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Forum / Wahlausschlussverfahren gegen Trump
 Foto: Getty Images via AFP

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Ein neuer juristischer Versuch, eine zweite Amtszeit Donald Trumps als Präsident zu verhindern, ist im Gange. Die Unterstützer des Vorhabens stützen sich auf Abschnitt 3 des 14. Zusatzartikels der US-Verfassung, der ein Amtsverbot für jeden vorsieht, der „an einem Aufstand oder Aufruhr gegen [die Vereinigten Staaten] teilgenommen oder ihre Feinde unterstützt oder begünstigt hat“.

* Zum Autor

Eric Posner ist Professor an der Law School der University of Chicago und Verfasser von „How Antitrust Failed Workers“ (Oxford University Press, 2021).

Es wurden mehrere Klagen eingereicht, die argumentieren, dass Trumps Beteiligung am Aufstand vom 6. Januar 2021 – entweder per se oder im Rahmen eines umfassenderen Bemühens zur Aufhebung der Wahl von 2020 – ihn von einer Kandidatur ausschließe. Könnte eine 1868 verabschiedete Verfassungsbestimmung tatsächlich im Jahr 2024 die amerikanische Demokratie retten?

Abschnitt 3 wurde bereits erfolgreich genutzt, um einen County Commissioner namens Couy Griffin aus New Mexico – den Organisator der „Cowboys for Trump“ – seines Amtes zu entheben. Griffin hatte geholfen, Mitglieder des Mobs zu mobilisieren, der am 6. Januar ins Kapitol eindrang. Doch haben die Bemühungen, Trump von der Wahl auszuschließen, durch einen jüngsten Artikel zweier renommierter Professoren für Verfassungsrecht – William Baude von der Law School der University of Chicago und Michael Stokes Paulsen von der School of Law der University of St. Thomas – zusätzliche Unterstützung erhalten. Beide argumentieren, dass Absatz 3 Anwendung findet.

Auf Abwege geratene Amtsträger

Baude und Paulsen machen geltend, dass der 6. Januar offensichtlich ein Aufstand gewesen sei, weil viele der Beteiligten organisierte Gewalt eingesetzt hätten, um den rechtmäßigen Übergang der Macht zu verhindern. Trump sei entweder direkt beteiligt gewesen oder habe die Beteiligten „unterstützt oder begünstigt“, indem er sich trotz wiederholter Aufforderungen mehrere Stunden lang geweigert habe, die Nationalgarde hinzuzurufen.

Besondere Aufmerksamkeit widmet der Artikel dem Fall Griffin und seiner 1869 vom Obersten Richter des Supreme Court, Salmon P. Chase, verfassten „haarsträubenden Urteilsbegründung“, die vermutlich in jedem Verfahren gegen Trump eine Rolle spielen wird. Ihre Bedeutung als Präzedenzfall bleibt unklar, da es sich dabei nicht um eine Entscheidung des Supreme Court handelt – in jenen Tagen erhielten die Richter des Supreme Court die Zuständigkeit für bestimmte Gerichtsbezirke und entschieden dort allein über bestimmte Berufungsverfahren. Trotzdem ist das Chase-Urteil bedeutsam, weil Chase Richter am Supreme Court, ehemaliges Kabinettsmitglied der Regierung von Präsident Abraham Lincoln und eine bedeutende politische und juristische Persönlichkeit war. Sie ist außerdem von Bedeutung, weil sie etwas darüber aussagt, wie die USA früher mit dem Problem auf Abwege geratener staatlicher Amtsträger umgingen.

Der Fall Griffin war ein Berufungsverfahren gegen ein Urteil, das ein Richter des Staates Virginia erlassen hatte, der im Bürgerkrieg Abgeordneter in Virginia (und damit ein Amtsträger der Südstaaten) war. Der Angeklagte (Griffin), der wegen eines Verbrechens verurteilt worden war, argumentierte, dass der Richter gemäß Abschnitt 3 nicht zur Amtsausübung berechtigt sei. Chase jedoch fand es unvorstellbar, dass der Kongress die Absicht gehabt haben sollte, jeden, der eine offizielle Stellung in den Südstaaten innegehabt hatte, von der Amtsausübung auszuschließen, und gar, dass ein Allerweltsprozess mit dieser Begründung für nichtig erklärt werden sollte. Bei einer derartigen wörtlichen Auslegung des Textes, so Chase, hätte „[K]ein Strafmaß, kein Urteil, keine Anordnung, keine Bestätigung einer Urkunde, keine Eintragung einer Urkunde, kein Verkauf durch einen Sheriff oder Commissioner – kurz gesagt: kein offizieller Akt – … die geringste Gültigkeit. Es ist unmöglich, die Schäden zu ermessen, die eine derartige Auslegung dem Unheil hinzufügen würde, das den Menschen dieser Staaten bereits entstanden ist.“

