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USA und RusslandWarum sich Putin nach Bidens Gipfel-Einladung ziert

USA und Russland / Warum sich Putin nach Bidens Gipfel-Einladung ziert
Im März 2011 sind sich Joe Biden (l.), als damaliger Vizepräsident der USA, und Wladimir Putin bereits begegnet Foto: Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

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Moskau reagiert kühl auf den Gipfel-Vorschlag des US-Präsidenten. Doch auch Putin hat Interesse an einem berechenbaren Dialog – ob der im Fall Ukraine möglich ist, bleibt fraglich.

Nicht ganz einen Monat ist es her, dass US-Präsident Joe Biden in einem Interview seinen russischen Kollegen Wladimir Putin einen „Mörder“ nannte. Die Stimmung zwischen den beiden Staaten sank auf einen neuen Tiefpunkt. Während Biden mit dem Sager seinem Publikum bewies, dass er bezüglich Russland – anders als sein Vorgänger – die Dinge beim Namen nennt, war die Aussage für den Kreml ärgerlich. Putin parierte den Sager zwar gekonnt mit einem Kinderreim („Was man sagt, ist man selbst“). Jedoch bestärkte der Zwischenfall den Kreml in seiner Meinung, dass mit dem weißhaarigen Herrn im Weißen Haus die Konflikte zwischen den beiden Mächten nur zunehmen würden.

Doch nun schlägt Biden neue Töne an. Mit seinem Angebot, ein bilaterales Gipfeltreffen der Präsidenten durchzuführen, setzt er ein Entspannungssignal. Unmittelbarer Anlass ist die aufgeheizte Lage in der Ukraine. Nach seiner streitbaren Bemerkung demonstriert er Gesprächsbereitschaft und diplomatische Verlässlichkeit. Diese Eigenschaften schätzt man in Moskau trotz aller Differenzen mit Washington.

Der Kreml reagierte auf den Vorschlag zunächst zurückhaltend. Doch auch diese stolze Sprödheit gehört zum hiesigen diplomatischen Stil. Man lässt sich nicht gern drängen: Den Zeitpunkt seines „Ja“ bestimmt man selbst. Es war daher wenig verwunderlich, dass der Kreml am Mittwoch, einen Tag nach dem Telefonat zwischen Biden und Putin, keine Einzelheiten kommentieren wollte. Es wäre „verfrüht“, schon jetzt über Zeitpunkt und Ort des Treffens zu spekulieren, so Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow gegenüber Journalisten.

Üblicherweise bereiten die Außenministerien beider Staaten einen bilateralen Gipfel vor – ein Prozess, der mehrere Monate dauern kann. Dass Moskau das Angebot ernst nimmt, davon zeugte ein anderes Treffen: Der US-Botschafter in Russland, John Sullivan, traf gestern Jurij Uschakow, außenpolitischer Berater Wladimir Putins.

Stattfinden soll der erste Gipfel der beiden Präsidenten in einem europäischen Land. Als mögliche Austragungsorte waren wie früher schon Wien und Helsinki im Gespräch. Beide Städte haben sich als Gastgeber angeboten. In Helsinki fand im Juli 2018 das Gipfeltreffen zwischen Putin und Donald Trump statt. Russland hätte damals Wien präferiert. Um ein Haar wäre es auch dazu gekommen. Doch schließlich entschieden sich die Amerikaner für die finnische Hauptstadt. Die US-Botschaft in Wien bezeichnete Österreich nun als „einen der freundlichsten Gastgeber“. Wiens Angebot sei „immer willkommen“. Womöglich also hat Wien dieses Mal gute Karten.

Anschuldigungen aus Moskau

Was sind die Erwartungen an den Gipfel? Sowohl Russland als auch die USA geben sich recht illusionslos über ihr bilaterales Verhältnis. Ziel ist, die konflikthaften Beziehungen berechenbarer zu gestalten. Dass Biden und Putin trotz geopolitischer Konkurrenz zur sachpolitischen Kooperation fähig sind, haben sie beim in letzter Minute geretteten New-Start-Abkommen bewiesen. Verglichen mit anderen Problemen – Afghanistan, Iran, Klimaschutz – war die Verlängerung des von beiden Seiten gewollten Abrüstungsvertrags freilich ein Leichtes.

Vor allem in der Ukraine gehen die Positionen weit auseinander. Mit seinem aktuellen Truppenaufmarsch will Putin Kiew zum Einlenken im ungelösten Konflikt im Donbass zwingen. Auch dem Westen demonstriert man so, wie riskant eine politische und militärische Unterstützung der Ukraine ist. Doch Biden hat Kiew seine Unterstützung deutlich versichert. Und die Ukraine will ihre Bande zur NATO stärken.

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu sagte gestern, dass es sich bei der Militärkonzentration um ein Manöver handle, um die „Kampfbereitschaft“ zu testen. Die Übung werde noch zwei Wochen dauern. Es war die erste ausführlichere Stellungnahme von russischer Seite. Gleichzeitig beschuldigte der Sekretär des Sicherheitsrates, Nikolaj Patruschew, die Ukraine, mit westlicher Hilfe Sabotageakte und Terror-Aktivitäten in Russland vorzubereiten. Die Lage blieb auch an der Frontlinie im Donbass und an der Grenze zur Krim angespannt.

Der Kreml-Chef mag mit seiner Machtdemonstration erreicht haben, dass Biden das Gespräch mit ihm suchte. Er selbst will auch etwas von Biden: keine neuen US-Sanktionen. Die Ukraine birgt viel Gesprächsstoff für Biden und Putin. Und ebenso viel Konfliktstoff.