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Schneller als die EU erlaubtWie Kate Bingham das erfolgreiche Impfprogramm Großbritanniens schuf

Schneller als die EU erlaubt / Wie Kate Bingham das erfolgreiche Impfprogramm Großbritanniens schuf
Auch in Kathedralen und vor allem dank Kate Bingham: 25 Millionen sind bereits geimpft Foto: AFP/Oli Scarff

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Kate Bingham kaufte für die Briten den Corona-Impfstoff ein. Die ehemalige Venturekapital-Bankerin war dabei schneller als die EU. Jetzt ist Bingham Großbritanniens Impfkönigin.

Diese Woche erinnerte ein Auftritt im Unterhaus die Briten an die schlimmsten Momente des zurückliegenden Corona-Jahres. Zu Gast im Wissenschaftsausschuss war die Symbolfigur der Brexitregierung, Premier Boris Johnsons einstiger Chefberater Dominic Cummings. Der Vordenker der „Vote Leave“-Bewegung und Architekt des konservativen Wahlsiegs im Dezember 2019 war wie kaum ein anderer dafür verantwortlich, dass sein Chef nach erfolgtem Brexit Anfang vergangenen Jahres alle Routiniers aus dem Kabinett feuerte – einer der Gründe, warum die britische Regierung im Kampf gegen Sars-CoV-2 zunächst hilflos, ja amateurhaft wirkte.

Verheerende Fehlentscheidungen – viel zu lange Missachtung der Warnungen von Wissenschaftlern, zu später Lockdown, praktisch unkontrollierte Grenzen, mangelhafter Schutz von Alten- und Pflegeheimen, komplettes Fehlen effizienter Rückverfolgung von Kontaktinfizierten – trugen dazu bei, dass die Insel mehr als 130.000 Corona-Tote zu beklagen hat, die schlimmste Rate vergleichbar großer Industriestaaten. Cummings selbst trug zum Vertrauensverlust der Regierung bei, als bekannt wurde, dass er im Lockdown trotz Covid-Infizierung zur Arbeit in der Downing Street gegangen und später 400 Kilometer Auto gefahren war. Beides war damals streng verboten.

Die Einlassungen des Wissenschaftsfreaks ließen aber auch Rückschlüsse darauf zu, wie die Fundamente für das phänomenal erfolgreiche Impfprogramm gelegt wurden, mit dem das Vereinigte Königreich seit Wochen die Welt beeindruckt. Symbolisch und als Gegenpol zum sinistren Cummings steht dafür Kate Bingham.

„Traue ich mir das zu?“

Bei der erfahrenen Wagniskapital-Bankerin meldete sich im vergangenen Frühjahr der von schwerer Covid-Erkrankung genesene Premierminister. Er, vielmehr das Land brauche sie als Leiterin einer Taskforce für den Ankauf von Impfstoffen, soll Johnson gesagt haben. Bingham zögerte, wie sie später der BBC anvertraute: „Traue ich mir das zu?“

Musste auch Kritik einstecken: Kate Bingham
Musste auch Kritik einstecken: Kate Bingham Foto: Screenshot

Das deutet auf herzerfrischende Bescheidenheit, jedenfalls aber auf eine beinahe rührende Naivität hin. Denn wer wäre besser qualifiziert gewesen, die wissenschaftliche Gründlichkeit und gleichzeitig die kommerzielle Gewandtheit eines zukünftigen Impfproduzenten zu beurteilen? Seit ihrem Biochemie-Studium in Oxford (Note: Eins) und einem MBA in Harvard arbeitete die älteste Tochter des früheren höchsten Richters des Landes, Lord Thomas Bingham, an eben dieser Schnittstelle, seit 1991 bei Schroder Ventures, heute SV Health Investments.

Als Managing Partner betreute sie dort den Biotechnik-Sektor, investierte also in junge Start-ups, deren neue Medikamente Fortschritte bei der Heilung von Krankheiten versprachen. „Mein Leben besteht daraus, zu fragen: Welche tollen Ideen gibt es und wie können wir sie in Medikamente umsetzen, die den Patienten weiterhelfen? Es ist der aufregendste Job der Welt“, hat die Bankerin in der Times geschwärmt.