Chase’ richterliche Staatskunst

Für Chase war es undenkbar, dass der Süden, der bereits zur wirtschaftlichen Wüste geworden war, auch noch seiner Regierung und Behörden beraubt werden und im Gefolge von Lincolns Äußerungen über Versöhnung und Wiederaufbau der Anarchie überlassen werden sollte. Dieses Ergebnis würde den befreiten Sklaven ebenso wenig helfen wie den ehemaligen Rebellen. Chase befand entsprechend, dass Abschnitt 3 nicht „unmittelbar anwendbar“ sei. Vielmehr gäbe er dem Kongress die Befugnis, ein Gesetz zu seiner Umsetzung zu verabschieden.

Chase richterliche Staatskunst scheint funktioniert zu haben: Der Kongress verabschiedete daraufhin ein Gesetz, mit dem nur bestimmten Amtsinhabern der Südstaaten ihre Ämter entzogen wurden. Laut dem ersten Ku Klux Klan Act (1870) sollte Abschnitt 3 nur gegen Amtsinhaber durchgesetzt werden, die den Wiederaufbau störten, nicht gegen jeden Urkundsbeamten oder Hundefänger. Der Kongress erließ anschließend 1872 eine umfassende Amnestie.

Historiker betrachten Abschnitt 3 als einen von vielen Versuchen zur Aufarbeitung des Bürgerkriegs. Bestrafen wir den Süden, söhnen wir uns mit ihm aus, oder streben wir ein bisschen von beidem an? Dies waren schwierige Fragen, die beizulegen Jahrzehnte dauerte – sofern sie denn überhaupt beigelegt wurden. Chase erkannte klar, dass der Kongress unmittelbar nach dem Krieg nicht geneigt war, sorgsam zu beraten, und daher auf den klassischen Fehler der Rachsucht verfiel. Wie sein ehemaliger Chef Abraham Lincoln verstand, war eine Aussöhnung notwendiger Bestandteil des Wiederaufbaus.

Baude und Paulsen dagegen werfen Chase einen technischen Fehler bei der Rechtsauslegung vor; er habe den „klassischen Fehler“ begangen, bei der Auslegung des Verfassungszusatzes „die ursprüngliche Bedeutung durch die ursprüngliche Absicht zu ersetzen“. Sie meinen, dass Chase die unüberlegten Impulse des Kongresses ungeachtet der Folgen hätte durchsetzen müssen. Und sie meinen, dass die heutigen Minister ebendiese unüberlegten, rachsüchtigen Impulse, so wie sie 1868 im Text und ursprünglichen Verständnis verkörpert wurden, durchsetzen sollten. Das impliziert, dass sie den völlig anderen Kontext – den Wahlausschluss eines Ex-Präsidenten und Favoriten für die Nominierung als Kandidat der Republikanischen Partei – unbeachtet lassen sollten, obwohl dadurch einem enormen Teil der Wählerschaft das Gefühl vermittelt würde, seiner Rechte beraubt zu werden. Es fällt schwer, sich eine bessere Methode vorzustellen, Demokratie und Rechtsstaat auf einen Schlag zu diskreditieren.

Es ist verführerisch, einen Deus ex Machina zu beschwören, um das Land von einem Mann zu befreien, der mehr getan hat, die US-Demokratie zu untergraben, als irgendwer seit Jefferson Davis. Doch würde es, wenn man zuließe, dass die Wahl von 2024 durch die Wähler von 1868 entschieden würde, die Demokratie neu beleben – oder würde es sie weiter schwächen?


Aus dem Englischen von Jan Doolan / © Project Syndicate, 2023

fraulein smilla
25. September 2023 - 10.21

Bei CNN dem Haussender der Demokraten faengt man an ,was die Umfragen angeht sich wirklich Sorgen zu machen was die Wiederwahl Jo Bidens angeht .Da muss man schon in die Trickiste greifen . Der Einzige der fuer Biden ,dessen kognitiven Faehigkeiten immer mehr in Frage gestellt werden noch Waehler mobilisieren kann ist Donald Trump .

JJ
25. September 2023 - 9.45

Wenn die Justiz die Wut der Trump-Anhänger nicht fürchten würde wäre der Mann schon lange weg vom Fenster. Aber mit dem "White Trash" ist nicht zu spaßen.Zumal wenn "the Donald" stetig Benzin ins Feuer gießt. Schade daß die Demokraten scheinbar keine Kandidaten haben ausser einem Greis der die Orientierung verloren hat.