Samstag18. Oktober 2025

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EurovisionWenn Musik verbindet: So verlief das Public Viewing des zweiten Halbfinals im EuroVillage

Eurovision / Wenn Musik verbindet: So verlief das Public Viewing des zweiten Halbfinals im EuroVillage
Feiernde Finalisten beim zweiten Halbfinale  Foto: Sarah Louise Bennett/EBU

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Auch wenn die Eurovision-Shows im Inneren der St. Jakobshalle stattfinden, die Stimmung schwappt aus der Venue in die ganze Stadt hinein. Und das Tageblatt war am Donnerstag mittendrin im Getümmel des EuroVillage. 

Während Laura Thorn das Ziel „Finale“ vor Augen hat, ist meine Mission am Donnerstag, einen Eurovision-Fan aus Luxemburg beim Public Viewing zu finden. Die Suche beginnt bereits am frühen Nachmittag an der Eurovision Street, wo sich viele Fans zum Mittagessen treffen. Die Straße säumen Einkaufsgeschäfte, Bars, Cafés und Restaurants. Das gute Wetter sorgt dafür, dass viele Terrassen gut besetzt sind. Es wird gelacht und geredet, der Wind lässt die kleinen Länderfähnchen hin und her flattern. Doch keine Spur von einer luxemburgischen Fahne. Stattdessen sprechen mich drei Frauen an, ob ich ihnen bitte ein Foto machen könne? 

Wer kommt ins Finale?

Das ist hier in Basel keine seltene Frage – und immer wieder kommt man so mit völlig Fremden ins Gespräch. Great Vejele und ihre Freundinnen entfalten für ihr privates Foto eine litauische Flagge und grinsen freudig in die Handykamera. „Eigentlich sind wir zu viert, aber meine Tochter schläft sich fürs Halbfinale vor“, witzelt die Frau, die seit sechs Jahren in Basel eine zweite Heimat gefunden hat. „Es ist toll, wie der ESC hier in der Stadt ankommt! Das hat was von Festivalstimmung.“ Für welches Land ich denn sei? „Luxemburg“, sage ich. „Dann müssen wir uns gegenseitig anfeuern! Wir sind ja im gleichen Halbfinale.“ Und so beginnt eine längere Debatte über Siegeschancen und persönliche Favoriten. 

Die litauische Flagge haben Great Vejele (rechts) und ihre Freundinnen schon wieder eingepackt
Die litauische Flagge haben Great Vejele (rechts) und ihre Freundinnen schon wieder eingepackt Foto: Jessica Oé

Von der Eurovision Street führt der Weg heute kurz über den Eurovision Square am Barfüsserplatz. Hier ist noch relativ wenig los, aber es beginnt sich langsam zu füllen. Wie sie die Stimmung bisher erlebe, frage ich eine Bedienung an einem der Getränkestände. „Die Sonne scheint, es gibt den ganzen Nachmittag und Abend gute Musik – wer da schlechte Laune hat, dem ist auch nicht mehr zu helfen!“, sagt sie und eilt schon zum nächsten Kunden, ehe ich sie nach ihrem Namen fragen kann. 

Von dort geht es erst mal zurück an die St. Jakobshalle. Vielleicht findet sich hier ein Luxemburger Fan? Dass es sie hier in Basel gibt, weiß ich. Immerhin gab es am Mittwoch ein kurzes Treffen mit Patrick „Mini“ Wagner, Gemeinderat aus Rümelingen. Er ist „schon immer“ ein Fan gewesen. Doch seit Luxemburg wieder dabei ist, ist das Eurovision-Fieber so richtig ausgebrochen. Nach Malmö ist er noch getrampt, nach Basel nahm ihn ein Freund mit dem Auto mit. „Es ist halt wieder so eine richtige ‚Mini‘-Aktion“, erzählt er. Beim ersten Halbfinale hatte ihn die Kamera kurz mit seinem Luxemburg-Banner eingefangen. Ob er es geschafft hat, auch für das zweite Halbfinale noch ein Ticket zu ergattern? Erspähen tue ich ihn nicht. Aber auch keine anderen Luxemburger Fans. 

