Der PiS-Vizechef Mariusz Kaminski tritt am Mittwochmittag im Untersuchungsgefängnis von Warschau-Grochow gar in einen Hungerstreik. „Meine Verhaftung ist eine politische Rache“, lässt der enge Kaczynski-Vertraute die Außenwelt wissen. Und Staatspräsident Andrzej Duda, der ebenfalls aus dem Mitte Oktober bei den Parlamentswahlen abgewählten PiS-Lager stammt, verspricht einen „Kampf um Kaminskis Freilassung bis zum Ende“.
Damit hat sich der Kampf zwischen dem neuen links-liberalen und dem alten konservativen Regierungslager über Nacht dramatisch zugespitzt. Kurz vor Silvester ging es vor allem noch um die Macht über das Staatsfernsehen TVP, zum Jahresbeginn rückt die Zukunft des rechtskräftig verurteilten PiS-Vizes und seines Mitarbeiters in den Vordergrund der immer hitzigeren Auseinandersetzungen.
Nach einem Haftbefehl hatten sich Kaminski und dessen ehemaliger Stellvertreter Maciej Wasik (ebenfalls PiS) am Dienstag in den Präsidentenpalast geflüchtet. Der neue Regierungschef Donald Tusk warf Staatspräsident Duda daraufhin Behinderung der Justiz vor, worauf in Polen bis zu fünf Jahre Haft stünden.
Dies sehen Duda und PiS ganz anders: Polen befinde sich in einer Verfassungskrise, denn die neue Regierungsmehrheit breche diese auch im Falle Kaminski, argumentiert PiS. In der Tat hatte der Staatspräsident die beiden langjährigen PiS-Abgeordneten Kaminski und Wasik Ende 2015 während eines noch laufenden Verfahrens wegen Amtsmissbrauchs begnadigt. Der Fall bezieht sich auf eine über 16 Jahre zurückliegende Provokation, die dem Kampf gegen die Korruption in der ersten Kaczynski-Regierung (2005-7) dienen sollte. Kaminski und Wasik hörten damals Beamte und Abgeordnete ab und versuchten, sie mit fingierten Dokumenten der Korruption zu überführen. Nach langem juristischem Gezerre wurden die beiden dafür in letzter Instanz Ende 2023 rechtskräftig zu zwei Jahren Freiheitsentzug und fünf Jahren Amtssperre verurteilt. Beide hätten sich Anfang dieses Jahres freiwillig in Haft begeben sollen. Stattdessen erschienen sie im Sejm und nahmen unter Protest der neuen links-liberalen Regierungsmehrheit an den Parlamentssitzungen teil. Kaminski zeigte dort Tusk und seiner neuen Mehrheit gar eine polnische Art der Stinkefinger-Geste.
Präsident Duda könnte Neuwahlen ausrufen
Er sei von Duda bereits 2015 rechtskräftig begnadigt worden und könne damit sein Amt als Abgeordneter weiterhin wahrnehmen, argumentiert PiS. Anders sieht das Parlamentspräsident Szymon Holownia („Dritter Weg“). Holownia zögerte jedoch, die Polizei in den Sejm zu rufen und verschob stattdessen die erste Sejm-Sitzung im neuen Jahr. „Die Situation einer tiefen Verfassungskrise gibt keine Garantie, dass die Beratungen des Sejm in dieser Woche ruhig ablaufen“, sagte Holownia. Die Sorge um die öffentliche Ruhe sei für die neue Regierungsmehrheit „absolut der wichtigste Wert“, so der liberale Politiker.
Stattdessen erntet die Mitte-links-Koalition nun wohl das Gegenteil. PiS hat ihre konservativen Anhänger für heute Donnerstagabend zu einem „Marsch der freien Polen“ vor den Sejm mobilisiert und demonstriert bereits vor dem Warschauer Untersuchungsgefängnis. Zuvor demonstrierten die Kaczynski-Anhänger vor den Staatsmedien, die PiS ab 2015 völlig in den Dienst der Regierung gestellt hatte. Die Behauptung, bei Kaminski und Wasik handle es sich um „politische Gefangene“, könnte nun Tausende nach Warschau locken.
Dazu droht Tusk ein neuer Schachzug Dudas: Laut dem Willen von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski soll der Staatspräsident nun die „Atombombe zünden“ und das Budget für 2024 vor das Verfassungsgericht ziehen, damit dieses nicht wie geplant Ende Januar verabschiedet werden kann. Ohne gültiges Budgetgesetz hat Duda das Recht, beide Parlamentskammern aufzulösen und Neuwahlen auszurufen.
De Maart
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