Montag3. November 2025

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E Bléck duerch d’LënsWie der Schifflinger Jacques Goergen in der belgischen Brigade Piron gegen die Nazis kämpfte

E Bléck duerch d’Lëns / Wie der Schifflinger Jacques Goergen in der belgischen Brigade Piron gegen die Nazis kämpfte
Gruppe junger Luxemburger der Brigade Piron in Louvain im November 1944, darunter der Schifflinger Jacques Goergen (1. Reihe, 1.v.r.) Foto: Privatsammlung Daniel Jordao

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Die lokale Erinnerungskultur an die NS-Besatzung in Schifflingen wird bis heute vom Widerstand geprägt – insbesondere von den Streiks von 1942 und der Widerstandsbewegung Alweraje. Allerdings sind die Aktivitäten anderer Gruppen kaum bekannt, wie die der belgischen Brigade Piron mit ihren ca. 139* luxemburgischen Soldaten.   

Jacques Goergen wurde am 18. März 1918 in Rammeldingen geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er jedoch in Schifflingen. 1937 meldete er sich freiwillig zum Dienst in der luxemburgischen „force armée“, der sogenannten Freiwilligenkompanie. Nach der Besetzung des Landes durch NS-Deutschland am 10. Mai 1940 wurde er im Reich in die motorisierte Gendarmerie eingegliedert. Im Sommer 1941 wurde Goergen entlassen und kehrte wieder nach Schifflingen zurück. Daraufhin beschloss er, Luxemburg in Richtung Großbritannien zu verlassen, um sich dort den alliierten Truppen anzuschließen. 

Flucht nach Großbritannien

Über das Elsass und Südfrankreich, wo er einige Zeit untertauchte, floh Goergen im Jahr 1943 nach Spanien, um von dort nach Gibraltar zu gelangen. In Andorra wurde er jedoch aufgegriffen und für einige Wochen in einem spanischen Gefängnis festgehalten. Erst durch die Hilfe des luxemburgischen Ablegers des Roten Kreuzes in Madrid und des britischen Konsuls in Spanien wurde er wieder aus der Haft entlassen.

Goergen erhielt ein Visum für die Einreise nach England. Er reiste zuerst nach Lissabon weiter, wo er sich bei der belgischen Botschaft bereits provisorisch für den Dienst in den belgischen Streitkräften verpflichtete. Über Gibraltar erreichte er schließlich im Februar 1944 Großbritannien, wo er sich Anfang März 1944 nun endgültig in der belgischen Exilarmee verpflichtete. Nach einer kurzen Ausbildung wurde Goergen einer Artillerieeinheit zugeteilt. Diese war Teil einer belgischen Kampfgruppe, die für den Einsatz in Frankreich aufgestellt worden war. Im Volksmund wurde diese, unter Kommando von Oberstleutnant Jean-Baptiste Piron stehende, Einheit Brigade Piron genannt.   

Luxemburger in der Brigade Piron

Im Dezember 1942 war die Brigade Piron unter der Bezeichnung First Belgian Group aufgebaut worden. Sie bestand aus unterschiedlichen Truppengattungen, darunter Artillerie, Infanterie, Aufklärung und Pioniere. Zudem wurde am 31. März 1944 ein Zug luxemburgischer Soldaten in die Artillerie der Brigade Piron eingegliedert. Sie bildeten die sogenannte C-Troop – auch Luxembourg Battery genannt –, eine Artilleriebatterie, die rasch auf bis zu 80 Luxemburger anwuchs.

Jacques Goergen wurde nicht zum Artilleristen ausgebildet, sondern zum Funker und Telefonkabelleger. Neben ihm waren noch zwei weitere Schifflinger, Robert Muller (1917-1994) und der Widerstandskämpfer Wenzel Profant (1913-1989), nach ihrer Verpflichtung in England der Brigade Piron zugeteilt worden. Als Fallschirmjäger kamen die beiden Männer als Funker und Nachrichtenmelder in Frankreich, Belgien und Deutschland hinter den deutschen Linien zum Einsatz. Zwei Monate nach dem D-Day, am 8. August 1944, landete die Brigade Piron in der Normandie.

