Sonntag21. Dezember 2025

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ForumWährungsdominanz im digitalen Zeitalter: Warum eine globale Koordinierung unerlässlich ist

Forum / Währungsdominanz im digitalen Zeitalter: Warum eine globale Koordinierung unerlässlich ist
 Seit über 80 Jahren genießt der US-Dollar die unangefochtene Vormachtstellung im Welthandel und im weltweiten Finanzwesen Foto: AFP/Angela Weiss

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Seit über 80 Jahren genießt der US-Dollar dank Amerikas einzigartiger Kombination aus Wirtschaftsgröße, glaubwürdigen Institutionen, tiefen und liquiden Finanzmärkten, geopolitischer Macht und – ganz entscheidend – Netzwerkeffekten die unangefochtene Vormachtstellung im Welthandel und im weltweiten Finanzwesen. Doch eine neue Variable ist im Begriff, die globale Währungsordnung neu zu gestalten: die Datenintegrität.

Da digitale Technologien zunehmend als Schienen fungieren, auf denen sich das Geld bewegt – sei es in Form von Stablecoins, tokenisierten Vermögenswerten oder digitalen Zentralbankwährungen – hängen Widerstandsfähigkeit und Glaubwürdigkeit der Währungsnetzwerke nicht mehr nur von makroökonomischen Fundamentaldaten ab, sondern auch von der technologischen Stärke und Sicherheit der entsprechenden Infrastruktur. Freilich spielen makroökonomische Fundamentaldaten nach wie vor eine Rolle, und digitale Währungen bringen einige herkömmliche makroökonomische Herausforderungen mit sich. Insbesondere wäre es möglich, dass Stablecoins durch Privatisierung der Seigniorage und erleichterter Steuerhinterziehung zu einem Rückgang der Steuereinnahmen von Ländern führen.

Wenn ein Stablecoin seine Bindung zur Referenzwährung verliert – beispielsweise, weil seine Liquiditätspuffer sich als unzureichend erweisen – könnte dies zu einem Vertrauensverlust führen und einen Run auf die Währung auslösen. Sind die Verbindungen des Stablecoins zu anderen Vermögenswerten ausreichend dicht, sind womöglich systemische Folgen zu erwarten. Als besonders disruptiv könnte sich ein ungeordneter Run auf US-Dollar-Stablecoins erweisen – privat emittierte digitale Token, die in erheblichem Umfang durch US-Staatsanleihen gedeckt sind und theoretisch eins zu eins gegen Dollar getauscht werden können. Undurchsichtige Berichts- und Rechnungsprüfungspflichten sowie unzureichende Regulierung in einigen Rechtsordnungen verstärken die Risiken.

Doch solche „klassischen“ Glaubwürdigkeitsprobleme sind nur der Anfang. Die Welt steht möglicherweise auch eine neue Art von „Cyber-Run“ bevor, ausgelöst durch Schwächen der technologischen Infrastruktur, die digitale Vermögenswerte stützt. Dieses Risiko zu verringern, wird nicht leicht sein: Wie das Nationale Institut für Standards und Technologie des US-Handelsministeriums warnte, könnten Quantencomputer bald in der Lage sein, viele der derzeit verwendeten Public-Key-Kryptosysteme zu knacken. Mit anderen Worten: Eine Infrastruktur, die heute robust erscheint, könnte sich morgen als instabil erweisen.

„Exorbitantes Privileg“

Die Auswirkungen auf die weltweite Währungsordnung präsentieren sich weitreichend. Als Emittent der dominierenden internationalen Währung genießen die Vereinigten Staaten seit langem ein „exorbitantes Privileg“, das ihnen unter anderem die Möglichkeit gibt, selbst in Zeiten wirtschaftlicher Nöte Kredite zu niedrigen Zinsen aufzunehmen und dauerhaft hohe Handelsdefizite zu verzeichnen. Die Regierung unter Präsident Donald Trump scheint darauf zu setzen, dass die USA dieses Privileg behalten können, da der aktuelle globale Status des Dollars zu Nachfrage nach US-Dollar-Stablecoins und damit nach US-Staatsanleihen führt, was wiederum die Finanzierungskosten des US-Finanzministeriums senkt.

Letztendlich beruht das exorbitante Privileg der USA auf dem Vertrauen in ihre Institutionen, Rechtsrahmen und fiskalischen Kapazitäten. In einer Welt, in der Geld auf programmierbaren Plattformen zirkuliert, sind jedoch Glaubwürdigkeit und Integrität des Codes, Qualität der kryptografischen Standards und die Widerstandsfähigkeit der Systeme gegen Hackerangriffe ebenso wichtig wie alle anderen Faktoren. