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 Foto: AFP/Mohammed Abed

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Shlomo Sand, israelischer Historiker, liefert in seinem jüngsten Buch „Deux Peuples pour un Etat“ einige unbequeme Wahrheiten über die Realität der Beziehungen zwischen Israelis und Palästinensern. Der Ausbruch der ersten „Intifada“ im Jahr 1987 wurde paradoxerweise zum Auslöser für die Osloer Verträge von 1993. Die den Ansatz für eine Zweistaatenlösung und damit einer friedlichen Koexistenz für Israelis wie Palästinenser boten. Doch schon die Regierung Rabin duldete erste illegale Siedler im West-Jordan.

Die Ermordung von Yitzhak Rabin durch einen radikalen Israeli wurde zum Wendepunkt. Zwar ließ Premierminister Ariel Sharon 2005 die damals existierenden israelischen Siedlungen in Gaza schließen. Für Shlomo Sand ein Vorwand, um verstärkt die Besiedlung im „biblischen“ West-Jordan-Land voranzutreiben. Wo sich in einigen 20 Jahren 875.000 Siedler niederließen. Vier Minister der heutigen Netanyahu-Regierung sind solche Aussiedler.

Manche Siedlungen wurden nach Einsprüchen der rechtmäßigen palästinensischen Eigentümer vom Obersten Gerichtshof Israels als „illegal“ verurteilt. Blieben dennoch erhalten. Weil die Regierungen Israels, immer stärker beeinflusst durch radikal-religiöse Parteien, nicht nur den völkerrechtswidrigen Landraub duldeten. Sie machten die Siedlungen „zu ihrem Schutz“ zu sicheren Inseln. Gebaut wurden 800 km Trennmauern, Tausende Umzäunungen, neue, nur den Siedlern zugängige Straßen. Alles in Gebieten, wo laut internationalen Verträgen und zahllosen UN-Beschlüssen ein eigenständiger Staat Palästina entstehen soll.

Laut dem Spiegel entstand nach und nach „ein Archipel von rund 160 Bevölkerungs-Inseln, umstellt von der israelischen Armee“. 700 Siedler besetzten einen Häuserblock in der 35.000 palästinensische Einwohner zählenden Stadt Hebron. Sie leben hinter Stacheldraht, gesichert von der gleichen Zahl Soldaten. Die wilden Besiedlungen gerieten zum Flickenteppich, einem Leopardenfell gleich. Womit ein zusammenhängender palästinensischer Staat unmöglich gemacht werden soll.

Unrecht darf nicht zu neuem Unrecht führen

Der terroristische Überfall der Hamas-Aktivisten vom 7. Oktober 2023 auf israelisches Gebiet, mit seinen Morden, Vergewaltigungen und Geiselnahmen, bleibt ein Kriegsverbrechen, gegen das Israel vorgehen musste.

Doch wird offensichtlich, dass Netanjahu und seine „Hardliner“ dieses Massaker von über 1.200 friedlichen Bürgern als Vorwand zur Errichtung eines „Groß-Israel“ nutzen wollen. Dabei waren unter den Opfern und Geiseln nicht nur israelische Juden. Auch Bürger anderer Nationen und selbst thailändische Gastarbeiter.

Seit dem blutigen Oktober führt die israelische Armee nicht nur Krieg gegen die Hamas in Gaza. In den theoretisch unter der Autorität des Fatah des greisen Präsidenten Abbas stehenden Gebieten gibt es täglich Zusammenstöße mit Palästinensern. Meistens provoziert von Siedlern, viele in Uniform der Armee.

Bei Razzien wurden im West-Jordan über 5.000 Palästinenser festgenommen. Viele bleiben, ohne Gerichtsurteil, in „administrativer“ Haft. Über 500 Menschen wurden getötet, darunter Frauen und Kinder. Es gab israelische Opfer, doch die allermeisten sind Palästinenser. Keine „Terroristen“, oft Bauern, die bloß ihre Höfe und Herden verteidigen wollen. Manchmal können letztere auf die Solidarität von israelischen Aktivisten für Menschenrechte zählen. Die sich schützend zwischen aggressive Siedler und angegriffene Palästinenser stellen. Doch Israels Armee und Polizei stehen fast immer auf Seiten der militanten Siedler.

Vier der radikalsten Siedler-Führer wurden inzwischen von den USA sanktioniert. Großbritannien sanktionierte vier weitere. Frankreich will das Gleiche tun. Präsident Biden soll anscheinend intern erklärt haben, die Kriegshandlungen Israels in Gaza und im West-Jordan seien „over the top“. Völlig disproportioniert.

