Sommer 2021 / Wie einige der großen Schweizer Musikfestivals der Pandemie zu trotzen versuchten

Auf beiden Festivals zu Hause: der Franko-Libanese Ibrahim Maalouf – hier am Paléo 2016
Claude Nobs wäre stolz gewesen, da sind sich alle einig. Der 2013 verstorbene Mitbegründer und langjährige Leiter des legendären Montreux Jazz Festival hätte seine Nachfolger mit Sicherheit dazu beglückwünscht, wie sie trotz aller widrigen Umstände die 55. Auflage seines „Babys“ in einer Art Light-Version, die unter dem Motto „Small is beautiful“ stand, zu einem mehr als achtbaren Erfolg machten.
„Mission accomplie“, meinte Mathieu Jaton, der neue Leiter des Montreux Jazz Festival, erleichtert, als am vergangenen Samstag die 55. Edition zu Ende ging, die weder das Virus noch die Wetterverhältnisse trüben konnten. „Es war wunderbar, wieder Menschen zu sehen, die Konzerten beiwohnten, und Musiker, die endlich wieder ihren Fans begegneten. Ich habe aufgehört, die Leute zu zählen, die uns beglückwünscht oder ihren Dank ausgesprochen haben“, so Jaton weiter.
Um den sanitären Sicherheitsvorkehrungen gerecht zu werden, mussten die Veranstalter nahezu täglich ihr Konzept ändern, ehe sie grünes Licht von den Behörden erhielten und insgesamt 40.000 Festivalbesucher während 16 Tagen an der Promenade des Lac Léman begrüßen durften. Herzstück des gesamten Festivals war die spektakuläre Seebühne, die 40 Meter vom Ufer entfernt, gegenüber einer überdachten Tribüne mit 520 Sitzgelegenheiten, aufgebaut worden war und die die Veranstalter selbst als „la véritable star de cette édition“ bezeichneten.
Von Ibrahim Maalouf bis Jérôme Klein
Außer der mit Spannung erwarteten jungen Singer-Songwriterin Arlo Parks, dem Shooting Star aus England, die Corona-bedingt nicht einreisen durfte, mussten nur sehr wenige Künstler absagen. Zu den Highlights auf der Seebühne zählten die Auftritte von Woodkid, Ibrahim Maalouf und Fatoumata Diawara, die am vorletzten Abend Frauenpower und Afrobeat vereinte und nach einem fulminanten Auftritt über den Steg zu ihren Fans lief, um mit Dutzenden von ihnen ausgelassen zu tanzen.
Neben dieser Hauptbühne fanden weitere Konzerte im geschmackvollen Rahmen der Gärten des Montreux Palace statt, wo die Musiker vor ein Publikum traten, das in Liegestühlen chillen durfte oder bei Dauerregen (wie im Falle von Zucchero) im Petit Palais, wo des Weiteren die Talent Awards stattfanden, zu denen auch die Luxemburger Jérôme Klein und Pol Belardi mit einer ihrer Formationen eine Einladung erhalten hatten.
Im ehrwürdigen Strawinsky-Auditorium, in dem sich in der Vergangenheit sämtliche Jazz-Größen des Planeten die Klinke in die Hand gaben, findet indessen in diesem Jahr eine beeindruckende Andy-Warhol-Ausstellung statt, und auch das passt. Schließlich hatte Warhol 1986, wenige Monate vor seinem Tod, zusammen mit Keith Haring das Plakat zum 20-jährigen Jubiläum des Festivals entworfen.
Corona macht erfinderisch
Die Veranstalter des Paléo Festival Nyon, des größten Schweizer Open-Air-Festivals, hatten ihrerseits Anfang März ein noch ambitionierteres Projekt als ihre Kollegen in Montreux vorgestellt, mit dem sie der Pandemie ein Schnippchen schlagen wollten. Sie tauften ihre 45. Auflage „le 45e Parallèle“ und hatten vor, das einwöchige Festival am Genfersee auf einen ganzen Monat zu strecken, um unter Corona-konformen Bedingungen die verpflichteten Musiker und Bands vom 8. Juli bis zum 8. August mehrfach vor reduziertem Publikum auftreten zu lassen, das Paléo Festival sozusagen zweimal hintereinander ablaufen zu lassen.
Als die Infektionszahlen jedoch europaweit wieder anstiegen und die hieraus resultierenden politischen Maßnahmen die Veranstalter mit immer neuen Ungewissheiten konfrontierten, mussten diese wenige Wochen später notgedrungen auf ihr anspruchsvolles und mutiges Vorhaben verzichten. „Courageux, mais pas téméraire, Paléo renonce au 45e Parallèle cet été“, lautete die Überschrift der Pressemitteilung, mit der die Verantwortlichen die Medien und ihr treues Publikum davon in Kenntnis setzten, dass sie definitiv alle Pläne, so genial sie auch waren, um ein weiteres Jahr verschieben würden.
So see you next year, on the Lake Geneva shoreline …

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