Sonntag19. Oktober 2025

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Deutschland / Wie ein psychologischer Effekt rechten Boulevardmedien hilft
Die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf wurde Opfer einer Kampagne von rechten Medienplattformen  Foto: Britta Pedersen/dpa

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Neue rechte Medien fielen zuletzt mit ihrer Kampagne gegen Frauke Brosius-Gersdorf auf, die Kandidatin für ein Richteramt beim Bundesverfassungsgericht ist. Wie „Apollo News“, „Tichys Einblick“ und Co. arbeiten. Und warum ihnen ein psychologischer Effekt hilft.

Sie tragen Diskurse von Rechtsaußen immer erfolgreicher in die gesellschaftliche Mitte: Neue rechtskonservative oder rechtslibertäre Medienplattformen wie „Apollo News“, „Nius“ oder „Tichys Einblick“ streben auf dem Medienmarkt eine Führungsrolle an.

Doch mit welchen Themen sind diese Medien besonders erfolgreich? Die Leipziger Journalistik-Professorin Gabriele Hooffacker sagte dem Tageblatt: „Diese rechten Boulevardmedien, wie ich sie nenne, arbeiten mit Trigger-Themen, die bestimmte Gruppen aktivieren sollen: Die reichen von Gendersternchen, Regenbogenflaggen über Migration bis hin zum Schwangerschaftsabbruch, wie zuletzt im Fall von Frauke Brosius-Gersdorf.“ Aufreger-Themen würden auf Onlineplattformen durch den Algorithmus hochgespielt und häufiger angeklickt. „Wenn Bundestagsabgeordnete dann sehen, wie schnell sich solche Beiträge verbreiten, denken sie, es gibt gesellschaftlichen Gegenwind“, betonte Hooffacker. „Dabei ist es Gegenwind, der von den Rändern der Gesellschaft kommt. Nicht von der schweigenden Mehrheit.“

Zur „Causa Brosius-Gersdorf“ hat die Berliner Denkfabrik Polisphere eine Analyse veröffentlicht: Sie hat die über die Plattform X erhobenen Vorwürfe gegen die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin für einen von drei Richterposten am Bundesverfassungsgericht bis zur abgesetzten Wahl im Bundestag am 11. Juli nachverfolgt und zuletzt mehrere Untersuchungen dazu zusammengeführt. Die Analyse von Artikeln und mehr als 40.000 X-Posts liest sich wie ein Protokoll zur Kampagne: Demnach kam der erste Beitrag bereits am 1. Juli von „Apollo News“, gefolgt von „Nius“, dem Portal des ehemaligen Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt.

Dabei lag der Fokus zuerst auf einer möglichen Rolle von Brosius-Gersdorf im Falle eines AfD-Verbotsverfahrens. An Fahrt nahm die Kampagne aber wegen des Themas Abtreibung auf, da sich herausstellte, dass damit auch innerhalb der Unionsfraktion mobilisiert werden konnte. Ab dem 2. Juli berichteten laut Denkfabrik auch „Tichys Einblick“, die Zeitung „Junge Freiheit“ und weitere rechte Medien über angeblich „extreme Positionen“ von Brosius-Gersdorf vor allem zum Schwangerschaftsabbruch.

Sind keine Alternativmedien

Laut Polisphere stach die Plattform X dabei als Diskursarena besonders heraus. Bei den Beiträgen dazu wurde demnach insbesondere der CDU-Partei-Account stark adressiert. Auch zu der zweiten von der SPD vorgeschlagenen Kandidatin, der Staatsrechtlerin Ann-Katrin Kaufhold, gab es irreführende Berichte, wonach sie eine „radikale Klimaaktivistin“ sei. Diese Erzählung verfing aber im bürgerlichen Spektrum längst nicht so stark wie die Abtreibungsdebatte.

Sie geben Positionen verzerrt wieder und laden sie emotional auf. Dann stellen sie sich als Opfer dar, fordern Meinungsfreiheit für ihre eigenen Positionen ein, aber nicht für andere.

