Samstag20. Dezember 2025

Demaart De Maart

Chinesisches NeujahrWenn Luxemburg von tanzenden Nudeln und Drachen zum Leben erweckt wird

Chinesisches Neujahr / Wenn Luxemburg von tanzenden Nudeln und Drachen zum Leben erweckt wird
Das chinesische Neujahr wurde mit einer bunten Drachenparade eingeläutet Foto: Carole Theisen

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Beim chinesischen Neujahrsfest auf der place d’Armes zeigte Köchin Xu Ying die traditionelle Kunst der handgezogenen Nudeln. Das Tageblatt hat ihre Arbeit begleitet und die Reaktionen der Besucher eingefangen.

Ein nicht enden wollender Strom von Menschen zieht am Samstag über die place d’Armes. Trotz des unaufhörlich prasselnden Regens, der normalerweise die Luxemburger eher in Cafés als zu Veranstaltungen im Freien treibt, herrscht eine ungebrochen aufgeschlossene Stimmung. Grund dafür: Die chinesischen Neujahrsfeierlichkeiten, die mit einem Mix aus traditionellen Künsten, kulinarischen Leckereien und anspruchsvollen Performances die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich ziehen.

Dick eingepackt und mit Regenschirmen ausgestattet, warten die Menschen geduldig in einer endlos scheinenden Schlange. Warum? Wegen einer Schüssel dampfender, frisch gezogener Nudeln – und dem präzisen Schauspiel, wie sie entstehen.

Die Kunst des Nudelziehens, eine Technik, die Xu Ying seit ihrer Kindheit in Nordchina beherrscht
Die Kunst des Nudelziehens, eine Technik, die Xu Ying seit ihrer Kindheit in Nordchina beherrscht Foto: Carole Theisen

Die Köchin Xu Ying, Künstlerin ihres Fachs und bekannt für ihre „Dancing Noodles“, verwandelt vor den Augen der Besucher mit flinken, aber gezielten Bewegungen einen simplen Teigklumpen in endlos lange, geschmeidige Nudeln – ein Handwerk, das sie seit ihrer Kindheit in Nordchina perfektioniert hat.

Geplant war eigentlich ein Workshop für Kinder – ein Hands-on-Erlebnis, bei dem die Jüngsten ihre eigenen Nudeln ziehen sollten. Doch angesichts der überwältigenden Besucherzahlen und der Enge des Zeltes musste Xu Ying improvisieren. Stattdessen entschied sie, ihre Kunst dem Publikum direkt zu präsentieren.

Der Prozess des Nudelziehens ist präzise und beinahe meditativ: kneten, dehnen, ziehen – immer wieder, bis aus einem unförmigen Teig feine, glatte Stränge werden. Die Besucher drängen sich, zücken Smartphones, und als die dampfenden Schälchen mit der frisch zubereiteten Nudelsuppe über den Tresen wandern, erntet Xu Ying einhelliges Lob.

Die Köchin strahlt eine enorme Ruhe aus, während sie den Teig umherschwingt: „Ich habe schon als Kind gerne gekocht“, erzählt sie. „In meiner Heimat im Norden Chinas gab es ein kleines Nudelrestaurant. Ich war fasziniert, wie man aus einem einfachen Teig solche Kunstwerke machen kann.“ Diese Faszination führte sie später nach Europa, wo sie mit ihrem Restaurant die authentische chinesische Küche auf die internationale Bühne bringen wollte. Die Herausforderung war, in einer zunehmend industrialisierten Welt traditionelle Techniken am Leben zu erhalten.

