Tageblatt: Wie beurteilen Sie nach der US-Wahl die aktuelle Situation in der Asien-Pazifik-Region?
Hugh White: Es ist ein kritischer Moment, insbesondere wenn man darüber nachdenkt, wo die Biden-Regierung steht. Als Biden die Macht übernahm, waren viele erleichtert nach den Jahren der chaotischen, unvorhersehbaren Politik der Trump-Regierung, vor allem in Bezug auf Nordkorea und die Beziehungen der USA in Asien. Die Menschen hofften auf eine Rückkehr zu Stabilität und Engagement für die Region. Doch obwohl Bidens Rhetorik weniger alarmierend war, führte sie nicht zu wesentlichen politischen Änderungen. Die USA haben ihre militärische Position in Asien nicht gestärkt und keine konkreten Schritte unternommen, um dem Aufstieg Chinas entgegenzuwirken. Es gab Diskussionen rund um Quad und Aukus, aber sie ändern nicht sofort das strategische Gleichgewicht. Und in Südkorea hat die Biden-Regierung nicht die nötige Zusicherung hinsichtlich der nuklearen Bedrohung Nordkoreas gegeben.
Würden Sie also sagen, dass Bidens Politik enttäuschend war?
Ja, in vielerlei Hinsicht. Trotz weniger konfrontativer Sprache ist es Biden nicht gelungen, die Position der USA in Asien substanziell zu ändern. Tatsächlich hat seine Regierung die protektionistische Politik der Trump-Ära fortgesetzt und sogar verstärkt, was die Wirtschaftsbeziehungen weltweit belastet hat. Länder in Asien, die dies beobachten, sind unsicher hinsichtlich des langfristigen Engagements Amerikas in der Region.
Wie wirkt sich das auf Länder wie China aus?
Der Wandel hin zum Protektionismus war schädlich, insbesondere für China. Zölle auf Chinas Waren verschärfen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes. Aber an der strategischen Front sieht China eine Chance. Da sich die USA zunehmend auf interne Fragen konzentrieren und der Protektionismus zunimmt, kann sich China als stabiler Partner präsentieren. Dies zeigte sich bei jüngsten Treffen wie dem G20-Gipfel, bei dem es Xi Jinping gelang, sich als verlässlicher Führer zu präsentieren.
Europa wird sich, insbesondere im Kontext der Ukraine-Krise, der alten geopolitischen Realitäten bewusst
Wie passt Europa in all das?
Europa wird sich, insbesondere im Kontext der Ukraine-Krise, der alten geopolitischen Realitäten bewusst. Jahrelang bestand die Idee darin, sich gegen den Einfluss Russlands und Chinas zur Wehr zu setzen, doch nun denken viele Länder neu darüber nach. Das Telefonat zwischen dem deutschen Bundeskanzler und Putin beispielsweise zeigte, dass Europa bereit ist, Russlands Macht in der Region zu berücksichtigen. Ebenso werden Chinas Ambitionen in Asien von Ländern wie Australien und Japan ernster genommen: Sie erkennen, dass sie, unabhängig von der Haltung Amerikas mit China, für wirtschaftliche Stabilität zusammenarbeiten müssen.
Wer wird am meisten von den Folgen der US-Wahl profitieren?
Kurzfristig erweist sich China als Hauptnutznießer. Trumps protektionistische Politik untergräbt Amerikas wirtschaftlichen Einfluss, während China seine Rolle als wichtiger globaler Akteur festigt. Dieser Wandel zeigt sich darin, dass viele asiatische Länder und sogar Teile Europas beginnen, China als notwendigen Partner und nicht nur als Rivalen zu betrachten.
Mit Trump wird die US-Außenpolitik unberechenbarer und rücksichtsloser, was China im Vergleich attraktiver macht
Glauben Sie, dass mit Trump größere Verschiebungen anstehen?
Trumps Rückkehr mag wie ein Wandel erscheinen, aber sein Ansatz ist paradox. Er wird wahrscheinlich Hardliner ernennen, die China entgegentreten wollen, aber seine persönliche Haltung ist eher auf einen nicht-konfrontativen Ansatz ausgerichtet. Er bewundert sogar Führer wie Xi Jinping. Dies führt zu Verwirrung darüber, wie Asien mit den USA zusammenarbeiten wird. Während seine Regierung beim Handel möglicherweise eine härtere Linie verfolgt, könnte Trumps Stil dazu führen, dass Länder in Asien eher dazu neigen, direkt mit China zu verhandeln, da sie ihn als weniger entschlossen ansehen, China strategisch entgegenzutreten.
Sie glauben also nicht, dass China aufgrund der sich verändernden politischen Landschaft unter einer neuen Trump-Regierung an Boden verliert?
Ich denke, China ist hier tatsächlich der Gewinner. Der Ausstieg Brasiliens aus dem Seidenstraßenprojekt ist zwar ein kleiner Rückschlag, aber nur ein Teil eines viel größeren Bildes. China wird zu einem attraktiveren Land, mit dem man verhandeln kann, während es mit Amerika schwieriger wird, zu verhandeln. Vor allem die Menschen in der Region verstehen, dass China sehr rücksichtslos und egozentrisch ist, aber sie erkennen auch, dass es ein Land ist, mit dem sie sich auseinandersetzen müssen, und dass es ein Land ist, mit dem sie umgehen können, da seine Politik im Vergleich zur unberechenbaren Politik der USA unter Trump vorhersehbarer und zuverlässiger ist. Und es gibt riesige Möglichkeiten für Länder, nach China zu exportieren, mit China Handel zu treiben oder chinesische Investitionen zu erhalten.
