Mittwoch5. November 2025

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DeutschlandWahlkampfauftakt der Grünen: Habeck schaltet in den Wahlkampfmodus – und wirbt für Zuversicht

Deutschland / Wahlkampfauftakt der Grünen: Habeck schaltet in den Wahlkampfmodus – und wirbt für Zuversicht
Der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, eröffnete am Montagabend den Wahlkampf seiner Partei Foto: AFP/Axel Heimken

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Bei ihrem offiziellen Wahlkampfstart in Lübeck knöpfen sich die Grünen die politische Konkurrenz vor. Kanzlerkandidat Robert Habeck warnt vor dem Ausschließen demokratischer Bündnisse – und sieht Österreich als warnendes Beispiel.

In Lübeck hat sich eine lange Menschenschlange gebildet. Sie windet sich um die Musik- und Kongresshalle, führt über eine kleine Brücke bis in die Lübecker Altstadt. All diese Menschen wollen hinein in die Halle, um dort am Montagabend die Grünen und ihren Kanzlerkandidaten Robert Habeck, der sich im Wahlkampf gerne nahbar gibt, aus nächster Nähe zu erleben. Doch der Platz reicht hinten und vorne nicht aus. Für rund 800 Menschen war die Veranstaltung ausgelegt, am Ende werden nach Parteiangaben rund 1.500 in der Halle Platz finden. Hunderte andere müssen draußen im schleswig-holsteinischen Wind ausharren. Auch drinnen regt sich Unmut, weil es eng wird und die Sicht auf die Bühne versperrt wird.

Und so beginnt Habeck diesen offiziellen Wahlkampfauftakt, für den auch Außenministerin Annalena Baerbock und Parteichef Felix Banaszak angereist sind, mit einer Entschuldigung. Doch Habeck will den missratenen Start umdeuten in ein politisches Zeichen. Der große Andrang – „das alleine bricht doch die Geschichte, dass Deutschland miesepetrig, missmutig und schlecht gelaunt sein muss“, sagt Habeck und erntet dafür lauten Applaus.

Es ist Habecks zentrale Mission in diesem Wahlkampf, Zuversicht zu verbreiten. Trotz aller Krisen, Kriege und sich überlagender Probleme in Deutschland die positive Botschaft auszusenden, dass es in Zukunft besser werden kann. „Wir haben es in der Hand, in diesen zwei Monaten alle zusammen einen Unterschied zu machen“, sagt Habeck mit Blick auf die kurze Zeit bis zur Neuwahl am 23. Februar. Der grüne Spitzenmann verwehrt sich dagegen, die „Verantwortungslosigkeit quasi zum politischen Prinzip“ zu erklären und immer nur „ein Problem zu beschreiben“. Habeck will stattdessen den Wahlkampf dafür nutzen, die Lösungen „ehrlich und auch aufrichtig“ miteinander zu diskutieren. „Wahlen machen einen Unterschied“, ruft Habeck. Es ist der wichtigste Satz an diesem Montagabend, den er mehrfach wiederholt.

Grüne Kampagne mit dem „Bündniskanzler“

Außenministerin Annalena Baerbock, die noch vor Habeck auf der Bühne steht, betont die Bedeutung des europäischen Zusammenhalts und den Wert der Freiheit. Die Grünen wollten alles dafür tun, dass jeder in Europa „eines Tages wieder in Frieden leben kann“, sagt Baerbock mit Blick auf den russischen Krieg gegen die Ukraine. Auch dafür würden die Grünen antreten: „Frieden in Freiheit für alle auf unserem Kontinent“, so die Außenministerin.

Aber Baerbock schaltet auch auf Attacke gegen die politische Konkurrenz, namentlich Bundeskanzler Olaf Scholz. Sie kritisiert dessen Reaktion auf Verbalattacken des Tech-Milliardärs Elon Musk aus den USA. Die Bemerkung von Scholz, man müsse in solchen Fällen cool bleiben, erinnere sie an die Fehleinschätzung „Nord Stream 2 ist auch nur ein wirtschaftliches Projekt“. Jeder mache gelegentlich Fehler, sagt Baerbock. „Fehler zweimal zu machen, ist fahrlässig.“

Wer jetzt, in dieser Zeit, einer Ausschließeritis das Wort redet, bereitet entweder den eigenen Wortbruch vor oder er sorgt dafür, dass dieses Land immer schwerer regierbar ist

Robert Habeck, Grüner Kanzlerkandidat

Parteichef Banaszak stichelt in seiner Wahlkampfrede, Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sei „extrem gut darin, Probleme zu beschreiben“. Scholz sei jemand, „der die Probleme in aller Ruhe bestaunt“. Habeck hingegen löse sie.

Schon im Vorfeld der Veranstaltung in Lübeck hatten die Grünen eine Kampagne gestartet, bei der sie mit Habeck als „Bündniskanzler“ in verschiedenen deutschen Städten warben. In München setzt die Polizei der Wahlkampfaktion mit einem an die Siegessäule projizierten Porträt Habecks am Dienstag dann ein Ende. Die Verantwortlichen vor Ort konnten dafür laut Polizei keine Genehmigung der Stadt vorweisen.

Habeck nimmt Unionsparteien ins Visier

Dennoch, der Slogan „Bündniskanzler“ passt zu Habecks Botschaft, trotz inhaltlicher Differenzen offen für eine Zusammenarbeit unter demokratischen Parteien bleiben zu müssen. „Wer jetzt, in dieser Zeit, einer Ausschließeritis das Wort redet, bereitet entweder den eigenen Wortbruch vor oder er sorgt dafür, dass dieses Land immer schwerer regierbar ist“, betont Habeck am Montag in Lübeck. Es ist ein Haken gegen die Union, in der eine schwarz-grüne Koalition nach der Wahl mal mehr, mal weniger deutlich ausgeschlossen wird. Habeck sagt das aber auch mit Blick auf Österreich, wo nach gescheiterten Koalitionsverhandlungen der Parteien der politischen Mitte nun die in Teilen rechtsextreme FPÖ mit der Regierungsbildung beauftragt ist. „Das hätte nicht passieren dürfen“, befindet Habeck. „Und es sollte sich in Deutschland nicht wiederholen.“

Auf die Union hat es Habeck beim Wahlkampfauftakt in Lübeck besonders abgesehen. Die Entscheidung sei nicht Schwarz-Grün, sagt Habeck. „Die Entscheidung ist Schwarz oder Grün. Zurück in die Vergangenheit oder in die Zukunft aufbrechen.“ Die Steuersenkungs-Pläne der Union seien nicht gegenfinanziert, es gebe eine Lücke von 100 Milliarden Euro jährlich – eine „einzige Flunkerkanone“, wettert der Spitzengrüne. Die Grünen wollten Investitionen steuerlich anreizen und Wachstum ankurbeln, das normale Leben müsse wieder bezahlbar werden. Das Publikum, in dem viele Grünen-Mitglieder und -Sympathisanten sitzen, hat Habeck auf seiner Seite. Am Ende bekommt er stehenden Applaus. Ob den Draußengebliebenen im Lübecker Wind am Montag auch zum Jubeln zu Mute war, steht auf einem anderen Blatt.