Gabriele Hooffacker, Journalistik-Professorin, über rechte Medien

Mit welchen weiteren Methoden arbeiten diese Medien, die auch als „Alternativmedien“ bezeichnet werden? „Ich finde nicht, dass das Alternativmedien sind“, sagt Wissenschaftlerin Hooffacker. „Sie stellen sich selbst so dar, als kämpften sie wie David gegen Goliath gegen eine Übermacht von vermeintlichen Mainstream-Medien an.“ Dabei seien sie weder klein noch unbedeutend, sondern hätten sehr hohe Einschaltquoten und Aufrufzahlen – teils bis in die Millionen. „Sie geben Positionen verzerrt wieder und laden sie emotional auf. Dann stellen sie sich als Opfer dar, fordern Meinungsfreiheit für ihre eigenen Positionen ein, aber nicht für andere“, beobachtete sie.

Die Fachzeitschrift für Journalisten, das „medium magazin“, hat in der ersten Ausgabe dieses Jahres „Apollo News“ eine Titelgeschichte gewidmet und festgestellt, dass die junge Nachrichtenseite auf rechten Telegram-Kanälen einen Höhenflug erlebt. Unter Berufung auf Daten des „Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS)“ werden Links zu „Apollo“-Beiträgen in „Kanälen und Gruppen, die dem deutschsprachigen verschwörungsideologischen und rechtsextremen Spektrum zugeordnet werden können, inzwischen häufiger geteilt als ‚Nius‘, ‚Junge Freiheit‘ und ‚Tichys Einblick‘.“ Die Fachzeitschrift stellt gleichzeitig fest, dass „Apollo“ für sich in Anspruch nehme, besseren Journalismus zu machen. „Der Realität hält das häufig nicht stand“, heißt es weiter.

Der Hostile-Media-Effekt

Warum entfalten Medien wie „Apollo News“ dennoch eine solche Wirkung? Journalistik-Professorin Hooffacker sagte: „Ihnen kommt ein psychologischer Effekt zugute, der Hostile-Media-Effekt.“ Wenn also jemand eine feste politische Meinung habe und Medien auch andere Positionen darstellten, komme es zu einer Wahrnehmungsverzerrung. „Diese verhindert, dass diese Menschen wahrnehmen, dass der Großteil der Medien eigentlich ausgewogen berichtet und verschiedene Perspektiven zeigt.“ Sie fügte hinzu: „Je stärker die eigene politische Positionierung ist, umso stärker wird auch die Wahrnehmung verzerrt. So kommt es, dass am Ende viele Menschen dann nur noch solchen Medien folgen, die die eigene Haltung bestärken und eben nicht unterschiedliche Blickwinkel abbilden.“

Die Kampagne gegen Brosius-Gersdorf ist ein Lehrstück, wie öffentliche Debatten in einer Demokratie nicht verlaufen sollten. Dass sie zum (vorläufigen) Scheitern einer Richterwahl führten, hängt zwar noch mit weiteren Faktoren zusammen – von Fehlern der Unionsfraktionsspitze bis hin zum Vertrauensverlust gegenüber den traditionellen Akteuren in Politik und Medien. Doch sollte man in Zukunft darauf achten, dass nicht der lärmende Rand die Politik bestimmt, sondern die Mehrheit im Land – selbst wenn sie schweigt.

fraulein smilla
6. August 2025 - 12.10

FAZ , Die Welt , Focus sind bekanntlich keine Linkspostillen aber bestimmt auch keine rechten Medienplattformen obschon sie in die selbe Kerbe schlugen wie die boesen "Alternativen " . Wenn Brosius Gersdorf meint dass die Menschenwuerde erst nach der Geburt beginne , wenn sie , die als zukuenftige Verfassungsrichterin vielleicht ueber ein AFD Verbot mitentscheiden soll schon bei Marcus Lanz verkuendet wo die Reise hingehen soll dann darf darueber schon diskutiert werden . Vielleicht haben die Deutschen ueber den Belehrungsjournalismus der Oeffentlich Rechtlichen einfach die Schnauze voll . Rezent wurde das ZDF von einem Gericht gezwungen eine Unterlassungserklaerung abzugeben nachdem sie faelschlicher Weise behauptet hatten Apollo News wuerde Falschnachichten verbreiten .

Reinertz Barriera Manfred
6. August 2025 - 7.13

Wir leben im Zeitalter der Informatik also sollte man sich darauf einstellen es gibt keinen andere Wahl denn die Manipulierer sind am Zug..