Freitag31. Oktober 2025

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Interview„Wie ein sprachlicher Jahresrückblick“: Luxemburg sucht das Wort des Jahres – machen Sie mit!

Interview / „Wie ein sprachlicher Jahresrückblick“: Luxemburg sucht das Wort des Jahres – machen Sie mit!
 Illustration: Tageblatt/Jil Scheuer

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Heescheverbuet, Service Provider, Caritas-Skandal, Poopstbesuch oder etwas ganz anderes? Welches Wort hat Luxemburg in diesem Jahr am stärksten geprägt? Um solcherlei Fragen zu klären, wird seit 2020 jährlich das „Wuert vum Joer“ gesucht – und alle können mitmachen. Sprachwissenschaftlerin Sara Martin vom „Zenter fir d’Lëtzebuerger Sprooch“ erklärt die Hintergründe dieser Suche. 

Tageblatt: Luxemburg sucht seit 2020 das „Wuert vum Joer“. Sie sind als Sprachwissenschaftlerin beim „Zenter fir d’Lëtzebuerger Sprooch“ von Anfang an dabei. Was heißt das überhaupt, ein Wort des Jahres zu suchen? Anders gefragt: Nach was suchen wir da? Muss es ein typisches luxemburgisches Wort sein?

Sara Martin: Die „Worte des Jahres“, die wir bislang hatten, waren schon luxemburgische Wörter. Luxemburgisch im Sinn von: in einem luxemburgischen Kontext gebraucht, in einem luxemburgischen Gespräch verwendet. Wenn ich mir zum Beispiel 2020 anschaue, das selbstverständlich von der Corona-Pandemie geprägt war, hatten wir Worte wie Lockdown, Confinement, Geste-barrièren. Die stammen nicht aus dem Luxemburgischen, haben sich aber in einem luxemburgischen Kontext etabliert und werden von uns als luxemburgische Wörter angesehen. Auch wenn sie vom Ursprung her nicht das typische luxemburgische Wort sind. Es geht um das Wort, das das Jahr am meisten geprägt hat.

Woher stammt die Idee, sich auf diese Suche zu begeben?

Im Deutschen gibt es das seit Jahrzehnten. Belgien, Österreich und die Schweiz machen es beispielsweise auch. Die Idee ist, hervorzuheben, was das Jahr sprachlich geprägt hat. Dann geht man in Gedanken noch einmal die Ereignisse des Jahres durch, die politischen, gesellschaftlichen oder allgemeinen. Es ist wie ein sprachlicher Jahresrückblick – und jetzt klären wir die Frage, welche Worte im Jahr 2024 am meisten herausstechen. Ein Unwort oder Jugendwort des Jahres wie zum Beispiel in Deutschland suchen wir zurzeit noch nicht. Trotzdem kommt es vor, dass auch solche vorgeschlagen werden.

Sara Martin vom „Zenter fir d’Lëtzebuerger Sprooch“ ist von Anfang an beim „Wuert vum Joer“ dabei
Sara Martin vom „Zenter fir d’Lëtzebuerger Sprooch“ ist von Anfang an beim „Wuert vum Joer“ dabei Foto: Editpress/Julien Garroy

In diesem Jahr sucht Luxemburg zum fünften Mal sein „Wuert vum Joer“. Wie hat sich die Aktion mit den Jahren entwickelt?

Die Zahl der Einreichungen bewegt sich 2024 mehr oder weniger auf dem Level der vergangenen Jahre. 2020, beim ersten Mal, hatten wir die meisten Vorschläge, da waren es rund 500. Für dieses Jahr sind wir noch nicht ganz dort angekommen, aber es sind ja noch ein paar Tage (hier geht es zur Abstimmung: Link). 2020 musste man auch nicht großartig überlegen, was in dem Jahr so los war. #bleiftdoheem, Lockdown, Geste-barrièren und selbstverständlich Corona zählten zu den Top-Begriffen. Im zweiten Jahr waren wir mit den Impfungen etwas weiter und es tauchten Worte wie boosteren und Covid-Check auf, aber auch Schwurbler beziehungsweise Schwurblerin. In jedem Jahr gibt es ein paar Favoriten, die öfter vorkommen. 2022 waren es der „Ukrainkrich“ und die „Energiekris“. Vergangenes Jahr waren Wahlen. Dann denken Leute an Worte wie „Superwaljoer“. Index hingegen ist eines der Worte, die bereits in mehreren Jahren genannt wurden.

Sogar der „den neie Luc“ schaffte es 2023 in die Top Fünf. Was fällt Ihnen bei den Einreichungen auf?

Auch in den Jahren mit etwas weniger Einreichungen kristallisieren sich bis zu 20 heraus, die öfter genannt werden. Zum Teil haben wir auch 170 verschiedene Worte, die vorgeschlagen werden. Aber unter all den Einreichungen sind auch hin und wieder die Lieblingsworte der Leute oder andere Vorschläge, die jedoch nicht wirklich in unsere Aktion passen. Letztes Jahr wurden Künstliche Intelligenz (KI) und ChatGPT sehr oft genannt. Beides existierte auch vor 2023, wurde aber erst vergangenes Jahr der breiten Öffentlichkeit richtig zum Begriff.

