Sonntag9. November 2025

Demaart De Maart

DeutschlandWie Merz und Dobrindt weitere Zurückweisungen trotz Gerichtsurteil rechtfertigen

Deutschland / Wie Merz und Dobrindt weitere Zurückweisungen trotz Gerichtsurteil rechtfertigen
Der deutsche Kanzler Friedrich Merz (r.) und sein Innenminister Alexander Dobrindt wollen die Zurückweisungen an den deutschen Grenzen weiter beibehalten Foto: Odd Andersen/AFP

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Der Kanzler und sein Innenminister bleiben dabei, Asylsuchende an den Grenzen abzuweisen – obwohl eine Gerichtsentscheidung Zweifel an der Rechtmäßigkeit anführt. Auch in der Koalition droht Krach. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Die deutsche Regierung will trotz des Urteils des Berliner Verwaltungsgerichts an der Zurückweisung von Schutzsuchenden an den deutschen Grenzen festhalten. Bundeskanzler Friedrich Merz sprach am Mittwoch von einer „vorläufigen Entscheidung“ des Gerichts, die das Vorgehen an den Grenzen nicht grundsätzlich in Frage stelle: „Wir wissen, dass wir nach wie vor Zurückweisungen vornehmen können“, sagte Merz. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte, an der Praxis, Schutzsuchende an den Grenzen abzuweisen, werde sich „aktuell“ nichts ändern.

Experten zweifeln jedoch an der rechtlichen Grundlage für die Zurückweisungen – und auch vom Koalitionspartner SPD könnte es noch Gegenwind für den Kurs der Union geben. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was hat das Gericht entschieden? Das Berliner Verwaltungsgericht hatte drei Menschen aus Somalia recht gegeben, die sich gegen ihre Zurückweisung ohne Dublin-Verfahren gewehrt hatten. Es erklärte die Zurückweisungen für rechtswidrig. Nach der sogenannten Dublin-Verordnung darf die Bundespolizei Asylbewerber nicht einfach an der Grenze zurückweisen. Vielmehr müssen die deutschen Behörden ein kompliziertes und in der Praxis oft schlecht funktionierendes Prozedere in Gang setzen, um sie an den für ihr Asylverfahren zuständigen Staat zu überstellen. Das ist in der Regel der erste EU-Staat, in dem sie registriert wurden. Wenn enge Familienangehörige bereits in einem anderen EU-Staat leben oder dort Schutz erhalten haben, kann aber auch dieser zuständig werden.

Wie begründet das Gericht die Entscheidung? Aus Sicht des Gerichts kann sich die Bundesrepublik nicht darauf berufen, dass die Dublin-Verordnung angesichts einer Notlage unangewendet bleiben dürfe. Insbesondere könne sich die Regierung nicht auf eine „nationale Notlage“ – also eine Art Ausnahmezustand – berufen. Es fehle dafür „an der hinreichenden Darlegung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung“, hieß es. Die Bundesrepublik sei nach der Verordnung verpflichtet, bei Asylgesuchen, die auf deutschem Staatsgebiet gestellt werden, in jedem Fall das vorgesehene Verfahren durchzuführen.

Die Bundesregierung hatte hingegen argumentiert, die Nichtanwendung des EU-Rechts sei gerechtfertigt. Dies habe die Europäische Kommission in einer Mitteilung über die Abwehr hybrider Bedrohungen infolge des Einsatzes von Migration als Waffe und die Stärkung der Sicherheit an den EU-Außengrenzen aktuell bestätigt. Die deutschen Maßnahmen seien zudem temporär und auf bestimmte Personengruppen beschränkt. Innenminister Dobrindt verwies am Dienstag zudem auf die breite Überforderung von Kommunen.

Dobrindt spricht von einer Einzelfallentscheidung. Ist das so? Da gehen die Meinungen auseinander. Die Eilentscheidungen des Berliner Verwaltungsgerichts gelten nur für die drei Somalier. Das Gericht machte aber deutlich, dass es die Zurückweisungen bei Grenzkontrollen in solchen Fällen allgemein für rechtswidrig hält.

Der politische Druck steigt

Worauf setzt der Innenminister? Während Dobrindt an der Praxis der Zurückweisungen festhalten will, stellte er am Dienstag ein sogenanntes Hauptsacheverfahren in dem besprochenen Fall in Aussicht, das zu einer grundsätzlichen rechtlichen Klärung der Praxis führen könnte. Man glaube, dass man dort „deutlich recht bekommen“ werde, sagte er. Doch nach Darstellung des Berliner Verwaltungsgerichts und auch nach Ansicht anderer Rechtsexperten gibt es dafür hohe Hürden – ein Hauptsacheverfahren wird somit unwahrscheinlich. Denn eine Beschwerde gegen den Beschluss des Gerichts in der nächsthöheren Instanz, dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, ist nach dem Gesetz nicht möglich. Grund dafür ist eine Sonderregelung, die dazu dienen sollte, Asylverfahren zu beschleunigen und keine endlosen Klagewege offenzuhalten. Da die Klägerin aus Somalia im Eilverfahren recht bekommen hat, tritt voraussichtlich eine „Erledigungssituation“ ein. Um unnötige Kosten zu sparen, könnte die Klägerin sofort eine sogenannte Erledigungserklärung abgeben. Dem könnte sich das Bundesinnenministerium anschließen – oder aber auch widersprechen. Bei Widerspruch müsste das Gericht entscheiden, ob die Sache erledigt ist. Sonst gibt es noch die Möglichkeit einer sogenannten Feststellungsklage, um die Rechtslage durch das Gericht final zu klären.

Was bedeutet das für den weiteren Kurs der Regierung? Zunächst wird an der Praxis der Zurückweisungen wohl festgehalten werden, allerdings steigt bereits der politische Druck. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch erklärte, dass es eine tiefe inhaltliche Prüfung brauche. Man befürchtet auch bei der SPD, dass es ohne ein Hauptsacheverfahren im aktuellen Fall mit letztinstanzlicher Klärung – etwa durch den Europäischen Gerichtshof – in den kommenden Wochen weitere Eilentscheidungen in anderen Fällen geben könnte. Dann bestünde das Risiko, so hieß es am Dienstag, dass es zu sich widersprechenden Urteilen und einer chaotischen Lage kommen könnte.

In der Koalition ist der Kurs in der Migrationspolitik umstritten. Sowohl die Union als auch die SPD setzen auf eine letztinstanzliche Klärung, die jedoch noch einige Zeit in Anspruch nehmen dürfte.

Detti
4. Juni 2025 - 10.48

Die beiden germanischen Supermänner orientieren sich doch nur am King of the World Trump

Philippe
3. Juni 2025 - 20.45

Beide genau wie der US President schere mich ein Deut um ein Gerichtsurteil, und man klatscht den Leuten Beifall.
Wehe es wäre Orban etc