Dichtes Gedränge am Eurovision Square
Dichtes Gedränge am Eurovision Square Foto: Jessica Oé

Im EuroVillage wird gefeiert

Also wieder zurück in die Tram – vielleicht habe ich im EuroVillage mehr Glück? Als die Bahn am Square vorbeifährt, ist der Platz prall gefüllt. Ich bin versucht auszusteigen, doch im Village werden fast  20.000 Menschen erwartet. Ich bleibe also bis zur Haltestelle „Messe“ sitzen. Es ist das erste Mal, seitdem es das Konzept des EuroVillage gibt, dass das Event drinnen stattfindet. Ein cleverer Schachzug der Veranstalter: Hier gibt es genug Platz für die riesigen Menschenmassen und man wäre vor schlechtem Wetter geschützt. Doch hier in Basel strahlt die Sonne vom blauen Himmel – da nehmen sich viele Besucher noch die Zeit, vor der Show draußen den Musikern zuzuhören, die direkt neben den Haltestellen spielen. Allzu lange sollten sie hier aber nicht verweilen, denn die Schlange für in die Messe hinein nimmt scheinbar kein Ende. Doch wieder keine Rot-Weiß-Blaue-Flagge … „Mist“, denke ich mir. „Vielleicht drinnen …“ Glücklicherweise ist am Presseeingang weniger los. Die meisten Kollegen verfolgen die Show im Pressezentrum neben der Eventhalle. 

Straßenmusikern begegnet man in Basel derzeit an vielen kleinen „ESC-Bühnen“
Straßenmusikern begegnet man in Basel derzeit an vielen kleinen „ESC-Bühnen“ Foto: Jessica Oé

Das EuroVillage gliedert sich grob in drei Teile. In der vorderen Halle gibt es Eventstände von lokalen und internationalen Firmen, die versuchen, auf dem ESC für sich zu werben. Fans können an zahlreichen „Tombolas“ teilnehmen, es gibt mehrere Foto-Gelegenheiten. Auch hier höre ich des Öfteren „Wären Sie so nett und würden ein Foto von uns machen.“ ESC-Fans helfen sich dabei natürlich gerne. Der perfekte Zeitvertreib bis zur Show, die in ungefähr einer Stunde beginnt. 

Ein Erinnerungsfoto an den EuroVillage-Besuch
Ein Erinnerungsfoto an den EuroVillage-Besuch Foto: Jessica Oé

Nach dem „Fun-Court“ kommt dann der „Food-Court“ mit etlichen Essensständen, die die mittlere Messehalle säumen. Über Pizza, gebratenen Reis, Burger, lokale Spezialitäten wie einer Käseplatte, bis zu Eiscreme und Cocktails gibt es hier alles, was das Herz begehrt. Auf fast jeder Karte sind vegane Alternativen zu finden. Die Menge des Angebots führt dazu, dass sich nirgends eine riesige Schlange bildet. In der Mitte befinden sich zu zwei Seiten des Hauptgangs Festtische und Bänke. Das fördert ebenfalls das Gefühl des „United by Music“ – wer einen Platz an einem der Tische ergattert, sitzt meist neben völlig Fremden. Da kommt man zwangsweise ins Gespräch. 

Im EuroVillage herrscht Volksfeststimmung
Im EuroVillage herrscht Volksfeststimmung Foto: Jessica Oé

Doch mein Weg führt – natürlich stets auf der Pirsch nach einem luxemburgischen Fan – in Halle drei. Hier steht die Konzertbühne, auf der gerade eine Coverband „Abba“-Musik spielt. Das kommt beim Eurovision natürlich gut an: Es wird getanzt und mitgesungen. Ich schleiche mich durch die Menge und dann sehe ich sie: die Luxemburger Flagge! Ich eile zu der jungen Frau, die sie sich umgeschlungen hat, spreche sie auf Luxemburgisch an – und bekomme einen Blick des totalen Unverständnisses. „Ich habe dich nicht verstanden“, sagt sie auf Englisch. Ich wiederhole meine Frage: Ob sie aus Luxemburg sei? „Nein, nein! Ich bin Spanierin. Aber ich finde das Lied so toll, dass ich mir die Fahne gekauft habe!“, sagt Clara Guerrero Sanchez. Die 22-Jährige ist mit ihrer Schwester Maria und ihrem Freund Carlos Mas Toro da. „Ein paar Freunde haben mir gesagt, dass ich ein bisschen aussehe wie Laura. Wir sind Schwestern im Geiste“, lacht sie. „Ich hoffe natürlich, dass sie weiterkommt.“

Fans aus Spanien im Luxemburger Tarngewand
Fans aus Spanien im Luxemburger Tarngewand Foto: Jessica Oé

Diese Hoffnung hat auch Michael. Er läuft mir kurz vor Showbeginn über den Weg. Eine Flagge hat er nicht dabei, aber dafür prangt auf seiner Brust „Luxembourg 12 Points“. „Es ist mein Lieblingslied dieses Jahr und Laura ist super sympathisch“, sagt er. Die Daumen seien gedrückt.

