Hinter diesem Bild verbirgt sich eine Politikerin, deren Profil nach jahrelangem Lavieren zwischen den Lagern der von Rechtsextremisten durchsetzten AfD bisweilen unscharf und widersprüchlich erscheint. Weidel will ihre Partei erklärtermaßen für die konservativ-bürgerliche Mitte wählbar machen. In ihrer Rede vor den AfD-Delegierten in Riesa zeigte sie aber, dass sie auch den radikalen Ton beherrscht.
Den bei Rechtsextremisten beliebten Kampfbegriff „Remigration“, der die massenhafte Ausweisung von Menschen mit Migrationshintergrund beschreibt, machte sie sich in ihrer Rede ausdrücklich zu eigen: „Wenn es dann Remigration heißen soll, dann heißt es eben Remigration“, sagte Weidel unter dem Jubel der Delegierten. Deutschland will sie zu einer Art Festung machen: „Die deutschen Grenzen sind dicht.“
Windkraftanlagen in Deutschland will Weidel allesamt niederreißen lassen – in Riesa spricht sie von „Windmühlen der Schande“. Zudem kündigte sie an, dass eine AfD-Regierung funktionsfähige Kernkraftwerke „natürlich wieder ans Netz nehmen“ werde. Für Kohlekraftwerke forderte sie längere Laufzeiten. Und sie will wieder russisches Gas aus der Nordstream-Pipeline durch die Ostsee beziehen. „Wir werden Nordstream wieder in Betrieb nehmen, darauf können Sie sich verlassen“, sagte Weidel.
Zuvor war sie vom Bundesparteitag per Akklamation einstimmig und ohne Gegenkandidaten zur Kanzlerkandidatin nominiert worden. Als davor die Aufforderung kam, dass alle sich erheben sollten, die gegen Alice Weidel seien, sind alle sitzengeblieben.
Auch sagt sie „queer-woken“ Strömungen an deutschen Unis den Kampf an: „Soll ich sagen, was wir tun, wenn wir am Ruder sind? Wir schließen alle Gender Studies und schmeißen alle diese Professoren raus.“ Die AfD plädiert für ein traditionelles Familienbild. Der Parteitag ließ die Familien-Definition explizit als Einheit von Vater, Mutter und Kind hinzufügen. Die Möglichkeit von Abtreibungen will die AfD deutlich einschränken. Familien sollen unter bestimmten Umständen eine steuerfinanzierte „Willkommensprämie von 20.000 Euro für neugeborene Babys“ erhalten.
Weidels Aufstieg in der AfD zur Partei- und Fraktionschefin sei „auf den ersten Blick schon verwunderlich“, sagt die Politikwissenschaftlerin Anna-Sophie Heinze von der Universität Trier zu AFP. „Sie versucht, von dem Thema Homosexualität wegzulenken. Wenn sie darauf angesprochen wird, versucht sie, es sehr stark in Richtung Anti-Gender und pro christlich-konservative Werte zu drehen.“ Weidel lebt in einer lesbischen Partnerschaft mit einer in Sri Lanka geborenen Frau, in der sie zwei Kinder großzieht. Als Frau in einer von Männern dominierten Partei ist Weidel eine Ausnahmeerscheinung. „Sie pendelt zwischen einem konservativen Rechts- und einem Rechtsradikalkurs“, sagt der Kasseler Politikprofessor und AfD-Kenner Wolfgang Schroeder der Nachrichtenagentur AFP.
Parteitag lehnt Kritik an Russland ab
Als Grund für ihren Eintritt in die neu gegründete AfD 2013 nannte die promovierte Volkswirtin Weidel ihre Gegnerschaft zur Euro-Rettungspolitik der damaligen Bundesregierung. Als Mitarbeiterin eines Vermögensverwalters und einer Investmentbank hatte sie Karriere gemacht, jahrelang lebte sie in China.
Inzwischen ist Weidels zentrales Thema der angebliche Zerfall der inneren Sicherheit als Folge der Zuwanderung. Auch in ihrer Rede in Riesa polemisierte Weidel gegen Zugewanderte, die sie für „bürgerkriegsähnliche Zustände auf deutschen Straßen“ verantwortlich machte.
Die AfD sieht einen „wirtschaftlichen Niedergang“ Deutschlands und spricht sich für weitreichende Entlastungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus. Mittelstand und Landwirtschaft sollen bei der Bürokratie entlastet werden. Beim Haushalt verspricht sie „Ausgabendisziplin“ und die Einhaltung der Schuldenbremse.
Die Partei hält „einen Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union“ für notwendig. Die „Geschäftsgrundlage des Euro“ wird für gescheitert erklärt. „Deutschland muss aus dem Euro-System austreten“, heißt es daher. Eine nationale Währung müsse wiedereingeführt werden – „gegebenenfalls unter paralleler Beibehaltung des Euro“.
Die Delegierten des AfD-Bundesparteitags haben sich am Samstag mit großer Mehrheit dagegen ausgesprochen, Russland für den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu verurteilen. Ein Antrag auf Einfügung einer solchen Verurteilung ins Wahlprogramm der AfD fiel bei den Delegierten in Riesa durch: 69 Prozent stimmten für Nichtbefassung. Eingebracht hatte den Änderungsantrag der AfD-Bundestagsabgeordnete Albrecht Glaser.
In bundesweiten Umfragen ist die AfD aktuell zweitstärkste Partei – und dabei aber weit entfernt von der angestrebten Regierungsbeteiligung. Denn bislang will keine andere Partei mit ihr koalieren. An Kundgebungen gegen den Parteitag nahmen nach Polizeischätzungen rund 10.000 Menschen teil.
US-Milliardär Elon Musk hat dem AfD-Bundesparteitag in Riesa über sein Online-Netzwerk X zu einer großen Reichweite verholfen. Musk teilte den Livestream des Parteitags am Samstag über sein Konto bei X. Am Samstagabend folgten laut Angaben bei X weltweit 4,6 Millionen Nutzerinnen und Nutzer der Liveübertragung. Auf dem eigenen X-Konto der AfD folgten am Samstagabend ihr nur 45.000 Menschen. (AFP)
De Maart
„Werden alle Windräder niederreißen“ – Schöne Zukunft, und Andersdenkende ebenfalls nieder..........