In Gaza leben nicht nur Hamas-Terroristen. 2,2 Millionen Menschen leiden seit Monaten unter Bomben und Artillerie-Beschuss. Laut der überparteilichen israelischen Zeitschrift Haaretz sind ein Drittel der bebauten Strukturen in Gaza zerstört oder stark beschädigt. Fast 30.000 Todesopfer, darunter 11.000 Kinder, sind zu beklagen. Es gibt über 60.000 Verletzte. Vor allem sind nahezu zwei Millionen Menschen auf der Flucht vor den israelischen Militärschlägen. Überleben in notdürftigen Zeltlagern, manchmal bloß mit Plastiksäcken als Schutz gegen die Witterung. Es fehlt an Medikamenten, an Nahrung, an Wasser. Der OMS zufolge sind viele Kinder bereits unterernährt.

Kriege sind brutal

Kriege sind nie humanitäre Veranstaltungen. Aber die Brutalität, zu der die Netanjahu-Regierung ihre Soldaten anhält, kann man allein an dem tragischen Zwischenfall ermessen, bei dem drei Geiseln von der eigenen Armee erschossen wurden. Die israelische Armeeführung musste im Nachhinein einräumen, die drei Geiseln hätten sich richtig verhalten. Sie seien aus ihrem Verlies gekommen mit weißen Fahnen, erhobenen Händen und nacktem Oberkörper. Um zu zeigen, dass sie keine Sprenggürtel trugen. Wurden trotzdem niedergeknallt.

Bei der glücklichen Befreiung zweier argentinischer Geiseln schoss sich das Armee-Kommando den Weg frei. Laut Haaretz gab es 74 meistens unbeteiligte Todesopfer. Darunter Kinder.

Derweilen sind zirka 1,5 Millionen Flüchtlinge in Rafah an Gazas Grenze mit Ägypten blockiert. Netanjahu will dort eine neue Militäroperation starten. Trotz der Proteste der USA und der EU. Zur Beschwichtigung der zunehmend kritischen Weltmeinung ordnete Israels umstrittener Premier die Armeeführung an, für die erneut zu vertreibenden Flüchtlinge ein Auffanglager mit einer Fläche von 16 km2 vorzubereiten. Die luxemburgische Gemeinde Saeul umfasst 15 Quadratkilometer und beherbergt 1.000 Einwohner. Wie sollen 1,5 Millionen Menschen auf 16 km2 überleben?

In Wirklichkeit wollen Netanjahu und seine Ultraorthodoxen eigentlich alle Palästinenser aus Gaza (und dem West-Jordan) vertreiben. Um sich ihren Traum von einem Israel in seiner biblischen Breite zu erfüllen. Der Historiker Shlomo Sand schreibt, dieses „von Gott gegebene“ Israel und Judäa habe eigentlich nie in diesem Umfang existiert.

In ihrem Buch „Keine Posaunen vor Jericho“ widerlegen die Archäologen Israel Finkelstein und Neil Asher Friedman viele Bibel-Geschichten. Auf die sich Ultraorthodoxe berufen, mit ihrem Anspruch auf „Eretz Israel“, dem „gelobten Land“ des Alten Testaments.

Nicht die Bibel

Der Staat Israel wurde nicht durch die Bibel geschaffen. Sondern durch den mehrheitlichen Beschluss der Vollversammlung der UNO. Die Vereinten Nationen sahen die Schaffung von zwei Staaten vor. Eine Heimstatt für die Juden. Und einen Palästinenser-Staat. Ein Antrag von Indien, Ägypten und Jugoslawien für einen gemeinsamen Staat für Juden und Palästinenser fand leider keine Mehrheit. Sonst wäre die Geschichte des Nahen Ostens wohl anders verlaufen.

Netanjahu und seine noch extremistischeren Kollegen, etwa Finanzminister Smotrich oder Sicherheitsminister Ben-Gvir, machen keinen Hehl aus ihrer Absicht, zumindest Gaza von den Palästinensern zu „befreien“. Für den als gemäßigt geltenden Verteidigungsminister Yoav Galant sind die Einwohner von Gaza „menschliche Tiere“. Die Koordinatorin der Geheimdienste, Ministerin Gila Gamliel, will diese in den ägyptischen Sinai aussiedeln. Für Netanjahu wird Gaza nach Kriegsende „weder Hamastan noch Fatahstan“. Israels Armee soll dort weiterhin für „Sicherheit“ sorgen.

