Freitag17. Oktober 2025

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EditorialWenn die Polizei den Slogan „Zesumme fir Iech“ ernst meint, muss sie offen über Polizeigewalt sprechen

Editorial / Wenn die Polizei den Slogan „Zesumme fir Iech“ ernst meint, muss sie offen über Polizeigewalt sprechen
Symbolbild: Der Slogan „Zesumme fir Iech“ der Luxemburger Polizei hält nicht immer, was er verspricht Foto: Vincent Lescaut/L’essentiel

Am Donnerstag stimmte die Abgeordnetenkammer über den gesetzlichen Rahmen der Lokalpolizei ab. Die Erwartungen sind klar: öffentliche Ordnung, Nahbarkeit, Sicherheit. Die Polizei soll schützen. Doch was, wenn sie selbst zur Gefahr wird? Davon zeugt nicht zuletzt ein Fall, der diese Woche vor Gericht verhandelt wurde und bestätigt: Luxemburgs Polizei plagt ein Gewaltproblem – zuungunsten vorbildlicher Angestellter.

In den vergangenen Tagen mussten sich fünf Polizeikräfte aus dem Süden des Landes vor dem Richter verantworten. 2019 soll der Hauptangeklagte im Zuge eines Einsatzes einen Mann willkürlich krankenhausreif geschlagen und später verletzt in der Ausnüchterungszelle zurückgelassen haben. Im Beisein von Kollegen. Als er aufzufliegen drohte, versuchte er, die Tat mit Lügen zu rechtfertigen. Das Team half mit, nachdem er Druck ausgeübt hatte. So lautet die Anklage. Die Staatsanwaltschaft fordert unter anderem sechs Jahre Haft für den Hauptbeschuldigten und vier Jahre Gefängnis für seine Kollegen.

Ein tragischer Einzelfall? Nein, denn 2023 sorgten vier Polizisten aus Luxemburg-Stadt mit einer ähnlichen Geschichte für Schlagzeilen. Auch sie sollen eine festgenommene Person misshandelt haben; damals war ebenfalls die Rede von „Behinderung der Justiz und Fälschung“. Das Bezirksgericht übergab den Fall im Januar dieses Jahres an die Strafkammer.

Und was sagt die Generalinspektion der Polizei, die für die Kontrolle der Einsatzkräfte zuständig ist? Sie legte im April ihren Jahresbericht 2024 vor: Die Beschwerden gegen Polizeikräfte stiegen im Vergleich zu 2023 um 62 Prozent. 141 der 349 Dossiers erfüllten die Bedingungen zu einer administrativen oder ordnungsrechtlichen Nachverfolgung. Die Anschuldigungen gehen weit über Kavaliersdelikte hinaus. Die häufigste Ursache für die Strafermittlungen gegen Polizeikräfte war 2024 die Gewalt im Dienst (29 Prozent); dicht gefolgt von sonstigen Taten (28 Prozent). Darunter fallen folgenreiche Vergehen, wie unterlassene Hilfeleistung oder Waffengebrauch mit Körperverletzung.

Wer jetzt kontert: „Das sagt nichts über den ganzen Berufsstand aus!“, mag teilweise recht behalten. Trotzdem ist das Image der Polizei weltweit und seit Jahren angeknackst. Die Gründe variieren: Rassismus, Gewalt, rechtsextreme Gesinnung, Korruption – you name it. 2022 beging ein Polizist in Luxemburg in seiner Freizeit Einbrüche; 2024 vergriff sich ein anderer außerhalb des Dienstes auf dem Picadilly an einer Frau. Solche Lokalnachrichten steigern die Vertrauenswürdigkeit der Einsatzkräfte genauso wenig. Die Polizei trägt Verantwortung, nicht nur Uniform – und das auch nach Feierabend.

Die Konsequenz all dieser Vorfälle ist fatal. Viele Menschen in Luxemburg, vor allem marginalisierte Personengruppen, vermeiden den Gang zum Kommissariat, selbst in Notlagen. Oft aus Angst, nicht ernst genommen oder diskriminiert zu werden. Sie misstrauen der Justiz. Das geht aus Gesprächen und Studien hervor. Ein Teufelskreis, der niemandem zugutekommt. Deshalb braucht es einen offenen Austausch zum Thema. Eine kritische Debatte, die Hierarchien, Personalschlüssel, Rekrutierungsmethoden, Machtmissbrauch und mehr hinterfragt sowie alle Bevölkerungsschichten mit einschließt. Getreu dem Slogan der Luxemburger Polizei: „Zesumme fir Iech.“