Längst gehörte die Mutter dreier erwachsener Kinder und Hobby-Oboistin dem Aufsichtsrat des weltberühmten Crick-Instituts an, diente als Mitglied des Regierungsgremiums zur Förderung von Life-Science-Unternehmen. Johnsons wissenschaftlichem Chefberater Patrick Vallance war die schnell sprechende Expertin also wohlbekannt, als er dem Chef den Anruf bei Bingham empfahl. Diesem dürfte die nach eigenen Angaben unpolitische Spitzenmanagerin in anderer Hinsicht ein Begriff gewesen sein, nämlich als Frau des klugen Tory-Abgeordneten und Finanzstaatssekretärs Jesse Norman.

Binghams Zusage zur Abordnung für sechs Monate ohne jede Vergütung beruhte auf direktem Zugang zum Premierminister und möglichst wenig Bürokratie: „Wenn sie 58 Leute einkopieren müssen, werden keine schnellen Entscheidungen getroffen.“ Genau diese aber waren nötig, um dem Land möglichst guten Zugang zu möglichst vielen Impfdosen zu sichern.

Von Anfang an behielt Binghams Team nicht nur die Impfstoff-Forschung, sondern auch die anschließende industrielle Fertigung der Medikamente im Auge. Dafür wurden sowohl die Wissenschaftler an der Uni Oxford wie auch die beteiligten Firmen, vor allem AstraZeneca, großzügig subventioniert und mit ihnen garantierte Abnahmemengen vereinbart. Auch galt für ihre Impfstoffe nicht die sonst übliche Produkthaftung.

Entscheidender Faktor 

Biontech/Pfizer erhielt einen Auftrag über 40 Millionen Dosen, bei AstraZeneca orderte Bingham sogar 100 Millionen. Als dritter Impfstoff ist mittlerweile auch das Präparat der US-Firma Moderna freigegeben, vom Frühjahr an erwarten die Briten von dort weitere 17 Millionen Dosen. Mit der deutschen Firma CureVac ist der Kauf von zusätzlichen 50 Millionen Dosen vereinbart, falls sich deren Wirkstoff in den klinischen Versuchen als geeignet erweist. Insgesamt schloss das Team um Bingham Verträge über potenziell 357 Millionen Dosen und damit fünfmal so viel wie die derzeitige Bevölkerung des Landes (66 Millionen). Dabei habe der Preis eine wichtige, aber nicht die entscheidende Rolle gespielt, berichtete die Bankerin der deutschen Welt.

Als entscheidend für das Gelingen ihrer Aufgabe identifizierte Bingham die Einrichtung einer Datenbank, mit der das Nationale Gesundheitssystem NHS rasch bis zu 400.000 Freiwillige aller Altersstufen für Medikamentenforschung zusammentrommeln kann. Dies ermöglichte den Unternehmen die Beschleunigung der wichtigen klinischen Versuchsreihen, auf denen wiederum die rasche Zulassung durch die Arzneimittelbehörde MHRA beruhte.

Inzwischen sind auf der Insel mehr als 25 Millionen Menschen über 50 Jahre mindestens einmal gegen Sars-CoV-2 geimpft, dieser Tage ist es auch beim 56-jährigen Premier so weit. Dessen früherer Chefberater Cummings, 49, wird sich noch ein wenig gedulden müssen: Von Ende des Monats an, wenn seine Altersgruppe eigentlich an der Reihe wäre, soll es auch auf der Insel zu ernsten, wenn auch vorübergehenden Versorgungsschwierigkeiten kommen.

bernard
19. März 2021 - 13.32

Im Ernst? Die kriegen die Logistik für die 2. Dosis nicht hin und geben jedem nur eine.
Heute Mittag um 12:00 waren gerade mal 2,9% der Engländer mit 2 Dosen geimpft.
Eine Leistung ist das nicht.

Die haben 20 ungewählte adelige Minister, die Politik als Hobby betreiben weil sie die Jagd nicht vertragen aber irgendwie muss man ja die Zeit rumkriegen.