Donnerstag20. November 2025

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DeutschlandWie Putin Alice Weidel und Tino Chrupalla entzweit

Deutschland / Wie Putin Alice Weidel und Tino Chrupalla entzweit
Alice Weidel, Fraktions- und Bundesvorsitzende der AfD, empfahl ihren Parteifreunden, nicht nach Russland zu fahren – Tino Chrupalla, AfD-Bundes- und Fraktionsvorsitzender, begrüßte die Reise Foto: Kay Nietfeld/dpa

Mehrere AfD-Spitzenpolitiker sind trotz parteiinterner Kritik nach Sotschi zu einer Konferenz gereist, wo sie öffentlich auftraten. In der kommenden Sitzungswoche soll in der Fraktion darüber gesprochen werden. Wie Alice Weidel und Tino Chrupalla um einen Kurs ringen.

Noch im Bundestagswahlkampf hat Alice Weidel aus der Not eine Tugend gemacht: Die AfD-Chefin betonte damals mit Blick auf die parteiinternen Differenzen zwischen Russlandfreunden und Transatlantikern, ihre Partei habe eben gute Kontakte sowohl nach Westen als auch nach Osten. Allerdings zeigt der jüngste Ärger über eine Reise von AfD-Spitzenpolitikern nach Russland, dass das Ringen um einen außen- und sicherheitspolitischen Kurs nach wie vor Sprengstoff birgt.

Was ist passiert? Der sächsische AfD-Landeschef Jörg Urban, der Europaabgeordnete Hans Neuhoff und der Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré hatten am Wochenende an einer politikwissenschaftlichen Konferenz in dem Schwarzmeer-Kurort Sotschi teilgenommen und dort Reden gehalten. Das stieß parteiintern auf Kritik, befürchteten doch manche, dass dieser Russland-Besuch vom Kreml zu Propaganda-Zwecken verwendet werden könnte. Daraufhin fuhr der Parlamentarier Rainer Rothfuß, der auch den russischen Hardliner Dmitri Medwedew treffen wollte, doch nicht mit. Aus Luxemburg nahm übrigens der ADR-Europaabgeordnete Fernand Kartheiser an der Konferenz teil, der, anders als die AfD-Politiker, keine Diskussionen in seiner Partei zu befürchten hat, da diese Kartheisers Reisen nach Russland ausdrücklich unterstützt.

Erwartungsgemäß nutzte Medwedew – der Berlin schon mit Atomkrieg gedroht hat – die Debatte um die AfD-Politiker für eine erneute Verbalattacke auf die Bundesregierung: Der staatlichen Nachrichtenagentur TASS zufolge sagte er, die derzeitige deutsche Regierungskoalition habe sich wegen der Russlandreise der AfD „in die Hosen gemacht“.

Während Parteichef Tino Chrupalla die Reise seiner Parteifreunde verteidigte, klang die Co-Vorsitzende Weidel im Vorfeld ganz anders: „Ich selbst würde dort nicht hinreisen. Ich würde es auch niemandem empfehlen, weil ich nicht weiß, was letztendlich das Ergebnis sein soll“, sagte sie. Dabei kündigte sie für die Zukunft strengere Regeln innerhalb der AfD-Fraktion bei der Planung solcher Reisen an. „Denn so sollten wir nicht weitermachen. Das können wir uns nicht leisten, wollen wir auch nicht.“ Sie betonte zugleich: „Ich unterstelle die Gutmütigkeit, die Gesprächskanäle offenzuhalten. Das kann ich verstehen, aber alles darüber hinaus sollte tunlichst unterlassen werden.“

Spagat zwischen Washington und Moskau

Die Auftritte von Kotré und Co. in Sotschi dürften insofern eher nicht in Weidels Sinne verlaufen sein. Ihr Sprecher Daniel Tapp sagte dem Tageblatt mit Blick auf die nächste Bundestagssitzungswoche, „die Reise wird in der kommenden Woche besprochen und zunächst im Arbeitskreis Außenpolitik bewertet“. Einige aus der AfD wünschen sich für die Zukunft klarere Vorgaben für Reisen ins Ausland, gerade was die Mitglieder der Bundestagsfraktion angeht. Das sei in der Vergangenheit zu lax gehandhabt worden, heißt es hinter vorgehaltener Hand.

Ist der AfD-Spitze zu Beginn der neuen Amtszeit von US-Präsident Donald Trump der Spagat zwischen Washington und Moskau noch gelungen, wird diese Strategie immer schwieriger. Da Kremlchef Wladimir Putin Trump mit seinen Friedensbemühungen ins Leere laufen ließ, wächst gerade bei den West-AfDlern das Unverständnis über die Russlandtreue vieler Ost-Parteimitglieder. So äußerte sich Weidel Ende September mit besonders scharfen Worten über Putin: Damals sagte sie auf Nachfrage von Journalisten, sollte herauskommen, dass man es in Europa mit Luftraumverletzungen von russischer Seite zu tun habe, „dann kann ich nur davor warnen“. Sie betonte damals: „Man sollte die Geduld von Donald Trump nicht auf die Probe stellen. Und man sollte ihn auch nicht in seinen Friedensbemühungen das Gesicht verlieren lassen.“ Chrupalla – der nicht müde wird, zu betonen, dass er vonseiten Russlands keine Bedrohung sieht – stand mit regungsloser Miene daneben.

Fliehkräfte in der Partei werden stärker

Je mehr der Ukraine-Krieg sich auszuweiten droht, umso stärker dürften die Fliehkräfte in der Partei in Zukunft werden. Denn die AfD will regieren. Im Osten stehen 2026 für die Partei wichtige Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und in Mecklenburg-Vorpommern an. Die in weiten Teilen rechtsextremen Ost-Landesverbände setzen auf das Label Friedenspartei und einen Putin-freundlichen Kurs. Im Westen wiederum – wo viel mehr Wahlberechtigte leben – kommt das bei den Anhängern nicht so gut an.

Außerdem weiß die AfD, dass sie die Brandmauer, die sie am Griff zur Macht hindert, erst überwinden kann, wenn die Union zu einer Koalition mit ihr bereit ist. Reisen nach Russland sind da nicht hilfreich. So sagte Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) mit Blick auf die Rechtspopulisten: „Für mich ist das kein Patriotismus, das ist Verrat am Vaterland.“ CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann sprach ebenfalls von „Vaterlandsverrätern“.

Nun muss sich zeigen, ob sich die AfD auf einen gemeinsamen Kurs in der Außen- und Sicherheitspolitik einigen kann. Oder sie sitzt die strittigen Fragen aus und hofft darauf, dass Trump und Putin sich doch noch zu einem neuen Friedensgipfel zusammenfinden. Dann würde auch der Spagat wieder funktionieren.