Montag10. November 2025

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WahlenWie Portugals Rechtspopulisten die Jugend auf TikTok umgarnen

Wahlen / Wie Portugals Rechtspopulisten die Jugend auf TikTok umgarnen
Rita Matias (M.) und ihr Parteivorsitzender Andre Ventura (l.) während einer Likörverköstigung in Barreiro Foto: AFP/Patricia de Melo Moreira

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Junge Menschen stürmen auf Rita Matias zu, begrüßen sie mit Küsschen und machen Selfies mit ihr. Die 25-Jährige sitzt für die rechtsextreme Partei Chega im portugiesischen Parlament. Vor der vorgezogenen Wahl am Sonntag umwirbt sie vor allem die jungen Portugiesen. Mit Erfolg: Bei den jungen Wählern ist Chega laut Umfragen die beliebteste Partei.

„Die Jugend darf nicht das Monopol der Linken sein“, sagt Matias bei einem Auftritt in Barreiro, einer Industriestadt in ihrem Wahlkreis. „Die Jugend steht im Mittelpunkt unserer politischen Arbeit“, ruft die junge Frau mit den langen braunen Haaren und dem gewinnenden Lächeln ihren Anhängern zu. Matias ist der junge Star der Rechtsextremen, der den Populisten eine neue Zielgruppe erschließt.

Als Chega sich 2019 gründete, sprach die Partei vor allem konservative Wähler über 40 an. Jüngsten Umfragen zufolge ist sie jedoch die Partei, die den größten Zulauf unter jungen Menschen hat. Bei einer Befragung im Januar gaben fast 26 Prozent der 18- bis 34-Jährigen an, Chega wählen zu wollen. Bei der Gesamtbevölkerung kommen die Rechtspopulisten demnach auf 16 Prozent.

Die Ergebnisse überraschen, denn traditionell wählen die Jungen in Portugal eher links. 50 Jahre nach der Nelkenrevolution 1974, welche die Diktatur beendete, sind die Rechten auch in Portugal auf dem Vormarsch. 2019 zog Chega („Es reicht!“) mit einem Abgeordneten ins Parlament ein. Bei der Wahl 2022 gewannen die Populisten zwölf der 230 Sitze, Matias wurde die jüngste Abgeordnete Portugals.

Matias kam durch ihren Vater zur Politik, dem Chef einer Bewegung gegen Abtreibung, die mit Chega fusionierte. Sie präsentiert sich als Katholikin und „Anti-Feministin“. Die Parlamentarierin zeigt sich regelmäßig an der Seite von Parteichef André Ventura, einem scharfzüngigen ehemaligen Fußballkommentator, der selbst erst 41 Jahre ist.

Zentrales Thema von Chega ist der Kampf gegen Korruption und illegale Einwanderung. Matias war es, die vor drei Jahren den ersten TikTok-Kanal der Partei einrichtete. Inzwischen folgen mehr als 200.000 Menschen ihren Clips – manche Konkurrenten haben keine tausend Follower.

In witzigen Videos greift Chega in den sozialen Medien die Probleme junger Menschen auf: die schlechten Berufsaussichten und die unerschwinglichen Mieten. Die seit acht Jahren regierenden Sozialisten hätten „die jungen Menschen in einem Zustand großen Elends zurückgelassen“, sagt Matias. „Sie müssen jeden Tag entscheiden, ob sie trotz begrenzter Perspektiven im Land bleiben oder ins Ausland gehen.“

Junge Leute bilden großes Wählerpotential

Fast ein Drittel der im Land geborenen Portugiesen unter 40 Jahren lebt laut einer Studie der Beobachtungsstelle für Auswanderung derzeit im Ausland. Bevor das Land „die Türen weit öffnet“ für die Einwanderer, muss es „denjenigen, die ausgewandert sind, die Mittel geben, um zurückzukehren und zu bleiben“, argumentiert Matias.

„Ich habe keine andere Partei gefunden, die so sehr für die Jugend kämpft“, sagt Veronica Varela. Die 20 Jahre alte Studentin sitzt in einem Café und verfolgt die Fernsehdebatte zwischen Chega-Chef Ventura und dem Vorsitzenden der Sozialistischen Partei, Pedro Nuno Santos. Nach Korruptionsvorwürfen war die sozialistische Regierung im November zerbrochen, Neuwahlen wurden notwendig.

In ihrem Programm versprechen die Rechtsextremen, „das Land von der Korruption zu säubern“, „die Grenzen zu kontrollieren“ und soziale Maßnahmen, die vor allem jungen Menschen helfen sollen, ihre erste Wohnung zu kaufen oder ihr Studium zu finanzieren.

Junge Leute, die nicht auf eine bestimmte Partei festgelegt sind oder gar nicht wählen, stellten ein großes Potenzial für die Rechtspopulisten dar, sagt Lea Heyne, eine deutsche Forscherin an der Universität Lissabon und Autorin einer Studie über Chega. Die Populisten setzten auf eine Wählerschaft, „die keine starken Verbindungen zu den traditionellen Parteien hat“ – und keine Erinnerung an die Diktatur.