Naher OstenWie ein Brief Asselborns die Palästina-Frage wieder zur Europa-Frage macht

Naher Osten / Wie ein Brief Asselborns die Palästina-Frage wieder zur Europa-Frage macht
Seinem Ziel etwas näher gekommen: Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn will, dass die EU Palästina als Staat anerkennt (Foto: DPA/Bernd von Jutrczenka)

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Jean Asselborn im israelischen Fernsehen, Jean Asselborn wenig später auf Palestine TV. Dass Luxemburgs Außenminister im Nahen Osten so viel Sendezeit bekommt, ist nicht normal. Dazu eine zuletzt erhöhte Präsenz in den Zeitungen des Nahen Ostens. Da muss also etwas in Bewegung gekommen sein.

Bereits ein Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters hatte die Spur gelegt. Das war vor drei Wochen. Die Schlagzeile: „Luxemburgs Außenminister fordert Anerkennung Palästinas durch EU“. Was Asselborn gegenüber Reuters sagte, lasen die Außenminister der EU-Staaten und besonders der neue Außenbeauftragte der EU, der Spanier Josep Borrell, am 1. Dezember in einem offiziellen Brief – verbunden mit dem Appell, die Situation in Israel und den palästinensischen Gebieten wieder auf die politische Tagesordnung Europas zu heben.

Offenbar mit Erfolg. Nach dem Außenministerrat gestern in Brüssel sagte Borrell auf Nachfrage von Journalisten, die EU-Chefdiplomaten hätten sich darauf geeinigt, bei ihrem nächsten Treffen im Januar den Friedensprozess im Nahen Osten zu besprechen. Einem Bericht des israelischen Senders Channel 13 News zufolge, über den die Zeitung Times of Israel schreibt, nimmt Israel die Entwicklung durchaus ernst. Demnach würden seit Wochen israelische Diplomaten versuchen, Asselborns Initiative mit Lobbyarbeit entgegenzuwirken. Der israelische Journalist Barak Ravid, der Asselborns Brief an Borrell als erster erwähnte,  schrieb am vergangenen Sonntag auf dem amerikanischen News-Portal Axios, Israel sei „sehr besorgt“.

Widerstand gegen die USA

Die Initiative Asselborns steht in direktem Zusammenhang mit dem Kurswechsel der USA in ihrer Nahost-Politik, die die israelischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten nicht mehr als „per se“ völkerrechtswidrig bezeichnen wollen. Asselborn kritisiert die neue Position der USA. Sie unterstreiche, wie „die Zwei-Staaten-Lösung Tag für Tag, Stück für Stück abgebaut wird. Der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt, rückt jeden Tag gefährlich näher“.

Jean Asselborns Interview mit Palestine TV beginnt bei Minute 2

Asselborn warf Israel gegenüber Reuters eine „Kolonisierung“ des Westjordanlandes vor. Die Vorgehensweise Israels in der Siedlungspolitik lasse Zweifel an der Bereitschaft aufkommen, ob die Regierung eine Zwei-Staaten-Lösung überhaupt unterstützt. „Seit dem Friedensabkommen von Oslo hat sich die Zahl der Siedler vervierfacht. Es sind deren mehr als 600.000 im Westjordanland und in Ost-Jerusalem“, sagte Asselborn. „Die Politik der Kolonialisierung und der Zerstörung ist die Negation der Zwei-Staaten-Lösung.“

Der UN-Sicherheitsrat hat im Dezember 2016 betont, dass die Weltgemeinschaft eine Zwei-Staaten-Lösung will. In der Resolution 2334 wird gefordert, dass „Israel alle Siedlungstätigkeiten in dem besetzten palästinensischen Gebiet, einschließlich Ost-Jerusalems, sofort vollständig einstellt“.

Die Europäer seien weder in einem Anti-Israel- noch in einem Pro-Palästina-Lager, betonte der luxemburgische Sozialdemokrat. „Es gibt jedoch internationales Recht, und es gibt diejenigen, die es überschreiten. Verstöße gegen das Völkerrecht können nicht ignoriert werden, insbesondere nicht in Europa.“ Dabei sei die Anerkennung Palästinas als Staat „weder ein Gefallen noch ein Freibrief“, sondern eine bloße Anerkennung des Rechts des palästinensischen Volkes auf seinen eigenen Staat. „Sie wäre nicht gegen Israel gerichtet“, sagte Asselborn.

Die EU tue sich allerdings schwer damit, ihre politische Verantwortung für das Völkerrecht wahrzunehmen, sagte Asselborn noch vor drei Wochen. Deshalb solle sie eine Debatte über die Anerkennung eines Staates Palästina einleiten. Dieses Ziel scheint Asselborn nun erreicht zu haben.  (Mit Material von Reuters)