Bislang sind keine individuellen Erlebnisse von Goergen aus dem Normandie-Feldzug bekannt. Er scheint jedoch nicht verwundet worden zu sein. Nach einem raschen Vormarsch durch Frankreich, der Befreiung der Côte Fleurie und der Überquerung der Seine, stieß er mit der Brigade Piron zur belgischen Grenze vor und nahm am 4. September 1944 an der Befreiung von Brüssel teil. An dieser war auch Prinz Jean als Leutnant der Irish Guards beteiligt. Ende September 1944 wurde die Brigade Piron nach Holland an den Wessemkanal verlegt, wo weitere 46 Luxemburger zur Einheit hinzustießen und zum Großteil den Infanterietruppen und nicht der Luxembourg Battery zugeteilt wurden. Einer dieser Soldaten war der frühere Zwangsrekrutierte Victor Fusshoeller (1921-2018) aus Schifflingen, der sich, zum Schutz seiner Familie, unter dem Decknamen Victor Brasseur den luxemburgischen Streitkräften in der Brigade Piron angeschlossen hatte.  

Kriegsende und Demobilisierung

Im November 1944 wurde die Brigade Piron zur Umstrukturierung von der Front abgezogen und zurück nach Belgien versetzt. Die belgische Artillerieeinheit, mit deren Luxembourg Battery, wurde von den britischen Streitkräften als unabhängige Einheit eingesetzt. Die drei Infanteriekompanien wurden zu Bataillonen erweitert und als belgische Brigade unter Jean-Baptiste Piron umorganisiert. Erst im April 1945 kamen die belgischen und luxemburgischen Soldaten wieder in Holland in der Gegend von Opheusden zum Kampfeinsatz.

Kurz vor Kriegsende wirkten die Artilleristen, unter dem Kommando der Kanadier, bei der Befreiung des Westens und Nord-Ostens der Niederlande mit. Im Anschluss wurden sie, als Teil der Besatzungstruppen, nach Deutschland verlegt, wo sie im Mai 1945 die Kapitulation miterlebten. Im Juni 1945 wurden die Luxemburger, darunter auch Jacques Goergen, von den belgischen Streitkräften freigestellt und in Luxemburg-Stadt feierlich empfangen. Nach einer Parade auf dem Glacis wurden sie offiziell demobilisiert.

Nach dem Krieg begann Jacques Goergen eine berufliche Karriere im öffentlichen Dienst bei der Polizei und arbeitete fortan auf der Wache in Esch/Alzette. Am 15. Juni 1953 starb Goergen mit 35 Jahren bei einem Unfall in Saint-Flour in Frankreich. Seine letzte Ruhestätte fand er in seinem Heimatort Schifflingen. 

*Neueste Recherchen zeigen, dass ca. 139 Luxemburger Mitglied der Brigade Piron waren. Nicht bei jeder Person konnte hingegen geklärt werden, ab wann – März oder September 1944 – diese zur Brigade Piron stießen, sodass bei den 80 und 46 Luxemburgern weiterhin auf Jacques Dollar zurückgegriffen wurde.  

Quellen- und Literaturauswahl: ANLux, Fonds du Gouvernement en Exil, GE 010, Dossier 120; SGRS-SA Evere, Dossiers individuels: Fusshoeller Victor, Goergen Jacques, Muller Robert und Profant Wenzel; Literatur: Dollar/Kayser, Histoire de la „Luxembourg Battery“; Koch-Kent, Sie boten Trotz – 1939-1945 – Luxemburger im Freiheitskampf; Arendt, La compagnie des volontaires du Grand-Duché de Luxembourg pendant la Deuxième Guerre mondiale – Mémoire 121e Promotion toutes armes de l’Ecole royale militaire de Bruxelles  

Datenbank der Widerstandskämpfer*innen

Das „Musée national de la Résistance et des droits humains“ baut derzeit eine Datenbank der Widerstandskämpfer*innen des Zweiten Weltkriegs auf. Es handelt sich um ein laufendes, partizipatives Projekt. Wenn Sie Informationen in Bezug auf eine Biografe haben oder eine Biografie selbst hinzufügen möchten, kontaktieren Sie das Museum über: [email protected] 

Die 2nd Group der Belgian Forces in UK

Mindestens ein halbes Dutzend Schifflinger Zwangsrekrutierte waren als Kriegsfreiwillige in den belgischen Ausbildungslagern in England. Dort warteten sie auf ihren Einsatz in der Brigade Piron, wurden aber nie einberufen. Diese Ausbildungseinheit war der 2nd Group, Belgian Forces in UK. Die Soldaten wurden erst im August 1945 nach Luxemburg transferiert, um sofort demobilisiert zu werden. 

Die Serie

In der Rubrik „E Bléck duerch d’Lëns“ liefern die Historiker*innen André Marques, Julie Depotter und Jérôme Courtoy einen facettenreichen Blick auf verschiedene zeitgeschichtliche Themen. Heute mit einem Gastbeitrag von Daniel Jordao.