Hobbygärtner finden die Beschreibung im Shop exotischer Pflanzen: „Ein attraktiver stacheliger Strauch, der auf den Philippinen beheimatet ist, mit glänzend grünen Blättern und duftenden Blüten.“ Verwiesen wird auch auf „zahlreiche medizinische Anwendungen“. Es scheint also mehr drinzustecken in „Swinglea glutinosa“, auch bekannt als Tabog. Jedenfalls sind seine Samen problemlos zu bestellen, denn die Pflanze ist ungiftig. Und doch scheint die EU damit Probleme zu haben.
2018 hat das amerikanische Familienunternehmen Gowan („Leidenschaft für Landwirtschaft“) für ein biologisches Pflanzenschutzmittel die Zulassung in allen US-Bundesstaaten erhalten, nachdem es nachweisen konnte, dass der aus den Tabog-Blättern gewonnene Wirkstoff Pilzerkrankungen wie Mehltau oder Sauerfäule bekämpft. Erdbeer- und Weinliebhaber könnten sich darüber auch in der EU freuen. Denn gerade diese Früchte würden besser gedeihen, wenn sie auf diese Weise biologisch behandelt würden. Doch das Gowan-Mittel befindet sich immer noch im EU-Konjunktiv, obwohl die Zulassung für die EU bereits im Frühsommer 2019 beantragt wurde.
Wirkstoff steckt fest
Immer noch steckt der Wirkstoff in der Zulassung fest. Die Bewertung ist die erste Hürde in dem komplexen Verfahren, bei dem ein Mitgliedsstaat stellvertretend für alle anderen mit der Prüfung beginnt, die Efsa, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, und die Kommission daraufhin übernehmen und dann jeder Mitgliedstaat noch einmal die Anwendung auf seinem Gebiet genehmigen muss. Das alles kennt eigentlich klare Zeitvorgaben: 30 Tage für die Erstprüfung, bis zu einem Jahr für die Bewertung, dann soll es binnen weniger Wochen in die Prozedur der 27 nationalen Erlaubnisse gehen.
Lange vor der biologischen Innovation bei der Pilzbekämpfung hatte das EU-Parlament den Druck auf die Kommission erhöht, die Verfahren zu beschleunigen. Der Einsatz herkömmlicher Pflanzenschutzmittel werde wegen der damit verbundenen Risiken für die Gesundheit des Menschen, die Tierwelt und die Umwelt immer umstrittener, hieß es in einer entsprechenden Resolution vom Februar 2017. Biologische Pflanzenschutzmittel könnten die problematischen Pestizide ersetzen, vor allem wenn sie nur ein geringes Risiko aufwiesen. Es seien jedoch erst sieben Wirkstoffe mit geringem Risiko für die EU zugelassen worden. Einige Staaten hätten die Erlaubnis sogar verweigert, weil sie vermeintlich weniger wirksam seien als chemisch-synthetische Pestizide.
Die Einsicht war da, die Kommission beschloss im vergangenen Jahr ein beschleunigtes Genehmigungsverfahren für risikoarmen Biopflanzenschutz. Doch in der Praxis scheint das weiterhin nicht zu funktionieren. Gowan hatte den Berichtsentwurf über die Prüfung des Mitgliedsstaates spätestens Anfang 2021 erwartet. Er kam drei Quartale später. Aber weiter geht es immer noch nicht. Denn obwohl biologisch, wird das Mittel nun so behandelt, als wäre es chemischer Natur. Volker Koch-Achelpöhler, Brüsseler Gowan-Vertreter, schüttelt fassungslos den Kopf: „Es ist uns unbegreiflich, warum ein aus einer ungiftigen Pflanze extrahiertes Mittel wie ein herkömmliches Pestizid behandelt wird und jeder Bestandteil des Wirkstoffs noch einmal einzeln untersucht werden soll.“
Für den Brüsseler Grünen-Agrar-Experten Martin Häusling ist das eine zweischneidige Angelegenheit: „Als Biobauer befürworte ich den biologischen Pflanzenschutz natürlich, doch ist dies ein weites Feld“, sagt der Europa-Abgeordnete. Weil biologischer Pflanzenschutz nicht per se weniger gefährlich sei, müssten neu entwickelte Mittel einen sorgfältigen Zulassungsprozess durchlaufen. Auch Mittel aus natürlichen Substanzen könnten schädliche Wirkungen haben.
Frust beim Hersteller
„Wenn wir in Europa die Nutzung chemischer Pflanzenschutzmittel verringern und zu einem nachhaltigeren Einsatz von Pestiziden übergehen wollen, brauchen wir Alternativen und erleichterte Zulassungsverfahren“, unterstreicht der CDU-Agrarexperte und Vorsitzende des EU-Landwirtschaftsausschusses, Norbert Lins. Das Parlament habe das bereits 2019 in einem Sonderausschuss für das Genehmigungsverfahren für Pflanzenschutzmittel betont, die Kommission die Förderung alternativer Methoden als Priorität bezeichnet. Dennoch müsse hier noch mehr getan werden. „Wir brauchen schnellere Genehmigungsverfahren von risikoärmeren und nicht-chemischen Optionen“, verlangt der Ausschusschef. Dies könne auch Produkte aus Drittstaaten betreffen. „Wir müssen selbst noch aktiver werden, wollen wir dieses Feld nicht nur außereuropäischen Firmen und Forschern überlassen“, betont Lins.
Bei Gowan scheint sich in Sachen Traubenschutz Frust breitzumachen. „Wir können nach über drei Jahren immer noch nicht kalkulieren, ob und wann wir eine Zulassung für die EU bekommen“, stellt Koch-Achelpöhler fest. Und er kann sich auch vorstellen, wie das generell auf Firmen und Forscher wie bei Gowan wirkt: „Wenn ein Unternehmen erlebt, wie ein Zulassungsverfahren wiederholt verzögert wird, liegt die Überlegung nahe, ob es mit weiteren Innovationen auch den europäischen Markt berücksichtigen soll.“
De Maart
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