Doch statt den Doñana-Park zu schützen und gegen Hunderte von Erdbeerbauern vorzugehen, die ohne Erlaubnis das Grundwasser auf ihre Felder pumpen, will die konservative andalusische Regionalregierung nun den illegalen Anbau legalisieren. EU-Kommission, Spaniens sozialdemokratischer Regierungschef Pedro Sánchez und Umweltverbände sprechen von einem Skandal.
„Die Situation ist kritisch“, sagt Eloy Revilla. Der 51-Jährige ist Chef der biologischen Forschungsstation im Nationalpark und der beste Kenner dieses Dramas. Revilla steht zusammen mit Spaniens sozialdemokratischer Umweltministerin Teresa Ribera mitten im bedrohten Naturreich. Ein Lebensraum, in dem Wildpferde, Kaiseradler, Luchse, Schildkröten und Millionen Zugvögel zu Hause sind.
Mit ausgestrecktem Arm weist Revilla auf eine gelb-braune Steppe, die von Kiefern umgeben ist. Früher sei dies einmal eine Lagune gewesen, sagt er. Ein See, in dessen seichtem Wasser Tausende von Flamingos nach Krebsen, Schnecken und Insektenlarven fischten. Heute ist diese Lagune wegen des sinkenden Grundwasserspiegels nur noch eine ausgetrocknete Schlammwüste. Sie ist zum Symbol für das langsame Sterben des Doñana-Parks geworden.
Gut 60 Prozent aller Lagunen, die so etwas wie die Herzstücke für das artenreiche Leben im Nationalpark darstellen, seien bereits verschwunden, sagt Revilla. Mit den Lagunen verschwinden viele jener vom Aussterben bedrohten Lebewesen, die in diesem einzigartigen Naturschutzgebiet eines ihrer letzten Rückzugsgebiete hatten.
Auf mehr als 100 Quadratkilometern erstrecken sich im Norden und Westen des Parks riesige Plantagen. Dort wird unter Plastikdächern ein Großteil jener Erdbeeren gezüchtet, die jetzt die Supermärkte in Deutschland, Österreich, der Schweiz oder in Luxemburg überschwemmen. Das Geschäft mit den roten Früchten – vor allem Erdbeeren, aber auch Himbeeren – ist zusammen mit dem Tourismus der wichtigste Wirtschaftszweig in der südspanischen Provinz Huelva.
Millionenschwere Geldstrafen
Jahrzehntelang wuchs die Zahl der Erdbeerfarmen im Einzugsgebiet des Doñana-Parks. Warum? Weil der Hunger der Europäer auf Erdbeeren immer größer wurde. Und weil die spanischen Früchte in der Regel billiger sind als jene Beeren, die in den nord- und zentraleuropäischen Ländern angebaut werden. Die örtlichen Politiker aller Parteien, die vom roten Boom in ihren Territorien profitierten, sahen großzügig über den massiven Wasserdiebstahl hinweg.
Doch spätestens seit der Europäische Gerichtshof im Jahr 2021 Spanien wegen des Raubbaus und wegen mangelnder Schutzmaßnahmen für Doñana verurteilte und mit millionenschweren Geldstrafen drohte, hat sich der Druck erhöht. Auch der Klimawandel, der dafür sorgt, dass in der Region immer weniger Niederschläge fallen, hat zu einem Bewusstseinswandel beigetragen.
Spaniens nationale Wasserschutzbehörde begann mit Inspektionen, die Wasserräuber in die Enge zu treiben. Die Umweltpolizei rückte an und versiegelte mit Baggern und Zement Hunderte von illegalen Brunnen. Nicht immer mit dauerhaftem Erfolg: Manche Bauern zapften umgehend an anderer Stelle die unterirdischen Grundwasserspeicher an.
Mehr als 20 europäische Handelsketten, darunter viele der großen Supermarkt-Betreiber im deutschsprachigen Raum, schlossen sich einem Aufruf des Naturschutzverbandes WWF an. Darin wird an Politiker wie an Landwirte appelliert, die Nachhaltigkeit des Anbaus zu garantieren, um den Ruf und die Entwicklung dieses wichtigsten europäischen Erdbeergartens nicht zu gefährden.
Rund 600 illegale Anbaubetriebe werden legalisiert
Auch innerhalb der Landwirtschaft brach ein Krieg ums Wasser aus. Und zwar zwischen Farmern, die legale Wasserrechte besitzen und jenen, die ihre Felder illegal mit Grundwasser bewässern. In der Branche wird über Drohungen und Gewalt gegen jene Bauern berichtet, die sich für eine nachhaltige Erdbeerwirtschaft einsetzen und gegen die schwarzen Schafe vorgehen wollen.
Der Wassermangel lässt inzwischen nicht nur den Nationalpark vertrocknen, sondern zugleich immer mehr Erdbeerfelder. Dieses Jahr werde die Ernte wohl um 30 Prozent geringer ausfallen als im Vorjahr, teilte der regionale Bauernverband Freshuelva mit. Der Wassernotstand führt dazu, dass sogar die ehrlichen Erdbeerbauern immer mehr ihrer Felder mangels ausreichender Bewässerung stilllegen müssen.
Doch den konservativen andalusischen Landesfürsten, Juanma Moreno, der sich mitten im Wahlkampf für eine neue Amtszeit befindet, scheint dies alles nicht zu stören. Er heizt den Wasserkrieg mit seinem Plan an, annähernd 600 illegale Anbaubetriebe zu legalisieren.
Mit der Wassernot habe er nichts zu tun, sagt Moreno. Die Schuld daran trage allein Spaniens sozialdemokratischer Regierungschef Sánchez. Denn dieser versorge Doñana und die Erdbeerbauern nicht mit genügend Wasser. Sánchez antwortete mit der Ankündigung, Morenos Erdbeerplan gerichtlich stoppen zu wollen.
De Maart
Erdbeeren zu Weihnachten.Das wird teuer.