Dienstag23. Dezember 2025

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E Bléck duerch d’LënsWiderstand gegen das NS-Regime – Wie versteckt man einen Deserteur?

E Bléck duerch d’Lëns / Widerstand gegen das NS-Regime – Wie versteckt man einen Deserteur?
Victor Monnertz (l.), 1947, Syndicat d’initiative Steinfort; Gruppenfoto der Familie Monnertz-Daufeld (Joséphine, Marcel und Großvater Jacques) mit Adrien Oswald, Steinfort 1944 xxx

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Am 24. Juni 1968 wurde die „Médaille de la Reconnaissance nationale“ eingeführt. Die Auszeichnung wurde jenen überreicht, die während der deutschen Besatzungszeit, unter hohen Risiken, politisch oder militärisch verfolgte Luxemburger*innen vor den Nationalsozialisten versteckten und versorgten. Ca. 4.800 Medaillen wurden verteilt, darunter auch an die Witwe Joséphine Monnertz-Daufeld aus Greiweldingen.

Joséphine Daufeld wurde am 21. Januar 1907, als Tochter der Eheleute Jacques und Catherine Daufeld-Kongs, in Greiweldingen geboren. 19 Jahre später, am 27. April 1926, heiratete sie den 23-jährigen Lastkraftwagenfahrer Edouard Monnertz aus Steinfort. Das Ehepaar ließ sich in Steinfort nieder und bekam drei Kinder: Victor (*1927), Jeanny und Marcel (1933-2019). Ende November 1930 starb ihre Tochter Jeanny, einige Monate nach ihrer Geburt. Drei Jahre später starb auch Edouard Monnertz am 20. Oktober 1933. Nach dem Tod ihres Ehemannes entschloss sich die 26-jährige Joséphine, zusammen mit ihren Söhnen zurück zu ihren Eltern nach Greiweldingen zu ziehen. Dort erlebte die alleinerziehende Mutter am 10. Mai 1940 die Besetzung des Landes durch NS-Deutschland.

Landleben unter NS-Besatzung

Jérôme Courtoy, Historiker
Jérôme Courtoy, Historiker Foto: Editpress/Alain Rischard

Neben Vieh für den Eigengebrauch besaß die Familie Monnertz-Daufeld in Greiweldingen einige Felder fruchtbaren Ackerlandes und Weingärten, die vor allem von Joséphine bewirtschaftet wurden. Als Eigenversorger litt die Familie kaum Hunger. Sie stand jedoch unter Abgabepflicht und wurde regelmäßig kontrolliert. Die Überschüsse wurden an nahegelegene Kellereien oder Molkereien abgegeben. Die Anzahl an Schweinen und anderen Zuchttieren musste Joséphine dem Ortsbauernführer angeben. Auch das Schlachten musste gemeldet werden, wie sich Victor Monnertz erinnerte: „Wa geschluecht gouf, koum de ‚Bannpréiter‘. Hie gouf vun der Gemeng beoptraagt, fir ze kontrolléieren, wéi vill an den Haiser geschluecht gouf. Hien huet eng Stréchlëscht pro Haus gefouert. Dës huet en dann u seng Virgesetzte weiderginn, fir eben ze verhënneren, dass ee schwaarz schluecht. Hien huet awer och oft en A zougedréckt. Dunn huet hien als Merci eng Drëpp offréiert krut. Hien huet dunn an eisem Fall ee Schwäin uginn an et waren der awer zwee.“ Die zuvorkommende Haltung des „Bannpréiter“ ermöglichte es der Familie, Fleischwaren an hamsternde Freunde und Verwandte zu verteilen. Bis 1941/42 soll sie auch einem – bis dato nicht identifizierten – hungernden jüdischen Händler geholfen haben.

In der Zwischenzeit gerieten Joséphine und ihre Söhne zunehmend unter Druck. 1942 wurde der 15-jährige Victor Monnertz nach Flaxweiler auf den Hof eines Landwirtes dienstverpflichtet. Ein Jahr später wurde er dazu genötigt, der Hitlerjugend beizutreten, was er widerwillig auch tat. Ende 1943 musste er zur vormilitärischen Ausbildung nach Ansemburg ins „Wehrertüchtigungslager“. Auch sein jüngerer Bruder Marcel musste, um weiter dem Schulunterricht beiwohnen zu dürfen, dem Deutschen Jungvolk beitreten.

Die Serie

In der Rubrik „E Bléck duerch d’Lëns“ liefern die Historiker*innen André Marques, Julie Depotter und Jérôme Courtoy einen facettenreichen Blick auf verschiedene zeitgeschichtliche Themen.

Hilfe aus der Zivilbevölkerung

Am 30. August 1942 hatte Gauleiter Gustav Simon die allgemeine Wehrpflicht in Luxemburg verkündet. Die darauffolgenden, brutal niedergeschlagenen, landesweiten, jedoch unabhängig voneinander aufflammenden Streikbewegungen, aber auch die aktuelle Kriegslage sorgten dafür, dass die Zivilbevölkerung den Widerstand zunehmend unterstützte. Trotz der ständigen Gefahr, entdeckt, inhaftiert und in Konzentrationslager deportiert zu werden, halfen zahlreiche Menschen den Widerstandsorganisationen dabei, mehr als 2.500 Wehrdienstverweigerer, Deserteure, Widerstandskämpfer und alliierte Soldaten zu beherbergen und zu versorgen. Die Versteckten wurden auf Dachböden, in Scheunen, in Kirchtürmen oder in unterirdischen Verstecken, sogenannten Bunkern, unter anderem in den Eisenerzminen, untergebracht.