Chinas globaler Einfluss wird also weiter wachsen …
Ja, insbesondere da die USA unberechenbarer werden. Mit Trump wird die US-Außenpolitik unberechenbarer und rücksichtsloser, was China im Vergleich attraktiver macht. Während viele hinsichtlich der Ambitionen Chinas vorsichtig sind, erkennen sie an, dass China ein berechenbarer Partner ist. Trotz seines Eigeninteresses tendiert Chinas Politik dazu, anderen Ländern, insbesondere in Asien, wirtschaftliche Chancen zu bieten. Unter Trump wird sich Amerikas Fokus wahrscheinlich auf den Schutz seiner eigenen Interessen verlagern und weniger Raum für globale Führung lassen.
Nordkoreas Fortschritte in der Raketentechnologie, insbesondere bei Interkontinentalraketen, haben das strategische Gleichgewicht dramatisch verändert
Wie wirkt sich dieser Wandel auf Taiwans Sicherheit aus?
Taiwans Position ist unter Trump definitiv weniger sicher. Er äußerte seine Ambivalenz hinsichtlich der Verteidigung Taiwans. Tatsächlich erinnerte sein ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater John Bolton an Trumps vereinfachendes Argument, dass Taiwan zu weit von den USA entfernt sei, um eine militärische Intervention zu rechtfertigen. Trumps Haltung gegenüber Taiwan, gepaart mit seiner Priorisierung der direkten Interessen Amerikas, macht Taiwan anfälliger.
Was ist mit der wachsenden Bedrohung durch Nordkorea? Wie verändert dies das Gleichgewicht in Ostasien?
Nordkoreas Fortschritte in der Raketentechnologie, insbesondere bei Interkontinentalraketen, haben das strategische Gleichgewicht dramatisch verändert. Die Glaubwürdigkeit der nuklearen Abschreckung der USA zur Verteidigung Südkoreas ist nun untergraben. Nordkoreas Fähigkeit, US-Städte mit Atomraketen zu bedrohen, verkompliziert die Sache, und das macht Südkorea anfälliger. Wir sehen bereits, dass Südkorea Atomwaffen als mögliche Reaktion in Betracht zieht, was vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre.
Wie wird sich Trumps Militärpolitik hier auswirken?
Trumps Fokus wird wahrscheinlich auf der Stärkung der amerikanischen Verteidigung gegen direkte Bedrohungen liegen, und nicht auf der Unterstützung entfernter Verbündeter. Seine Regierung könnte militärische und nukleare Fortschritte schneller vorantreiben als unter Biden, aber ich bin nicht sicher, ob dies Amerikas Position im Westpazifik verbessern würde. Es könnte auch das Vertrauen in die Bereitschaft der USA verringern, europäische Verbündete zu verteidigen, wie wir nach Trumps Sieg gesehen haben, als Macron argumentierte, dass Europa sich selbst verteidigen müsse.
Über all dem hängt das Damoklesschwert der Atomwaffendebatte …
Die Situation mit der Ukraine zeigt, wie Atomwaffen geopolitische Entscheidungen beeinflussen. Putins Nukleararsenal hat die NATO davon abgehalten, direkt in der Ukraine einzugreifen. In Ostasien verändern Chinas wachsende Nuklearkapazitäten die Wahrnehmung der Länder in der Region hinsichtlich der Sicherheit. Die USA betrachten China zunehmend als strategisch ebenbürtig, was noch vor wenigen Jahren undenkbar war. Die nuklearen Kontrollstrukturen aus der Zeit des Kalten Krieges zerfallen und wir treten in eine zunehmend gefährliche Ära ein, in der Atomwaffen unsere Wahlmöglichkeiten mehr denn je einschränken.
Sind die USA Ihrer Meinung nach bereit, einen Atomkrieg um Taiwan zu führen?
Kein amerikanischer Präsident hat definitiv erklärt, dass er Taiwan verteidigen würde, wenn dies einen Atomkonflikt mit China bedeuten würde. Es ist eine schwierige Situation, und die Unklarheiten in der US-Politik machen die Region nur noch instabiler.
Zur Person
Hugh White ist emeritierter Professor für strategische Studien an der Australian National University in Canberra. Er war der erste Direktor des Australian Strategic Policy Institute (ASPI), eine regierungsnahe Denkfabrik, die sich auf Verteidigungs- und Strategiethemen konzentriert. Als Berater für internationale Beziehungen unterstützte er zeitweise die australische Regierung und war im Verteidigungsministerium tätig.

De Maart
Viel geschwaetz was auch viel banalitaeten beinhaltet.
Dass die VR China als bald groesste wirtschaftsmacht der welt ein in Asien und auch weltweit unumgaenglicher partner und mitspieler ist muesste von jedem gewusst sein.
Auch duerfte seit langem klar sein dass die USA keinen atomkrieg wegen der unbedeutenden insel taiwan riskieren wird,deren zusammenschluss mit China ohnehin aus historischen gruenden auf lange sicht kommen wird.
Unstabiler wird die region durch trump auch nicht...jeder versucht eben seine interessen durchzusetzen wie in der geopolitik seit jahrhunderten ueblich.