Hass ist leider vererbbar. Auf beiden Seiten. Ohne den Willen zu Kompromissen wird es nie zu einem friedlichen Zusammenleben im „heiligen Land“ beider Religionen kommen. Bislang war die Hamas nicht dazu bereit. Die derzeitige Regierung Israels leider auch nicht.

Je länger der Krieg dauert, desto mehr bröckelt selbst im pro-israelischen Westen die Solidarität mit Israel. Der Internationale Gerichtshof in den Haag forderte bereits Israel auf, in Gaza keinen Genozid zu begehen.

Für den renommierten israelischen Journalisten Gideon Levy darf es nicht zu einer „ethnischen Säuberung“ kommen. Levy: „Es ist nicht einfach, des Genozids beschuldigt zu werden, der angeblich von einem Staat begangen wird, der auf der Asche des größten Völkermordes der Geschichte entstand.“ Weiter: „Israel ist nicht in den Krieg gezogen, um Völkermord zu begehen. Daran besteht keinen Zweifel. Aber es begeht diesen in der Praxis, ohne es zu beabsichtigen.“

Im Land würdigte Bernard Thomas den vergangenes Jahr verstorbenen Historiker Arno J. Mayer. In Luxemburg geboren, mit seinen Eltern vor Hitler in die USA geflüchtet. Wo er ein erfolgreicher Professor und Autor wurde. In seinem letzten Buch schrieb Arno Mayer: „ … je suis profondément perturbé par le refus d’Israël d’admettre que son avenir ne réside ni dans son Dieu, ni dans son glaive, mais dans le concert des puissances mondiales et régionales“.

Robert Goebbels ist ein ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter
Robert Goebbels ist ein ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter Foto: Editpress/Didier Sylvestre
luxmann
23. Februar 2024 - 7.40

Goebbels bringt wie meist die sachen auf den punkt...guter beitrag.

Leila
22. Februar 2024 - 16.55

Wagner Wäre weniger ermüdend, wenn die Textpassagen wenigstens unverfälscht abgeschrieben wären. Das tb könnte über eine Begrenzung der Zeichen nachdenken, ein Leser-Kommentar ist kein Zeitungsartikel.

Wagner
22. Februar 2024 - 9.10

Sehr guter Artikel, aber Hottua faselt wieder was zusammen, was kaum etwas mit dem Thema zu tun.

