
Großartige Konzerte finden nicht nur in der Philharmonie statt. Die Fondation Valentiny, die regelmäßig Kammerkonzerte mit nationalen und internationalen Interpreten anbietet, ist zwar noch immer ein Geheimtipp, aber mit der Verpflichtung von Oscar Bohorquez, Violine, und Frank Braley, Klavier, hatten die Organisatoren eine sehr glückliche Hand bewiesen. Für mich war es eines der interessantesten und interpretatorisch besten Kammerkonzerte des Jahres.
Grenzenlose Musik
„The Uninspected America“, so der Titel des Konzerts, in dem die beiden Musiker Werke von William Bolcom, Mozart Camargo Guarnieri, Aaron Copland, Maurice Ravel, Paul Schoenfield und Mike Mower spielten, stellte dem Publikum sowohl Musik aus Nord- als auch aus Südamerika vor. Die beiden Musiker hatten ihr Programm so zusammengestellt, dass es zahlreiche Querverbindungen ermöglichte. Das Konzert begann mit „Graceful Ghost Rag“, einem Ragtime von William Bolcom. „I was trained as a classical musician all my life, but I was always interested in popular music. According to my teachers it wasn’t as good, but I loved it anyway.“ (William Bolcom)

Der 1938 geborene Komponist, der stark von Messiaen und Milhaud beeinflusst wurde, ist ein Meister musikalischer Fusion; er benutzt viele verschiedene Stile wie eben Ragtime, aber auch Jazz, Country, Broadway-Musik und klassische Formen. Seine Leichtigkeit, all dies zu vereinen, findet sich auch in seinem Stück „In Memory of Joe Venuti“. Von Maurice Ravel hörten wir „Blues“ aus seiner Sonate Nr. 2 und von Copland „Nocturne“ aus dem Jahre 1926. In jedem dieser Werke ist die typisch nordamerikanische Musik spürbar. Oscar Bohorquez erwies sich als ein Meister der Gestaltung. Mit einem untrüglichen Gespür für Dynamik und Rhythmik wusste er diesen Stücken wirkliches Leben einzuhauchen.
Idealer Partner
In Frank Braley hatte er einen idealen Partner am Klavier. Der französische Pianist ist kein Musiker, der sich zurückhält. Vielmehr sieht er sich als Partner und Mitgestalter. Diese Haltung drückte sich dann auch im gemeinsamen Musizieren aus. Hier wurde lustvoll gespielt, die beiden Musiker warfen sich die Noten wie Pingpong-Bälle zu und veranstalteten ein wahres Feuerwerk an Farben und Rhythmen. Vor allem aber ist das hochprofessionelle Spiel zu loben. Da wurde spieltechnisch auf allerhöchstem Niveau musiziert. Die Interpretationen erwiesen sich ausgearbeitet, präzise und trotzdem verloren sie nie den lebendigen Charakter von Improvisation. Höhepunkt dieses Matinee-Konzerts war dann die 4. Sonate (1956) von Mozart Camargo Guarneri (1907-1993), einem in unseren Breiten relativ unbekannten brasilianischen Komponisten mit italienischen Wurzeln.
Guarneri war Schüler von Nadia Boulanger;1992 wurde er von der Organisation Amerikanischer Staaten mit dem Gabriela-Mistral-Preis ausgezeichnet und erhielt den Titel „Größter zeitgenössischer Komponist der drei Amerikas“. Seine 4. Sonate ist ein höllisch gutes Werk, was es wirklich zu entdecken gilt und das durchaus auf die großen Bühnen gehört. Paul Schoenfield (1947-2024) vermischt in seinen „Four Souvenirs for Violon and Piano“ je zwei südamerikanische und nordamerikanische Tänze. Ein effektvolles Stück, das wie das Guarneri-Werk wunderbar interpretiert wurde. Mit Mike Mowers „Bossa Merngowa“ ging das Konzert virtuos zu Ende. Für das begeisterte Publikum spielten Bohorquez und Braley als Zugabe dann noch einen Tango von Astor Piazzolla. Und für Tangoliebhaber dürfte das nächste Konzert in der Fondation Valentiny am 19. Oktober um 11.30 Uhr interessant sein. Beata Szalwinska, Klavier, und Gilberto Rereyra, Bandoneon, laden zu „Le Grand Tango“ ein.
Leopold Hager triumphiert mit Wagner und Bruckner

Es war ein absolut hochkarätiges Konzert von der ersten bis zur letzten Note. Zu seinem 90. Geburtstag dirigierte Ehrendirigent Leopold Hager sein ehemaliges RTL-Symphonieorchester in einem Programm, das mit der Tannhäuser-Ouvertüre und den Wesendonck-Liedern von Richard Wagner sowie der monumentalen 3. Symphonie von Anton Bruckner schon große Ansprüche an die Musiker stellte. Doch das Luxembourg Philharmonic bewies an diesem Abend wieder, dass man es ohne mit der Wimper zu zucken zu den europäischen Spitzenorchestern zählen darf.
Der für sein Alter enorm fitte Leopold Hager – er dirigierte das ganze Konzert im Stehen und mit einer sehr präzisen, aber kraftvollen Gestik – erwies sich als ein ebenso werkkundiger wie mitreißender Interpret. Die Tannhäuser-Ouvertüre lebte von einem natürlichen Atem und einem sicheren inneren Puls, die Hager dazu nutze, die Musik schichtweise und enorm packend zu Gehör zu bringen. Dies alles war analytisch präzise, ohne dass aber dabei der emotionale Gehalt zu kurz kam.
Standing Ovations

Glücklicherweise wurden die Wesendonck-Lieder von einer sehr lyrischen Sopranistin gesungen, was diesen dann auch enorm guttat. Zwar war ihre Aussprache nicht immer ganz deutlich, doch Eva Zaïcik ließ auf gesanglichem Plan keine Wünsche offen. Ihr angenehm weiches, helles Timbre entsprach genau dem Wesen der Lieder, die sie mit tiefem Verständnis und wunderbar zurückhaltender Gestaltung interpretierte. Hager dirigierte auch hier sehr transparent und blieb immer im Einklang mit der Solistin – fast, als trüge er sie auf Händen.
Nach der Pause dann Bruckners Symphonie Nr. 3 in ihrer dritten und endgültigen Fassung, also ohne die Wagner-Zitate. Auch hier konnte Hager durchgehend überzeugen. In seinem Dirigat fanden höchste Expressivität, höllisch düstere Momente und eine perfekte Klangbalance zu einer innerlich stimmigen und interpretatorisch schlüssigen Interpretation zusammen. Das Luxembourg Philharmonic bot mit wunderbar rundem Blechklang eine seiner besten Leistungen der letzten Zeit, sodass dieser Abend zu einem regelrechten Triumph für Leopold Hager, aber auch für die Orchestermusiker wurde. Das Publikum feierte Hager und das Orchester mit verdienten Standing Ovations.
De Maart
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