Xu Ying erklärt die Schritte: „Alles beginnt mit dem perfekten Verhältnis von Wasser zu Mehl. Die Temperatur, die Ruhezeiten – all das spielt eine Rolle. Und dann natürlich die Technik des Ziehens.“ Maschinen können solche Nudeln nicht herstellen. „Nur durch Handarbeit entsteht diese einzigartige, bissfeste Textur.“

Was Xu besonders betont: Die Herstellung mag wie ein Schauspiel wirken, aber dahinter steckt eine jahrhundertealte Technik, die sie von einem Meister in China gelernt hat. „Er lehrte mich nicht nur die Technik, sondern auch, jede Schüssel mit Hingabe zu machen. Diese Einstellung prägt mich bis heute.“

Ihre Leidenschaft weiterzugeben, liegt Xu besonders am Herzen. Vor allem Kinder sind ihr dabei wichtig. Obwohl der geplante Workshop diesmal nicht stattfinden konnte, denkt sie schon an zukünftige Veranstaltungen, bei denen sie ihre Kunst und Hingabe mit anderen teilen kann.

Letzter Pinselstrich für die Drachenschnauze
Letzter Pinselstrich für die Drachenschnauze Foto: Carole Theisen

Authentizität zum Mitnehmen

Die Neujahrsfeier bringt jedoch nicht nur handgezogene Nudeln auf den Tisch, sondern auch eine bunte Vielfalt an Menschen zusammen. Unter ihnen sind zum Beispiel Ignacio, Tamara und Miguel aus Lateinamerika, die mit großen Augen und noch größerem Appetit ihre Schälchen Suppe probieren. „Es sieht nicht nur appetitlich aus, es schmeckt auch unglaublich. Die Kombination aus Fleisch, Nudeln und Gemüse ist einfach perfekt. Es ist meine Lieblingsnudelsuppe hier in der Stadt!“, schwärmt Miguel, während Tamara hinzufügt: „Ich liebe außerdem die chinesische Kultur und so wollten wir unbedingt Teil dieses Festes sein.“
Ariana und Thalia von den Philippinen sind ebenfalls begeistert. „Das ist das erste Mal, dass wir die ‚Dancing Noodles’ probieren. Es ist völlig anders als unsere eigenen philippinischen Nudelgerichte, aber wir lieben die Frische und die Textur“, sagen sie fast synchron.

Auch Celina Hua aus China und der Däne Nikolaj genießen die Atmosphäre des Festes sichtlich. „Es ist so authentisch hier. Selbst die kleinen Becher, in denen die Suppe serviert wird, erinnern mich an die Straßenmärkte in China“, sagt Nikolaj, der jahrelang in China gelebt hat. „Ich war Englischlehrer in kleinen Städten und bin durch das ganze Land gereist. Die Natur Chinas hat mich besonders beeindruckt. Ich habe sechs oder sieben Berge bestiegen. Die Landschaft hat etwas Magisches, das man kaum beschreiben kann. Und natürlich das Essen!“

Drachen erwecken die Stadt

Während sich die Menschen an den dampfenden Nudelschüsseln wärmen, nähert sich der Höhepunkt des Tages: die traditionelle Drachenparade. Pünktlich um 15 Uhr setzen sich vier leuchtend bunte Drachen, die Glück und Wohlstand symbolisieren, begleitet von Trommelschlägen und Zimbeln, in Bewegung, um durch die Straßen der Stadt zu ziehen.

Hinter der beeindruckenden Performance steckt das Confucius-Institut Luxemburg in Zusammenarbeit mit der „Association française de danse du dragon et lion chinois“. Martial-Arts-Künstler aus Luxemburg, Frankreich und Belgien erwecken mit ihren synchronen Bewegungen die Drachen zum Leben.

Am Ende des Tages bleibt Köchin Xu Ying wenig Zeit, die Eindrücke sacken zu lassen. Die Begeisterung der Besucher war groß. Und auch wenn der lange Tag seinen Tribut fordert, weiß sie: Jeder schmerzende Muskel war die Mühe wert.

Wussten Sie schon?

Jeder Neujahrszyklus steht im Zeichen eines Tieres aus dem chinesischen Tierkreis. 2025 ist das Jahr der Schlange, die für Weisheit und Intuition steht.