Bewegung im KlimaschutzWie die Koalition in Deutschland das Haupt-Wahlkampfthema der Grünen entschärfen will

Bewegung im Klimaschutz / Wie die Koalition in Deutschland das Haupt-Wahlkampfthema der Grünen entschärfen will
Über den Zeitplan für den Kohleausstieg wird weiter gestritten Foto: dpa/Patrick Pleul

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Durch das Verfassungsgerichtsurteil in der letzten Woche ist in Deutschland enorme Bewegung in die Klimaschutzdebatte gekommen. Ziele und Maßnahmen müssen nun sehr schnell deutlich verschärft werden. Das ist Konsens aller Parteien im Bundestag mit Ausnahme der AfD. Ein Teil der Beschleunigung könnte noch vor der Sommerpause erfolgen. Um vieles wird aber wohl im Bundestagswahlkampf gestritten werden. Eine Übersicht.

Klimaschutzgesetz. Es regelt bisher, dass Deutschland bis 2030 rund 55 Prozent weniger CO2 ausstoßen soll als 1990, um bis 2050 dann klimaneutral zu sein. Zum Vergleich: Ein Minus von 40 Prozent ist bisher bereits erreicht worden. Zudem sind Zielpfade für die einzelnen Sektoren wie Energie, Gebäude oder Verkehr beschrieben. Über dieses Gesetz wird jetzt zwischen SPD und Union neu geredet, weil das Verfassungsgericht bemängelt hatte, dass es keine Zwischenziele für die Jahre nach 2030 gebe und die künftigen Generationen eine viel stärkere Einsparlast zu tragen hätten als die jetzige.

Solche Zwischenziele sollen nun neu formuliert werden. Zugleich soll auch das Ziel für 2030 deutlich angehoben werden, da die EU ihre Vorgaben verschärft hat. Die Rede ist jetzt für Deutschland von einem Minus zwischen 62 und 68 Prozent. Am Montag machten sich überraschend sowohl CDU-Chef Armin Laschet als auch CSU-Chef Markus Söder dafür stark, die Klimaneutralität schon deutlich vor 2050 zu erreichen. Söder nannte das Jahr 2040. Das würde den ganzen Prozess noch einmal beschleunigen.

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) will schon in dieser Woche einen Reformentwurf vorlegen. Das Verfassungsgericht hatte für Korrekturen Zeit bis 2022 gegeben. Ein Motiv für die Eile beider Koalitionsparteien: Man will das Haupt-Wahlkampfthema der Grünen entschärfen, die für 2030 eine Senkung um 70 Prozent verlangen. Entscheidend sind freilich nicht diese abstrakten Werte, sondern wie sie konkret in den einzelnen Sektoren erreicht werden. Vor allem im Verkehr, der bisher nichts zur CO2-Einsparung beigetragen hat, müsste sich viel tun. Ebenso bei der Gebäudeheizung.

Erneuerbare Energien. Die SPD will sofort über den derzeit stockenden Ausbau der erneuerbaren Energien verhandeln und untermalt dies mit scharfen Angriffen gegen den zuständigen Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). SPD-Unterhändler Matthias Miersch nannte ihn gestern gegenüber Journalisten einen „Pinocchio“ und „Blockierer“; Laschet und Söder bekamen ebenfalls ihr Fett weg. Keine guten Voraussetzungen für eine schnelle Einigung.

Außerdem greift die SPD die Windabstandsregelungen in Bayern und Nordrhein-Westfalen an. Sie fordert eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes mit wesentlich ehrgeizigeren Ausbaupfaden für Wind und Sonne. Jedes Bundesland solle zwei Prozent seiner Fläche für Windanlagen freihalten, zudem solle es Planungsbeschleunigungen geben. CSU-Chef Markus Söder schlug am Montag eine Solaranlagenpflicht für alle neuen Gebäude vor. Die CDU wiederum will das nur für gewerbliche Bauten. Eine schnelle Reform wäre zwar in den letzten Sitzungswochen im Juni noch möglich, ist aber angesichts der Konflikte eher unwahrscheinlich.

CO2-Bepreisung. Seit diesem Jahr gilt ein Preis von 25 Euro je Tonne CO2. Das hat Benzin schon etwa um acht Cent verteuert. Jetzt kommt von Söder und Laschet der Vorschlag, den Preis schneller als geplant anzuheben. Im Gegenzug solle die EEG-Umlage gesenkt oder ganz abgeschafft werden. Die Grünen haben ähnliche Pläne. Ökostrom würde deutlich billiger, Öl, Kohle und Gas teurer. Allerdings zögert die SPD und weist auf die sozialen Folgen hin. Mieter und Pendler könnten so schnell nicht umsteuern, die Idee habe, so Miersch, „soziale Unwägbarkeiten“. Die FDP wiederum will alle Bereiche in den Emissionshandel einbeziehen. Das ganze Thema ist sehr grundsätzlich und dürfte Gegenstand des Wahlkampfs und der nächsten Koalitionsverhandlungen werden.

Kohleausstieg. Während Markus Söder sich für eine Beschleunigung aussprach, will es Armin Laschet beim gesetzlich festgelegten Ausstiegsdatum 2038 belassen. In NRW befinden sich viele Kohlekraftwerke, in Bayern nicht. Die Grünen peilen das Jahr 2030 als Enddatum an. In dieser Legislaturperiode dürfte das Gesetz kaum noch angefasst werden; eine Beschleunigung beim Kohleausstieg könnte sich aber aus den anderen Beschlüssen ergeben, vor allem, wenn Kohlestrom durch sie teurer und unrentabler wird.