Sonntag2. November 2025

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Essbare StadtWie das Projekt „Ville mangeable“ in Esch Generationen zusammenbringt

Essbare Stadt / Wie das Projekt „Ville mangeable“ in Esch Generationen zusammenbringt
Zu dritt geben Julian Siegers, Herr Heinen und Carole Schuller (v.l.n.r.) den Jugendlichen Anweisungen zur Gartenarbeit Foto: Laura Tomassini

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Was haben Jugendliche, Senioren aus dem Altenheim, „Maison relais“-Kinder und Obdachlose gemeinsam? Richtig, sie alle packen mit an, wenn es um die Instandhaltung der Gemeinschaftsgärten in Esch geht. Das Projekt „Ville mangeable“ bringt Generationen zusammen und hat ein gemeinsames Ziel: Landwirtschaft wieder in die Stadt holen, die so nicht nur grüner, sondern auch leckerer wird.

Sie sind eine wahre Win-win-Situation: Gemeinschaftsgärten bringen Menschen zusammen, bieten Organisationen einen Ort für Aktivitäten und leisten einen Beitrag für ein positives Stadtbild. Davon überzeugt ist jedenfalls Julian Siegers, Manager des Projektes „Ville mangeable“ beim CIGL Esch. Seit 2021 ist Siegers für die insgesamt fünf Gärten in Esch zuständig, die als Teil des KreaVert-Partnernetzwerks in der Großregion starteten und durch das Interreg-Programm der Europäischen Union von 2018 bis 2021 gefördert wurden. Seither gedeihen die Gemeinschaftsgärten weiter, dies durch die vielen helfenden Hände, die sich jede Woche um die Beete, Kübel und Pflanzen kümmern.

Für Herrn Courtois hat das Projekt einen nostalgischen Wert, denn früher besaß der Rentner einen eigenen großen Garten
Für Herrn Courtois hat das Projekt einen nostalgischen Wert, denn früher besaß der Rentner einen eigenen großen Garten Foto: Laura Tomassini

Am Dienstag ist es an den Jugendlichen des Centre Formida. Seit sechs Jahren schon kommt Erzieherin Carole Schuller mit 14- bis 24-Jährigen in den Garten „Rose des vents“ beim Seniorenheim „Op der Léier“. Hier lernen diese, welche Obst- und Gemüsesorten es in Luxemburg gibt, wie man diese anbaut und wie aus Saatgut eine fertige Pflanze wird. Das Highlight eines jeden Gartenbesuchs: Herr Heinen, der direkt neben dem Gemeinschaftsgarten wohnt und die Aktivitäten mit Strenge, aber viel Hingabe begleitet. Der Standort des Projekts ist ideal, denn nur einige Meter weiter befindet sich der zweite Garten des Geländes, „Les 4 Saisons“, der auch für die Bewohner des Seniorenheims gut zugänglich ist.

Gärten, die verbinden

„Die Idee ist es, die Jugendlichen sporadisch mit hinunterzunehmen, damit sie den Rentnern mit den Hochbeeten helfen und so Kontakt zwischen beiden Altersgruppen entsteht“, erklärt Siegers das Prinzip. Dieses Mal ist Steven der Auserwählte, der die Gruppe wechselt und den älteren Gartenpflegern unter die Arme greift. „Ich arbeite gerne im Garten, zu Hause helfe ich auch unseren Nachbarn. Und ich finde es spannend, mit alten Leuten zu reden, denn die haben im Leben schon vieles erlebt und können uns Tipps geben“, meint der 17-Jährige.

Auch Frau Lekl kümmert sich gerne um die Beete, denn diese sieht sie als gemeinsame Verantwortung
Auch Frau Lekl kümmert sich gerne um die Beete, denn diese sieht sie als gemeinsame Verantwortung Foto: Laura Tomassini

Während Steven also den Gartenschlauch auslegt, setzt Frau Lekl eine neue Tomatenpflanze und Herr Courtois „überwacht“ das Geschehen. „Ich hatte früher 17 Ar Garten. Auf der einen Seite haben wir Kartoffeln angepflanzt, auf der anderen Seite hatten wir Rasen mit zwei Weihern. Wir haben viel Zeit mit unseren Enkeln im Wohnwagen dort verbracht“, erzählt der Rentner. So ganz zufrieden mit der hiesigen Bepflanzung ist er noch nicht, schließlich fehlen noch ein paar hübsche Blumen, doch die Zeit draußen ruft Erinnerungen hervor, an schöne Tage von früher. Auch Frau Lekl findet das Projekt gelungen, denn „jeder, der was von Gartenbau versteht, trägt etwas zum Ganzen bei“. So tut es auch Manuel, der beim CIGL die Zeit überbrückt, bis er eine feste Arbeit als Gemüsebauer findet.

Für die Bewohner des Seniorenheims ist die Arbeit im Garten eine erwünschte Abwechslung
Für die Bewohner des Seniorenheims ist die Arbeit im Garten eine erwünschte Abwechslung Foto: Laura Tomassini

„Unsere Gärten sind nicht nur schön, sondern haben wirklich einen sozialen Aspekt“, betont Siegers mit Blick auf die kleinen Wehwehchen, die beim Projekt entstehen. Dadurch, dass die Grünanlagen zu jeder Zeit frei zugänglich sind, kommt es hier nämlich immer wieder zu negativen Überraschungen: „Jeder Garten hat so seine Probleme. In den beiden hier haben wir weniger mit Verschmutzung zu kämpfen als mit Vandalismus und Diebstahl.“ Ganze Erdbeerstöcke wurden bereits geklaut, ein anderes Mal hatte jemand die Schnüre durchgeschnitten, an denen sich die Bohnenpflanzen hochranken.

Ein Projekt mit vielen Gesichtern

Trotz alledem sei man stolz auf das Projekt, denn Gartenarbeit trägt nicht nur sicht- und essbare Früchte, sondern fördert auch Teamgeist, Geduld und Verantwortungsbewusstsein. Zwar sind Gießen, Umgraben, Unkrautjäten und Ernten vor allem für die Jugendlichen erst mal ungewohnt, spätestens nach der ersten Stunde aber eine gern gesehene Abwechslung, denn hier besteht kein Leistungsdruck und es gibt auch keine Noten wie in der Schule. „Die Jugendlichen bringen viele Ideen ins Projekt ein, das Gerüst und die Tür etwa haben sie bei uns im Atelier zusammengeschweißt. Das Ganze ist wirklich unser Baby und alle wollen, dass der Garten schön aussieht“, meint Schuller.

Immer mehr Organisationen melden sich für Aktivitäten und auch die anderen Elemente des Projekts – Pflanzkübel in der Alzettestraße, eine mobile Terrasse sowie Pflanzkübel auf der place de l’Académie in Belval – erfreuen sich großer Beliebtheit innerhalb der Gemeinde. Während sich Siegers also regelmäßig mit den anderen Mitgliedern des „Edible Cities Network“ per Videocall austauscht und so neue Ideen nach Esch bringt, werden diese von den vielen verschiedenen Teilnehmern des Projektes vor Ort umgesetzt, sodass ein Ganzes entsteht, von dem auch alle profitieren.