Über konkrete Zahlen zu Luxemburgs Schülern mit spezifischen Bedürfnissen verfügt das „Syndicat national des enseignants“ (SNE) derzeit nicht. Das Bildungsministerium habe der Gewerkschaft diesbezüglich keine Daten zur Verfügung gestellt, bemängelt Patrick Remakel, Präsident der Lehrergewerkschaft SNE, am Montagmorgen im RTL-Interview. Aufgrund von Erfahrungswerten des Personals könne jedoch festgestellt werden, dass mittlerweile in nahezu jeder Schulklasse Kinder mit Dyslexie, Dyspraxie, medizinischen Bedürfnissen oder Verhaltensauffälligkeiten zu finden sind.
Zwar habe Bildungsminister Claude Meisch (DP) neue Antennen für Kompetenzzentren, die näher an den Schülern arbeiten sollen, angekündigt, doch „das reicht definitiv nicht aus“, meint der Lehrervertreter. Das Konzept der Zentren an sich müsse grundlegend überdacht werden. „Es kann nicht sein, dass verschiedene Kompetenzzentren sich einfach weigern, mit Kindern zu arbeiten“, kritisiert Remakel.
Nur weil das Lehrpersonal momentan über die eigenen Grenzen hinausgeht, können wir das Schulsystem noch am Leben halten
Zudem sei die Schule für eine Reihe an Kindern mit „anderen Bedürfnissen“ nicht mehr der richtige Ort: Diese müssten zeitweilig aus dem Schulalltag herausgenommen und in Therapiezentren betreut werden. Außerdem müsse die im Regierungsplan festgeschriebene Aufstockung des Personals für Kinder mit speziellen Bedürfnissen so schnell wie möglich umgesetzt und dieses den Schulen zugewiesen werden. Darüber hinaus fordert das SNE die Einrichtung einer Taskforce an den Schulen, um in akuten Notlagen sofort reagieren zu können. Diese Maßnahmen würden dem Lehrpersonal erheblich helfen.
System vor dem Kollaps?
Schon „ganze lange“ schlage das SNE Alarm und biete gleichzeitig Lösungen für die bestehenden Probleme an den Schulen an – nun sei es an der Zeit, endlich zu reagieren. Remakel zeigt sich jedoch erfreut, dass „der Minister jetzt auch erkannt hat, dass der Baum brennt“. „Nur weil das Lehrpersonal momentan über die eigenen Grenzen hinausgeht, können wir das Schulsystem noch am Leben halten“, meint er.
Laut einer Studie, die die Regierung als nicht-repräsentativ abtat, stehen rund 31 Prozent von Luxemburgs Grundschullehrern kurz vor dem Burnout. „Das Wohlbefinden der Lehrer ist ganz klar verbunden mit der Betreuung von Kindern mit speziellen Bedürfnissen“, sagt Remakel. Das Lehrpersonal fühle sich machtlos und könne die derzeitige Situation nicht mehr alleine bewältigen, „weil bisher nicht die richtigen Maßnahmen getroffen wurden“.
Auch die Inklusion stoße an ihre Grenzen. Es reiche nicht, Inklusion nur auf dem Papier zu haben, „es geht darum, dass es den Kindern gut geht“, betont Remakel. Dafür brauche das Lehrpersonal jedoch die nötigen Ressourcen.
Smartphone-Verbot
Ab Ostern gilt ein Smartphone-Verbot an Luxemburgs Grundschulen. Eine Maßnahme vom Bildungsminister, die das Lehrpersonal begrüßt, wie Remakel verrät. Smartphones würden den Unterricht stören und hätten in der Vergangenheit zu zahlreichen Problemen geführt. Sie seien unter anderem zum Fotografieren verwendet worden oder Schüler hätten WhatsApp-Gruppen gegründet, die zu Mobbing führten.
Eine Änderung des Schulgesetzes sei zur Umsetzung des Verbots nicht notwendig, erklärte er – die Autorität des Lehrpersonals reiche dafür aus. Ein wichtiges Stichwort für Remakel: „Das ist eine Botschaft, die uns in letzter Zeit gefehlt hat“, auch von politischer Seite. Der Gewerkschaftler hofft, dass der Bildungsminister den Eltern klarmacht, dass Entscheidungen des Lehrpersonals zu respektieren sind. Das Verbot könne jedoch nur funktionieren, wenn alle Beteiligten, insbesondere die Eltern, bei der Umsetzung mitziehen.
Darüber hinaus vermisse Remakel vonseiten der Politik eine klare Botschaft an die Eltern, dass sie nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten haben. Die Annahme mancher Eltern, dass mit der Übergabe ihrer Kinder am Morgen an die „Maison relais“ oder die Schulen auch deren Erziehungsarbeit vollständig übernommen werde, sei ein Irrtum. (Red.)
De Maart
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