16. Dezember 2025 - 17.59 Uhr
Forum von Guy RewenigWer ist hier der innere Feind? Wie ein ADR-Abgeordneter das Parlament lächerlich macht
Großes Geschrei, maximale Entrüstung, Zeter und Mordio – mit ihrem üblichen Gepolter hat die ADR jüngst einen demokratisch gefassten Beschluss junger Menschen quittiert: Das Schülerkomitee im Escher Lycée Hubert Clément hatte in aller Freiheit entschieden, die ADR nicht zu einem Rundtischgespräch mit Parteivertretern einzuladen. Die Veranstalter wollten keine Politiker in ihrer Schule haben, die sich regelmäßig durch Hassbotschaften hervortun. Dieser Entscheid war nicht nur einleuchtend, sondern geradezu vorbildlich. Jedenfalls bewiesen die Schüler weit mehr Gespür für rote Linien als etwa der amtierende Parlamentspräsident, der sich der demokratiezersetzenden ADR gegenüber immer wieder in Ausflüchte rettet. Seine seltsam zögerliche Ja-nein-doch-vielleicht-aber-jein-Rhetorik bei Vorwürfen von krasser Menschenrechtsverletzung ist das genaue Gegenteil einer konsequenten Brandmauer.
Die ADR spielt sich penetrant als Hüterin der Meinungsfreiheit auf. Doch sobald andere diese Freiheit in Anspruch nehmen, rastet sie aus.
Die ADR spielt sich penetrant als Hüterin der Meinungsfreiheit auf. Doch sobald andere diese Freiheit in Anspruch nehmen, rastet sie aus. Ihre Empörungsmasche folgt immer dem gleichen Muster. Die Partei fordert scharfe Konsequenzen für Andersdenkende. Statt den Beschluss des Escher Schülerkomitees geräuschlos zur Kenntnis zu nehmen, und zwar als Ausdruck des freien Willens, appellierte sie sofort an die sogenannten „übergeordneten Autoritäten“, die sie ansonsten gerne in Frage stellt oder lächerlich macht. Der Unterrichtsminister wurde gedrängt, einzugreifen und die Schüler zu maßregeln. Das vorgeschobene Argument: Die Vertreter der Schülerschaft hätten nicht das Recht, gewählte Volksvertreter gleich welcher Couleur abzulehnen. Ohnehin seien sie manipuliert und von obskuren Kräften im Hintergrund ferngelenkt. Der Unterrichtsminister kam dem Aufruf zum repressiven Handeln nicht nach. Hier wird die innere Motorik der ADR deutlich: Diese Partei ist angetrieben von der Verachtung all jener, die ihre Ansichten nicht teilen. Sie schreit geradezu automatenhaft nach Zurechtweisungen, Strafen, Sanktionen und Verboten.
Zum Autor
Guy Rewenig ist Schriftsteller. Sein aktuelles Buch im Binsfeld-Verlag heißt „Babyphone. Geschichten“.
Im Frühjahr 2025 vertrat der ADR-Abgeordnete Weidig das Luxemburger Parlament bei einer Veranstaltung mit dem sperrigen Titel „Interparlamentarische Konferenz für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (IPC GASP)“ in Polen. Dort trug er unter anderem Folgendes vor (die Übersetzung aus dem Englischen stammt von ihm selbst): „Den amerikanesche Vizepresident J.D. Vance huet zu Recht vum ‚the enemy within‘ geschwat, deen eis schwaach mécht. De Vance huet déi europäesch Regierunge kritiséiert, well se onkamoud Meenungen zensuréieren a politesch Meenungsfräiheet aschränke wëllen. (…) Politesch Kräften hunn déi national Identitéit geschwächt, heiansdo bis zum Punkt vum Selbsthaass.“

Wie kommt es, dass auf einer internationalen Konferenz über Sicherheitskonzepte ausgerechnet ein bekennender Rechtsextremist unser Land repräsentiert?
Weidig redete als offizieller Vertreter der luxemburgischen Abgeordnetenkammer, also indirekt des gesamten Volkes. Wie kann es sein, dass er unbehelligt eine Weltanschauung vorträgt, die im Parlament nicht ansatzweise konsensfähig ist und von den Bürgern mit großer Mehrheit zurückgewiesen wird? Hatte er ein Mandat, in seinem persönlichen Namen Trumpsche Propaganda auszustreuen? Weidig ist Mitglied des parlamentarischen Verteidigungsausschusses. Gibt es in diesem Gremium außer ihm ein einziges Mitglied, das seine J.D.-Vance-Kumpanei unterschreibt? Wie kommt es, dass auf einer internationalen Konferenz über Sicherheitskonzepte ausgerechnet ein bekennender Rechtsextremist unser Land repräsentiert? Ist uns die Außendarstellung unserer parlamentarischen Demokratie so wenig wert?
Was Herr Vance unter „the enemy within“ versteht, ist mittlerweile eine schreckliche Gewissheit. Der „innere Feind“ ist grundsätzlich jeder amerikanische Bürger, der nicht mit Trumps autokratischem Gebaren einverstanden ist. Wie mit unbotmäßigen Kritikern zu verfahren ist, hat der Präsident unmissverständlich beschrieben: „I think the bigger problem is the enemy from within. We have some very bad people, some sick people, radical left lunatics … And it should be easily handled by, if necessary, by National Guard, or if really necessary, by the military“ (Fox News-Interview).
Dieser Aufruf zur Gewaltanwendung, wiederholt von Trumps Papagei Vance, ist in Weidigs Augen eine „zu Recht“ eingeführte politische Strategie. Sein Satz „Politesch Kräften hunn déi national Identitéit geschwächt“ bezieht sich explizit auch auf Luxemburg. Indem er sich als gewaltbejahender ADR-Fanatiker profiliert, fällt er nicht nur dem luxemburgischen Parlament in den Rücken, sondern verrät öffentlich die freiheitlichen Grundrechte seiner Mitbürger.
Bleiben die Escher Lyzeumsschüler am Ende einsame Rufer in der Wüste? Der ADR-Europaparlamentarier Kartheiser hat sich kürzlich in Russland mit dem Putin-Lautsprecher Medwedew zum freundschaftlichen Plausch getroffen. Medwedew ist der Mann, der Europa regelmäßig mit atomarer Verwüstung droht. Die Konstellation könnte perverser nicht sein: Ein angeblicher Europa-Stellvertreter plaudert wohlwollend mit einem ausgewiesenen Europa-Todfeind. In Straßburg ist Kartheiser wegen seiner tendenziösen Reisen nach Russland inzwischen völlig isoliert, sogar in seiner eigenen Fraktion. Die Widerstandskraft der EU-Abgeordneten ist immerhin ein positives Zeichen. „Wir stehen geschlossen hinter Fernand Kartheiser“, verkündet hingegen die ADR-Parteispitze. Somit verkommt ihr Parlaments-Quintett zum tristen Kriegsverbrecher-Fanclub.
Anmerkung
Das Tageblatt schätzt den Austausch mit seinen Leserinnen und Lesern und bietet auf dieser Seite Raum für verschiedene Perspektiven. Die auf der Forum-Seite geäußerten Meinungen sollen die gesellschaftliche Diskussion anstoßen, spiegeln jedoch nicht zwangsläufig die Ansichten der Redaktion wider.
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