Es geht um das Wort, das das Jahr am meisten geprägt hat

Sara Martin, Sprachwissenschaftlerin beim „Zenter fir d’Lëtzebuerg Sprooch“

An den Top-Five-Listen lässt sich also ablesen, welche neuen Worte sich in unserem gängigen Wortschatz etabliert haben?

Genau das ist es. Nur mal als Beispiel: Wörter wie Lockdown oder Confinement benutzen wir heute kaum noch, aber jeder weiß, worum es geht und jeder hat seit 2020 eine persönliche Beziehung zu diesen Begriffen. Wer heute an Geste-barrièren denkt, dem fällt auch wieder ein, dass man damals Masken tragen musste.

Boosteren ist auch so ein Wort, das kaum noch verwendet wird, aber unvergessen bleibt.

Richtig. Rückblickend wird es interessant, die Entwicklung zu sehen. Wenn Sie sich zum Beispiel den Gebrauch der Begriffe ChatGPT und vor allem Künstliche Intelligenz anschauen – da war die Entwicklung so rasant, dass man sich vielleicht jetzt schon wundert, dass die 2023 zu den Worten des Jahres zählten und damit eigentlich neu im gewöhnlichen Sprachgebrauch waren.

Wie lange kann denn noch abgestimmt werden?

Die Frist zur Einreichung läuft am 6. Dezember um 12.00 Uhr mittags ab. Bis dahin behalte ich die Anzahl der Vorschläge im Auge und das sind bislang rund 250. Wenn die Deadline erreicht ist, schauen wir uns alle Einreichungen an und sortieren sie beim ZLS intern vor. Zum Beispiel, indem wir unterschiedliche Schreibweisen unter einem Schriftbild vereinen.

Welche sind die wichtigsten Faktoren, um zum „Wuert vum Joer“ zu werden?

Der wichtigste Faktor bleibt die Häufigkeit. Wenn es aber andere relevante Vorschläge gibt, ein Wort genannt wird, das viel im Umlauf war und an das andere vielleicht weniger oft dachten, kann es sein, dass wir es in die engere Auswahl aufnehmen. Die Relevanz eines Wortes ist demnach auch sehr wichtig. Aus dieser behalten wir 20 Worte zurück, die wir der Jury zur Abstimmung vorlegen.

Wie setzt sich die Jury zusammen und wie arbeitet sie?

Jedes teilnehmende Medienunternehmen, also RTL, 100,7, das Luxemburger Wort und das Tageblatt, schickt eine Person in diese Jury. Hinzu kommt jemand vom ZLS – das bin in dem Fall ich selbst. Der „Conseil permanent de la langue luxembourgeoise“ ist vertreten durch seine Präsidentin Myriam Welschbillig. Und der Kommissar für die luxemburgische Sprache, Pierre Reding, ist ebenfalls in der Jury dabei. In zwei Wahlgängen vergibt die Jury Punkte. So kommen wir von einer Top 20 auf eine Top 10 und dann auf die Top fünf – und schließlich auf den Gewinner.

Sie sind zum fünften Mal dabei. Gab es bereits hitzige Diskussionen?

Überhaupt nicht. Allerdings ist die Abstimmung auch anonym. Im Meeting sind zwei weitere Mitarbeiter des ZLS dabei, die das Sekretariat machen und die Stimmen zählen. Aber klar, schade ist es schon, wenn der eigene Favorit noch geradeso wieder aus den Top-Fünf herausrutscht. Bislang gab es jedoch noch keine größeren Diskussionen. Wir suchen zwar effektiv ein Wort des Jahres, haben aber auch unsere Top-Five-Liste, die wiederum weniger kontrovers ist. Unsere Liste ergibt eigentlich immer einen guten Mix.

Lohnt sich das Mitmachen?

Klar! Jeder, der einen Vorschlag einreicht, hat die Chance, einen unserer drei Preise zu gewinnen. Wir verspielen Bücher vom ZLS und einen Buch-Gutschein, den man in einer Buchhandlung einlösen kann. Der Gewinner wird per Zufall unter den Einreichungen entschieden. Jeder Teilnehmende hat die Chance, etwas zu gewinnen. Es geht nicht darum, das richtige Wort zu tippen.

Welches Wort würden Sie denn einreichen?

Wir wollen selbst natürlich nicht zu viele Hinweise geben, um die Leute nicht in eine gewisse Richtung zu lenken. Dieses Jahr wird es aber schwieriger, weil kein fixes Event das Jahr dominiert hat, an dem sich die Leute orientieren könnten. Ich gehe davon aus, dass es ein enges Rennen wird – und bin jetzt schon gespannt!

Zur Person

Sara Martin beschäftigt sich als Linguistin im „Zentrum fir d’Lëtzebuerger Sprooch“ (ZLS) mit dem Luxemburgischen und hat unter ZLS-Direktor Alexandre Ecker mehr und mehr die Betreuung des „Lëtzebuerger Online Dictionnaire“ (LOD) übernommen. Beim „Wuert vum Joer“, das seit 2020 gesucht wird, ist die Sprachwissenschaftlerin von Anfang an in der Jury als Repräsentantin des ZLS dabei.

JJ
30. November 2024 - 15.37

Kann een och... " Si six scies scient six cyprès, six cent six scies scient six cent six cyprès" huelen?