Robert Hottua
21. Februar 2024 - 14.13

>"Für den als gemäßigt geltenden Verteidigungsminister Yoav GALANT sind die Einwohner von Gaza 'menschliche Tiere'." 1933 hat die rechtsextreme "Rechtspartei" und das unfehlbare päpstliche "Luxemburger Wort" das Sterilisierungsgesetz der Nazis befürwortet. Bis 1945 fanden ungefähr 4000.000 Zwangssterilisierungen durch Mediziner an als von ihnen als "rassisch schwache, minderwertige Tiermenschen" diagnostizierten "Volksgenossen" statt. ▪ Geldverschwendung an Schwachsinnige und Säufer (25.04.1986, Ernst KLEE, zeit.de) (…) Zur Vorgeschichte des Sterilisierungsgesetzes: Adolf HITLER hatte schon in seiner Programmschrift "Mein Kampf" (1925/26) gefordert, der völkische Staat müsse "die Rasse in den Mittelpunkt des allgemeinen Lebens" setzen. Für Arme und Schwache ist da kein Platz. (…) HITLER ist zu seiner Zeit nur einer von vielen, der den Volksbestand durch die Geburtenzahlen der angeblich Minderwertigen bedroht sieht. So erscheint beispielsweise 1927 als dritter Band der "Studien zur katholischen Sozial- und Wirtschaftspolitik" bei Herder in Freiburg ein 466 Seiten umfassendes Werk. Es heißt: "Gesetzliche Unfruchtbarmachung Geisteskranker" und hat die kirchliche Druckerlaubnis ("Imprimatur"). Autor ist der Moraltheologe Joseph MAYER, seit 1924 Assistent am Freiburger Institut für Caritaswissenschaft und von Oktober 1927 an Hauptschriftleiter der "Caritas. Zeitschrift für Caritaswissenschaft und Caritasarbeit". MAYER hat eine Vision: "Die Minderwertigen vermehren sich quantitativ viel schneller als die Tüchtigen. (...) Man kann das Jahrhundert berechnen, wo die letzten Tüchtigen vom Meere der Anormalen verschlungen werden." (…) In den zwanziger Jahren werden zahlreiche Sippentafeln ausgebreitet, wonach ein einziger "Erbkranker" Hunderte von Verbrechern, Trunkenbolden, Schwachsinnigen, Dirnen usw. in die Welt gesetzt haben sollte. So erscheint beispielsweise 1928 in der Zeitschrift "Caritas" ein Artikel von Medizinalrat Dr. SCHWENNINGER aus der badischen Anstalt Emmendingen. Der Psychiater referiert u. a. die Ahnentafel einer Frau, die um 1800 gelebt und eine "Trinkerin, Diebin und Vagabundin" gewesen sein soll: "Man wies 843 Nachkommen derselben nach, von denen man bei 709 die Lebensverhältnisse sicher ermittelte. Davon waren 106 unehelich geboren, 181 Prostituierte, 142 Bettler, 64 Armenhäusler und 76 Verbrecher (darunter 7 Mordtaten). Die Verbrecher brachten zusammen 116 Jahre im Gefängnis zu, und 734 Jahre wurden sie aus öffentlichen Mitteln unterstützt. In der fünften Generation waren fast alle Frauen Prostituierte und die Männer Verbrecher." (…) Die spätere Verfolgung wird in diesen Jahren pseudo-wissenschaftlich vorbereitet. Die Sprache ist aggressiv, feindlich, brutal wie bei "Caritas"-Mitarbeiter Joseph MAYER: "Die Geisteskranken, die moralisch Irren und andere Minderwertige haben so wenig ein Recht Kinder zu erzeugen, als sie ein Recht haben, Brand zu stiften." Oder: "Erblich belastete Geisteskranke befinden sich in ihrem Triebleben auf der Stufe der unvernünftigen Tiere." Oder: "Der Geschlechtsverkehr ist für die Irren etwas von Gott nicht Gewolltes." Ähnlich wird beim "Central-Ausschuß für Innere Mission" gedacht, der im Januar 1931 eine Fachkonferenz für Eugenik (Erbgesundheitspflege) bildet. Im Mai 1931 tagt diese Konferenz in Treysa bei Kassel. Anwesend sind unter anderen leitende Ärzte und Direktoren evangelischer Einrichtungen: unter ihnen der Betheler Medizinalrat Carl SCHNEIDER, später einer der Aktivisten beim Kranken-Mord ("Euthanasie"). Mit dabei ist auch Dr. Otmar von VERSCHUER vom "Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie und Vererbungswissenschaft", der später die "Forschungen" seines Lieblings-Assistenten MENGELE in Auschwitz unterstützen wird. Während der Tagung wird eine Erklärung formuliert, die schon zwei Jahre vor der "Machtergreifung" behauptet, das Evangelium fordere "nicht die unbedingte Unversehrtheit des Leibes. Führen seine von Gott gegebenen Funktionen zum Bösen oder zur Zerstörung seines Reiches in diesem oder jenem Glied der Gemeinschaft, so besteht nicht nur ein Recht, sondern eine sittliche Pflicht zur Sterilisierung aus Nächstenliebe und der Verantwortung, die uns nicht nur für die gewordene, sondern auch die kommende Generation auferlegt ist". (…) ▪ PS: Über die "unvernünftigen Tiere" heißt es in der Bibel in 2. Petrus 2, 12, dass sie "von Natur dazu geboren sind, dass sie gefangen und geschlachtet werden". MfG Robert Hottua

Peter
21. Februar 2024 - 10.37

Gott gibt es nicht .... folglich bleiben nur die Schwerter.

K I
21. Februar 2024 - 9.36

Die Flöhe streiten sich darüber wem der Hund gehört auf dem sie leben. Seit wir von den Bäumen gestiegen sind schlagen wir uns die Köpfe ein,nur die Mittel haben sich geändert. Wenn wir Gott und Götter schon damals in die Wüste geschickt hätten, hätten wir vielleicht nie Schwerter gebraucht. Aber wir sind keine Ausnahme .Wenn es um territoriale Ansprüche und Ressourcen geht ist Kampf angesagt.Überall in der Natur.Wir meinen nur wir wären besser und am Ende sind wir die Schlimmsten.

Grober J-P.
21. Februar 2024 - 9.02

„Deux Peuples pour un Etat“ Bin noch immer der Meinung, dass es sich dort um einen Bruderkrieg handelt. 2 Religionen für einen Staat, müsste es heissen. Wird niemals klappen. Warum glauben Leute an einen "Gott" der nichts mit ihnen zu tun haben will.

fraulein smilla
21. Februar 2024 - 8.38

Der Gazastreifen gehoerte nie zu Erez Israel , es war das Land der Philister das der Region den Namen gab - Philistaea .