Tageblatt: Die pferdegestützte Therapie wird oft mit dem Reiten assoziiert. Doch welche Rolle spielen dabei Aktivitäten abseits des Sattels?
France Bergh: Die therapeutische Wirkung von Pferden reicht weit über das Reiten hinaus. Schon die reine Interaktion und das Beisammensein mit den Tieren können tiefgreifend wirken. Die Reittherapie nutzt eine breite Palette an Aktivitäten, um unser Wohlbefinden zu stärken. Viele therapeutische Fortschritte, besonders die Entwicklung von Beziehungen und bewusste Beobachtung, entstehen gerade bei der Bodenarbeit, wo sich Prozesse durch Berührung und die gemeinsame Präsenz mit dem Tier entfalten. Ob Reiten sinnvoll ist, wird individuell entschieden. Für die Förderung von Rumpfstabilität oder Gleichgewicht wird in der Hippotherapie gezielt das Sitzen auf dem Pferd eingesetzt.
Wie ist ein Reittherapie-Kurs aufgebaut?
Kurse werden individuell an Alter, Fähigkeiten und therapeutische Ziele angepasst und finden meist in Einzel- oder Kleingruppen von 30 bis 60 Minuten statt. Jede Einheit beginnt mit der Pflege des Pferdes, wobei auch Sicherheitsregeln besprochen werden. Danach folgt die Arbeit auf oder mit dem Pferd, wie geführtes Reiten im Schritt mit sprachlicher Begleitung der Therapeutin zur Förderung von Balance und Koordination. Alternativ oder ergänzend kommt die Bodenarbeit zum Einsatz, bei der das Führen des Pferdes die Selbstwirksamkeit schult und das Pferd als Spiegel der eigenen Gefühle dient.
Wie wirken sich Pferde positiv auf unser Wohlbefinden aus?
Die Verbindung zum Pferd entfaltet eine ganzheitliche Wirkung. Körperlich werden Muskelaufbau und Haltung verbessert. Emotional stärkt sie das Selbstwertgefühl, während Ängste abgebaut werden. Sozial fördert sie Empathie und Beziehungsfähigkeit. Zudem aktiviert die Zeit im Freien den Kreislauf. Pferde sind einzigartige therapeutische Helfer durch ihre Sensibilität und soziale Intelligenz. Sie leben im Hier und Jetzt, was Achtsamkeit fördert und bei der Verarbeitung von Stress hilft. Ihre wertfreie Haltung bietet bedingungslose Akzeptanz. Über ihre Körpersprache schulen sie nonverbale Ausdrucksweisen und lehren, dass Beziehungen auf Vertrauen, Geduld und gegenseitigem Respekt basieren. Zudem lindern sie die Einsamkeit tiefgreifend. Durch ihre Präsenz füllen sie eine Leere und erinnern an die Verbundenheit mit sich selbst und der Welt. Als Herdentiere suchen sie Nähe und Beziehung, wodurch in der authentischen, wortlosen Interaktion emotionale Isolation durchbrochen wird und man sich gesehen und angenommen fühlt.
Bei welchen gesundheitlichen Problemen ist die Reittherapie hilfreich?
Sie hilft bei psychischen und emotionalen Störungen wie Depressionen oder Burnout, Entwicklungs- und Verhaltensstörungen sowie bei körperlichen und neurologischen Erkrankungen. Auch bei der Bewältigung von Traumata, psychosozialen Belastungen und kognitiven Beeinträchtigungen zeigt sie positive Effekte. Es ist wichtig zu betonen, dass die Reittherapie ergänzend zu anderen Behandlungen eingesetzt wird. Indikation und Plan sollten stets individuell mit einem Arzt abgestimmt werden.
De Maart




Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können