Auch der am 7. April 1922 in Steinfort geborene Deserteur Adrien Oswald musste ab Februar 1944 versteckt werden. Mitte April 1942 war er zuerst zum Reichsarbeitsdienst nach Lichtenau und einige Monate später, im Oktober 1942, zur Wehrmacht eingezogen worden. Nach vorheriger militärischer Ausbildung in Harburg bei Hamburg und Paderborn unter anderem bei der Panzer-Ausbildungs-Abteilung wurde er in Italien eingesetzt. Während eines einmonatigen Fronturlaubes tauchte Adrien Oswald Mitte Februar 1944 unter. Nach vorheriger Absprache mit Joséphine, die den Jungen noch aus ihrer Zeit in Steinfort kannte, sollte Adrien bei ihnen in Greiweldingen versteckt werden. Mit neuer Zivilkleidung ausgestattet, begab er sich mit dem Fahrrad von Steinfort oder, je nach Angaben, von Luxemburg-Stadt aus an die Mosel.

Ein Zeichen des Widerstandes

In der Nacht vom 17. auf den 18. Februar erreichte er das Haus in der Greiweldinger Gässel, zur großen Verwunderung des jungen Victor Monnertz: „Dat war eng däischter Nuecht, do ass dee mam Vëlo op Greiweldeng komm. […] An ech hunn emol näischt gewosst vun der Saach, dass hie bei eis verstoppt géing ginn. […] Op eng Kéier huet d‘Dier gerabbelt an ech war erféiert.[…] Do sinn ech dann emol kucke gaangen an du stoung do den Adi.“ Im Obergeschoss des Hauses wurde ein leerstehendes Zimmer hergerichtet. Zudem wurde, im Falle einer Flucht, ein Durchbruch vom Dachboden in die angrenzende Scheune angelegt. Adrien war von seinen Eltern mit einem Radio ausgestattet worden, das er jedoch nicht über den Stromzähler der Familie laufen ließ. Nichts wurde dem Zufall überlassen.

Die Familie Monnertz-Daufeld bekam regelmäßig Besuch von Freunden und Verwandten. In solchen Fällen musste sich Adrien – teils über mehrere Tage – ruhig in seinem Zimmer aufhalten. Nur abends wurde die Zimmertür aufgeschlossen, wenn Joséphine ihm insgeheim das Essen brachte.

Das Risiko, entdeckt zu werden, war groß. Besonders der elfjährige Marcel wurde regelmäßig von Joséphine und Victor ermahnt, sich vorsichtig zu verhalten. Bis zum 10. September, also insgesamt acht Monate, blieb Adrien Oswald in Greiweldingen versteckt. Im Juli wurde Victor Monnertz für den Wehrdienst gemustert, dem er jedoch wegen der Befreiung des Landes durch die Amerikaner entging. Im September 1944 wurde die Bevölkerung von Greiweldingen in die bereits befreite Nachbarortschaft Canach evakuiert. Von dort aus ging es für die Familie Monnertz-Daufeld und Adrien Oswald weiter nach Steinfort, wo Victor und Joséphine für die dort stationierten amerikanischen Soldaten arbeiteten.

Erst nach der Ardennenoffensive kehrte die Familie für zwei Jahre nach Greiweldingen zurück. 1947 ließen sie sich jedoch dauerhaft in Steinfort nieder. Erst nach dem Krieg wurde in der Ortschaft bekannt, welche Familien das Risiko auf sich genommen hatten, flüchtige Luxemburger aufzunehmen. Victor Monnertz beschreibt diese Situation folgendermaßen: „Déi meescht Leit op den Dierfer haten een Deserteur verstoppt […] an dann hues de missen oppassen, wat s du gesot hues. […] Du konnst net soen: Hei, mir hunn och een do um Späicher sëtzen.“ Neben der Familie Monnertz-Daufeld hatten noch mindestens sechs weitere Personen bzw. Familien des kleinen Moseldorfes mit seinen ca. 409 Einwohnern (Stand: September 1945) einen oder mehrere Jongen insgeheim bei sich beherbergt.

Am 23. Mai 1970 wurde Joséphine Monnertz-Daufeld in Remich für ihren Einsatz mit der „Médaille de la Reconnaissance nationale“ ausgezeichnet. Am 17. Dezember 2001 verstarb Joséphine Monnertz-Daufeld im Alter von 94 Jahren in Luxemburg-Stadt.

Quellen- und Literaturverzeichnis: Privatsammlung: Zeitzeugenberichte von Marcel und Victor Monnertz, Petingen/Steinfort, 2017-2025; Diplome zur Überreichung der „Médaille de la Reconnaissance nationale“, Luxemburg 1970, CDREF: Formular über zwangsrekrutierte, desertierte und versteckte Personen – Adrien Oswald, Steinfort 29.4.1968; Auszeichnungen in Remich, in: Luxemburger Wort 123 (27.5.1970), S. 8.; Volkszählung vom 20. August 1945, in: Obermoselzeitung 55 (5.9.1945), S. 2. Literatur: Trossen, Verluere Joëren – Band IV: Kapitel XXVIII, S. 1211-1240.

Datenbank der Widerstandskämpfer*innen

Das „Musée national de la Résistance et des droits humains“ baut derzeit eine Datenbank der Widerstandskämpfer*innen des Zweiten Weltkriegs auf. Es handelt sich um ein laufendes, partizipatives Projekt. Wenn Sie Informationen in Bezug auf eine Biografe haben oder eine Biografie selbst hinzufügen möchten, kontaktieren Sie das Museum über: [email protected].