Seit ihrer Zerschlagung wird diese Widerstandsgruppe höchstens am Rande erwähnt. Um 1972 verfasste der Widerstandskämpfer Pierre Haas eine detaillierte Chronik, „Schifflingen unter der Nazifuchtel: Seine Resistenz – Seine Märtyrer“, in der auch die Armée Blanche ein kurzes Kapitel erhielt. 1983 unternahmen die Autoren André Hohengarten und Marcel Engel in ihrer Monografie über das Konzentrationslager Hinzert den Versuch, anhand der Akten der Nachkriegsprozesse gegen Angehörige der Gestapo, die Auflösung der Armée Blanche etwas zu beleuchten. Der folgende Beitrag soll ein genaueres Bild über die Aktivitäten, den Auflösungsprozess und das Schicksal einzelner Mitglieder geben. Die Forschungsergebnisse basieren u. a. auf bisher nicht/kaum untersuchten Akten aus den Beständen der „Archives nationales“, des Bundesarchivs und der Arolsen Archives.
Eine kurze Geschichte der Armée Blanche
Im Laufe des Jahres 1942/1943 bildete sich in Schifflingen, neben der ALWERAJE und der Gruppe 7 der Letzeburger Ro’de Le’w (LRL), eine weitere Widerstandsbewegung unter der Bezeichnung Armée Blanche. Die Gruppe wurde von Mathias Dal Zotto angeführt und kam regelmäßig in der Wohnung von Joseph Schoos zusammen. Die belgische Widerstandsbewegung Armée Blanche diente ihr als Vorbild. Die Mitglieder planten, luxemburgische Wehrdienstverweigerer und Deserteure sowie alliierte Kriegsgefangene anhand falscher Papiere über die Grenze nach Belgien oder Frankreich zu bringen. Nebenbei wollten sie auch Waffen für einen möglichen Befreiungskampf, aber auch als Ausrüstung für die Untergetauchten sammeln. Letztere sollten sich im Ausland der belgischen Armée Blanche anschließen. Über die Vorbereitungen hinaus seien die Aktivitäten der Gruppe, dem ehemaligen Mitglied Ferdinand Clemens zufolge, jedoch nicht gegangen.

Während ihrer Aufbauphase wurden sie von zwei Mitgliedern der belgischen Armée Blanche unterstützt, die sich jedoch als Spitzel herausstellen sollten. Bei ihren Treffen in Cafés und der Wohnung von Schoos hatten sie sich das Vertrauen von Dal Zotto erschlichen und versprachen, die Gruppe bei der Waffenbeschaffung zu unterstützen. Hierfür wurden die Mitglieder gebeten, sich an verschiedenen Stellen an der Grenze zu postieren, an denen sie dann die Waffen in Empfang nehmen sollten. Am 28. Januar 1944 war eine Waffenlieferung aus Belgien geplant. Diese wurde jedoch durch die Intervention der Gestapo in Esch, unter der Leitung von Hans Klöcker, verhindert. Am 22. Januar bzw. am 27. Januar 1944 wurden die Widerstandskämpfer festgenommen. Der koordinierte Eingriff wurde durch die Vorarbeit des Leiters der örtlichen Grenzpolizei in Rodingen, Friedrich Sterzenbach, und seiner beiden belgischen Spitzel ermöglicht.
Im Griff der Gestapo
Die Serie
In der Rubrik „E Bléck duerch d’Lëns“ liefern die Historiker*innen André Marques, Julie Depotter und Jérôme Courtoy einen facettenreichen Blick auf verschiedene zeitgeschichtliche Themen.
In der Gestapo-Dienststelle in Esch, der Villa Seligmann, waren die Widerstandskämpfer den brutalen Verhören Klöckers und anderen Gestapo-Beamten ausgesetzt. Zeugenaussagen nach waren Dal Zotto und Schoos auf eine „unmenschliche Art und Weise“ zugerichtet worden. Dal Zottos Gesicht beispielsweise sei „bis zur Unkenntlichkeit“ entstellt worden. Auch die Widerstandskämpfer Joseph Decker, Guillaume Pleim und Ferdinand Clemens waren, teilweise von Klöcker selbst verhört, durch Faust- und Ochsenziemerschläge schwer verletzt worden. Am 28. Januar 1944 wurden ca. 23 Mitglieder der Armée Blanche ins KZ Hinzert deportiert, wo sie weiteren Misshandlungen ausgesetzt wurden. Am 25. Februar 1944 wurden drei Mitglieder der Armée Blanche (Dal Zotto, Schoos und Léon Bristiel) mit 20 anderen Widerstandskämpfern im Wald in der Nähe des Lagers erschossen und verscharrt. Die restlichen Mitglieder der Armée Blanche wurden zur Zwangsarbeit eingesetzt und/oder in andere Konzentrationslager gebracht, wo – mit Jules Boulanger und Jean Bertemes – weitere Personen der Schifflinger Gruppe starben.
Die Schicksale von Jules Boulanger und Pierre Clesen
Der 46-jährige Walzer Jules Boulanger (*1898) war bis Ende Mai 1944 in Hinzert festgehalten worden. Am 20. Mai 1944 kam er ins KZ Natzweiler-Struthof und wurde dort als „Pol. Bel.“ [Politisch, Belgier] registriert. Im Dezember 1944 kam er ins Konzentrationslager Dachau, wo man ihn Anfang September als Schutzhäftling unter der Nummer 103191 registrierte. Am 15. Februar 1945 starb er angeblich an „Versagen von Herz und Kreislauf bei Bauchspeicheldrüsenblutung“. Als wahrscheinlicher gilt jedoch, dass er an den erlittenen Entbehrungen und Misshandlungen verstarb.
Etwas mehr Glück hatte der damals 39-jährige Werksarbeiter Pierre Clesen (*1905). Dieser hatte bereits vor seiner Mitgliedschaft bei der Armée Blanche, im Jahr 1943, die Widerstandsgruppen ALWERAJE und LRL unterstützt. Wegen des Verdachts auf „Hochverrat und Widerstandsaktivitäten“ wurde er von der Gestapo festgenommen und über die Villa Seligmann nach Hinzert gebracht. Bei den Verhören wurde er brutal gefoltert und mit einem Teleskopschlagstock geschlagen. Bis Mitte April 1945 war Clesen u. a. bei Hanau in Langendiebach, einem Außenkommando des KZ Hinzert, im Fliegerhorst der Luftwaffe untergebracht. Zeugenaussagen zufolge sollen „die Angehörigen dieser Wehrmachtsabteilung dafür [gesorgt haben], dass sie […] nicht zu schwer misshandelt wurden“. Clesen wurde am 18. April 1945 befreit.
Datenbank der Widerstandskämpfer*innen
Das „Musée national de la Résistance et des droits humains“ baut derzeit eine Datenbank der Widerstandskämpfer*innen des Zweiten Weltkrieges auf. Es handelt sich um ein laufendes, partizipatives Projekt. Wenn Sie Informationen in Bezug auf eine Biografie haben oder eine Biografie selbst hinzufügen möchten, kontaktieren Sie das Museum über: [email protected]

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