Inmitten heftiger Kämpfe zwischen der israelischen Armee und der islamistischen Hamas wächst die Sorge um die Menschen in den Krankenhäusern im Gazastreifen. Sollten die Kämpfe nicht gestoppt oder zumindest die Patienten evakuiert werden, „werden diese Krankenhäuser zu Leichenhallen“, erklärte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen am Sonntag. Über den Grenzübergang Rafah konnten rund 500 Menschen den Gazastreifen in Richtung Ägypten verlassen.
Die Lage in der Al-Schifa-Klinik, dem größten Krankenhaus in dem Küstengebiet, sei „katastrophal“, erklärte Ärzte ohne Grenzen. Der Chef der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom Ghebreyesus, sagte, er habe den Kontakt zu seinen Gesprächspartnern im Al-Schifa-Krankenhaus verloren.

Ein Chirurg, der für Ärzte ohne Grenzen im Al-Schifa-Krankenhaus arbeitet, berichtete über den Tod zweier Frühchen aufgrund von Stromausfällen. Auch ein erwachsener Patient sei wegen des Ausfalls seines Beatmungsgeräts gestorben. Es gebe kein Wasser, keinen Strom und keine Lebensmittel für die Patienten.
Der stellvertretende Gesundheitsminister im von der Hamas beherrschten Gazastreifen, Jussef Abu Risch, sagte, ein israelischer Angriff habe die kardiologische Abteilung des Al-Schifa-Krankenhauses „vollständig“ zerstört. Israelische Panzer würden zudem das Krankenhaus komplett umzingeln. Dem Hamas-Vertreter zufolge sind in dem Krankenhaus 650 Patienten, darunter rund 40 Babys, sowie 15.000 Vertriebene untergebracht.
Das israelische Militär reagierte zunächst nicht auf eine Bitte um Stellungnahme. AFP konnte den Angriff nicht unabhängig überprüfen. Ein Zeuge im Krankenhaus bestätigte Angriffe und Schäden.
Am Samstag hatte die israelische Armee zurückgewiesen, das Krankenhaus ins Visier genommen zu haben, und der Hamas Lügen vorgeworfen. „In den vergangenen Stunden wurden Falschinformationen verbreitet, wir würden das Al-Schifa-Krankenhaus umzingeln und angreifen. Dies sind falsche Berichte“, sagte Armeesprecher Daniel Hagari.
Geiseln: Netanjahu deutet Abkommen an
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat in einem Interview mit dem US-Fernsehsender NBC die Möglichkeit eines Abkommens über die Freilassung von der Hamas verschleppter Geiseln angedeutet. Auf die Frage einer Journalistin nach einem möglichen Abkommen über die Freilassung von Frauen, Kindern und alten Menschen sagte Netanjahu am Sonntag: „Das könnte sein.“ Er fügte hinzu: „Je weniger ich mich zu diesem Thema äußere, desto mehr erhöhe ich die Chancen, dass dies Wirklichkeit wird.“ Netanjahu sagte, Verhandlungen über die mögliche Freilassung von Geiseln seien wegen des militärischen Drucks auf die radikalislamische Hamas im Gazastreifen vorankommen.
Die israelische Armee erklärte, sie werde am Sonntag die Evakuierung von Säuglingen aus der Klinik in ein „sichereres“ Krankenhaus unterstützen. Demnach sollte am Al-Schifa-Krankenhaus eine „sichere Passage“ geöffnet werden, damit Menschen in Richtung Süden fliehen können.
Israel wirft der im Gazastreifen herrschenden radikalislamischen Hamas immer wieder vor, Krankenhäuser als Verstecke und Kommandozentralen zu nutzen und Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen. Die Hamas bestreitet dies.

Hunderte Hamas-Kämpfer waren am 7. Oktober nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt, darunter zahlreiche Kinder. Israelischen Angaben zufolge wurden etwa 1.200 Menschen in Israel getötet und rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
Israel hatte der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas daraufhin den Krieg erklärt und Ziele der Palästinenserorganisation im Gazastreifen ins Visier genommen. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden mehr als 11.000 Menschen getötet. Das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium aktualisierte seit zwei Tagen die Zahl der Getöteten nicht mehr. Es begründete dies mit dem Zusammenbruch der Krankenhausversorgung.
Einbindung der Fatah
In der Debatte über die Zukunft des Gazastreifens schloss Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu derweil eine Einbindung der Palästinenserbehörde aus. „Es wird dort etwas anderes geben müssen“, sagte er am Samstag auf die Frage, ob die Behörde unter Führung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas den Gazastreifen nach dem Krieg regieren könnte.
Die Arabische Liga und die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) forderten bei einem gemeinsamen Gipfeltreffen am Samstag in Riad ein Ende der „brutalen Aggression“ Israels im Gazastreifen. Derweil konnten am Sonntag rund 500 Ausländer oder Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit über den Grenzübergang Rafah den Gazastreifen verlassen. Zudem seien sieben verwundete Palästinenser nach Ägypten gebracht worden, berichtete ein ägyptischer Fernsehsender. (AFP)
De Maart
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