NATO-Streit mit Türkei gelöst Weg frei für Beitrittsgespräche mit Schweden und Finnland

NATO-Streit mit Türkei gelöst  / Weg frei für Beitrittsgespräche mit Schweden und Finnland
Handschlag mit historischen Folgen: Die schwedische Premierministerin Andersson und der türkische Präsident Erdogan Foto: AFP/Henrik Montgomery

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gibt seine wochenlange Blockadehaltung gegenüber Schweden und Finnland auf. Die Beitrittsgespräche zur NATO-Norderweiterung können damit starten.

Die Türkei hat ihren Widerstand gegen die Aufnahme von Schweden und Finnland in die NATO aufgegeben. Die Türkei werde während des NATO-Gipfels in Madrid die Einladung an die beiden nordischen Länder, Bündnismitglied zu werden, unterstützen, teilte der finnische Präsident Sauli Niinistö am Dienstagabend mit. Ein entsprechendes Memorandum sei nach einem Treffen mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan von den Außenministern der drei Länder unterschrieben worden.

Das gemeinsame Memorandum unterstreiche die Verpflichtung Finnlands, Schwedens und der Türkei, ihre volle Unterstützung gegen die Bedrohung der Sicherheit des jeweils anderen Landes zu gewährleisten, hieß es in der Mitteilung des finnischen Präsidenten. „Dass wir NATO-Bündnispartner werden, wird diese Verpflichtung noch verstärken.“

Finnland und Schweden sind bislang keine NATO-Mitglieder, aber enge Partner des Verteidigungsbündnisses. Russlands Einmarsch in die Ukraine löste jedoch in den beiden militärisch bisher bündnisfreien Ländern intensive Debatten über eine solche Mitgliedschaft aus. Am 18. Mai beantragten sie jeweils die Aufnahme in die NATO – in der Hoffnung, das Prozedere bis zum letztlichen Beitritt möglichst schnell durchlaufen zu können.

Die Türkei schob dem allerdings prompt einen Riegel vor, indem sie als einziges NATO-Mitglied den Beginn des Aufnahmeprozesses blockierte. Da Entscheidungen in der NATO nach dem Konsensprinzip und damit nicht gegen den Widerstand von Verbündeten getroffen werden, stockte der Prozess seitdem. Für das Bündnis war das ein unerwarteter Rückschlag, schließlich bemüht es sich seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine darum, Einheit und Geschlossenheit zu zeigen.

Ankara begründete seine Blockadehaltung mit der angeblichen schwedischen und finnischen Unterstützung von „Terrororganisationen“ wie der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, der syrischen Kurdenmiliz YPG und der Gülen-Bewegung – in Stockholm und Helsinki wird das zurückgewiesen. Ankara forderte die Auslieferung mehrerer Menschen, die in der Türkei unter Terrorverdacht stehen.

Erdogan ging es darüber hinaus um die Aufhebung von Beschränkungen für Waffenexporte in die Türkei. NATO-Partner wie Deutschland, aber auch andere EU-Länder wie Schweden haben aus Protest gegen eine türkische Offensive gegen die YPG in Nordsyrien im Jahr 2019 Rüstungslieferungen in die Türkei teilweise gestoppt. Die Türkei betrachtet das als Affront, da sie den Einsatz in Syrien als notwendigen Schritt im Kampf gegen den Terrorismus ansieht.

Stoltenberg versuchte zuletzt, zwischen der Türkei und den beiden möglichen künftigen Mitgliedern zu vermitteln. Er betonte mehrmals, dass man die türkischen Einwände ernst nehmen müsse – offenbar wurde das nun getan.

Für Finnland und Schweden geht es in der NATO-Frage um einen historischen Schritt, schließlich sind beide Länder traditionell in militärischer Hinsicht bislang bündnisfrei. Beide betrachten Russland schon seit längerem als Bedrohung. Im finnischen Fall hängt das auch damit zusammen, dass das Land eine mehr als 1.300 Kilometer lange Grenze zu Russland hat. Kein anderes EU-Land grenzt auf solch einer Länge an das Riesenreich.

Donbass: Kampf um Nachschubroute

Die anstehenden Beratungen der 30 Alliierten in Madrid stehen auch unter dem Eindruck des russischen Raketenangriffs am Montag auf ein Einkaufszentrum in der ukrainischen Stadt Krementschuk. Nach Angaben der örtlichen Behörden starben mindestens 18 Menschen, 36 Menschen werden noch vermisst. Die G7 verurteilte den Angriff.

Das russische Militär bestätigte in Moskau den Angriff, bestritt aber, dass das Einkaufszentrum in Betrieb gewesen sei. Es habe einen Luftangriff auf Hallen in der Nähe gegeben, wo aus den USA und Europa gelieferte Waffen gelagert gewesen seien. Die Detonation habe dann den Brand „in einem nicht mehr betriebenen Einkaufszentrum“ ausgelöst.

Die Kämpfe im Osten der Ukraine gingen auch im fünften Kriegsmonat unvermindert weiter. Dort kämpfen ukrainische und russische Truppen weiter erbittert um die Kontrolle der Trasse von Lyssytschansk nach Bachmut. Dem ukrainischen Generalstab zufolge wurde am Dienstag ein russischer Vorstoß auf die Ortschaft Spirne in Richtung der Stadt Siwersk abgewehrt. Die umkämpfte Straße ist eine der wenigen verbliebenen Nachschubrouten für Lyssytschansk. Die ehemalige Großstadt ist die letzte von ukrainischen Truppen gehaltene größere Ortschaft im Gebiet Luhansk.

Lyssytschansk werde dabei weiter ständig mit Mörsern und anderer Artillerie beschossen, teilte der Generalstab mit. Russische Truppen stehen bereits am Südrand der Stadt. Vertreter der prorussischen Separatisten berichteten zudem von Kämpfen bereits im Stadtgebiet. Die Verbindungen in die benachbarte Region Donezk stehen seit Tagen unter ständigem russischen Beschuss.

Uhül
30. Juni 2022 - 10.19

Was wurde ihm versprochen oder was bekam der Türke für sein Einverständnis? Umsonst ist nur der Tod und der kostet das Leben.

Romain C.
29. Juni 2022 - 9.00

Wird die gestärkte NATO jetzt der Ukraine zum Sieg verhelfen oder sich weiter feige in einem Stellvertreter Krieg verstecken?