder, sondern auch in steigenden Mitgliederzahlen. Aktuell hat die Linke rund 115.000 Mitglieder – mehr als doppelt so viele wie Ende 2024. Fast 60 Prozent sind 35 Jahre oder jünger, auch der Frauenanteil ist gestiegen.
„Handgemenge zwischen Links und Grün“
Und das, obwohl die Linke von einigen bereits totgesagt wurde. Auch von Politikwissenschaftler Klaus Schroeder. Er ist Professor am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin. In einem Gespräch mit der FAZ prognostizierte er vor nicht einmal einem Jahr, die Linke werde untergehen. Damals sahen Umfragen die Partei bei drei Prozent. Bei der Bundestagswahl hat die Linke den Wert jedoch fast verdreifacht. War die Einschätzung falsch? „Langfristig habe ich mich nicht geirrt“, sagt Schroeder dem Tageblatt. „Die Linke wird sich kurzfristig halten, aber auf längere Sicht verschwinden. Das heißt, dass sie unter fünf Prozent sinken wird.“
Zentral für den Erfolg der Linken ist aus Schroeders Sicht, dass die Grünen mit Kanzlerkandidat Robert Habeck das linke Feld vernachlässigt haben. „Habeck wollte die Wahl in der Mitte gewinnen“, so Schroeder. Dadurch entstand eine Lücke, die die Linke bediente. „Jetzt gibt es ein Handgemenge zwischen Links und Grün“, glaubt Schroeder. Zu sehen sei das unter anderem am Auftreten der Grünen-Jugend-Chefin Jette Nietzard, die immer wieder mit Provokationen auffällt. Kein Wunder, dass Linken-Parteichefin Ines Schwerdtner Nietzard bereits einen Parteiwechsel nahelegte – „wenn ihr Klimaschutz, Umverteilung und Antifaschismus wichtig sind“.
Auch Constantin Wurthmann glaubt, dass die Linke bald wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden könnte. „Grundprobleme in der Linken bleiben, wie der letzte Parteitag gezeigt hat“, sagt er. Bei dem Treffen in Chemnitz hatte sich eine knappe Mehrheit hinter die sogenannte Jerusalemer Erklärung gestellt. Sie differenziert vor allem beim Thema des israelbezogenen Antisemitismus und erwähnt Israel nicht explizit. Hinzu kommt, dass unter den vielen neuen Abgeordneten in der Fraktion auch Hardliner wie Ferat Koçak sitzen. Er hatte das Direktmandat in Berlin-Neukölln gewonnen, gilt als Polizei-Kritiker und organisierte in der Vergangenheit Palästina-Demos. „Ich bringe eine andere Kultur, eine andere Stimme in den Bundestag“, sagte er der Berliner BZ.
Erfolg eher eine „Momentaufnahme“
Es ist eine Kultur, die für die Linke noch zum Problem werden könnte – auch wenn es darum geht, künftig mit der Union zu kooperieren. Das ist im Bundestag nötig, wenn es Zweidrittelmehrheiten ohne die AfD braucht. Angesichts solcher Positionen dürfte den Christdemokraten ein Ende des Unvereinbarkeitsbeschlusses zur Linken aber noch schwerer fallen. Nicht zuletzt dürften auch intern die inhaltlichen Differenzen zwischen Politikern wie Bodo Ramelow und Ferat Koçak groß sein.
Ein Grundproblem der Linken ist der Streit
„Ein Grundproblem der Linken ist der Streit“, sagt Politikwissenschaftler Wurthmann. Er sieht den gegenwärtigen Erfolg der Linken daher eher als „Momentaufnahme“ – die Grabenkämpfe seien in seinen Augen „nur kaschiert, nicht verschwunden“. Selbst Linken-Chefin Schwerdtner räumte ein: „Wo es viel Bewegung gibt, gibt es auch Reibung.“ Sie sehe dabei aber vor allem „die Chancen“.
Klaus Schroeder glaubt indes, dass das Potenzial der Linken ausgeschöpft ist. „Die kriegen schon Atemnot da oben“, sagt er. Der Politikwissenschaftler ist überzeugt: „Wenn die Grünen zulegen, werden die Umfragewerte für die Linken bald wieder nach unten gehen. Da bleibt für die Partei dann nicht mehr viel Potenzial außer der Jugend.“
De Maart
Ein seltsamer ansatz hier gruene und linke noch als konkurrenten zu betrachten.
Kein linker duerfte doch auch nur erwaegen die inzwischen kriegsgeilen gruenen zu waehlen.