Michael aus Deutschland drückt auch Luxemburg die Daumen
Michael aus Deutschland drückt auch Luxemburg die Daumen Foto: Jessica Oé

Dann beginnt die Show – und die Fans jubeln. Jedes Land wird angefeuert, es wird mitgesungen, wo man relativ textsicher ist. Oder dort, wo der Text von der EBU zensiert wurde. Maltas Sängerin darf in ihrem Lied „Serving“ das Wort „Kant“ aufgrund einer Verwechslungsgefahr mit dem englischen Wort „Cunt“ nicht singen. Doch ESC-Fans haben da keine Hemmungen.

Als „Luxembourg“ über den Schirm flimmert, ertönt lauter Applaus. Während des Auftritts wird beim Refrain laut mitgesungen und getanzt. Nach der Lautstärke der Zuschauer vor Ort zu urteilen, hat Luxemburg gute Chancen. Zwischen den feiernden Gästen erspähe ich einen „Roten Löwen“. Da muss er sein: der Luxemburger Fan! Ich wusele nach dem Auftritt durchs Publikum, spreche den Mann mit der Flagge an – und lerne den Trierer Jasha Scholer kennen. „Ich bin ganz begeistert, dass Luxemburg wieder dabei ist, und dachte mir: Wenn ich schon anfeuere, dann richtig mit dem roten Löwen“, sagt der 36-Jährige. In Malmö hatte er Probleme, damit in die Halle zu kommen. „Weil es ja nicht die offizielle Flagge ist.“ Hier ist das nicht der Fall. Den Auftritt von Laura fand er super. „Die Inszenierung ist richtig beeindruckend.“ 

Jasha Scholer aus Trier hat ganz bewusst den „Roten Löwen“ dabei
Jasha Scholer aus Trier hat ganz bewusst den „Roten Löwen“ dabei Foto: Jessica Oé

Gegen Ende der Show kommt dann das große Zittern. Doch das Weiterkommen Luxemburgs wird mit großem Jubel entgegengenommen. Ich jubele mit – ein bisschen Nationalstolz ist dann doch mit auf Reisen. Am Ende der Show eine letzte Sichtung einer Luxemburger Flagge. Dieses Mal so richtig groß. Habe ich doch noch Glück? Leider nicht. Anthony Dernicourt (32) und Guillemot Lozano (31) sind aus Belgien und etwas heiser, als ich sie anspreche. „Ich habe so gefeiert, dass Luxemburg weiter ist!“, sagt Anthony. Guillemot grinst ihn an und verrät mir: „Er ist fast zwei Meter in die Höhe gesprungen.“ Sie könnten es nicht erwarten, sich das Finale anzusehen. Ob Laura Gewinnchancen habe? „Absolut!“ Anthony betont, dass er bereits beim Luxembourg Song Contest überzeugt war, dass die Escherin mit ihrem Song weit beim ESC kommen würde. 

Anthony Dernicourt (32) und Guillemot Lozano (31) aus Belgien
Anthony Dernicourt (32) und Guillemot Lozano (31) aus Belgien Foto: Jessica Oé

Das Public Viewing hat richtig Spaß gemacht. Es lag eine besondere Energie im Raum, die bei einigen Fans auch nicht verschwindet. Denn die Feier geht hier weiter: Käärijä rockt direkt im Anschluss an das Halbfinale die Bühne im Village. Und wem das noch nicht genug ist, der kann sich direkt gegenüber in die Schlange für den EuroClub stellen, sofern man noch ein Tickt ergattert. Hier wird die Party bis in die frühen Morgenstunden weitergehen. Ich allerdings warte auf meine Tram. Als sie an den wartenden Partygehern vorbeigleitet, versuche ich noch ein letztes Mal einen Luxemburger Fan zu erspähen. Doch Pustekuchen. Ich muss mir eingestehen: Die Mission „Luxemburger Fan“ ist misslungen – aber schön war’s trotzdem. 

Gleich gegenüber dem Village stehen Partygäste an, um in den EuroClub zu kommen
Gleich gegenüber dem Village stehen Partygäste an, um in den EuroClub zu kommen Foto: Jessica Oé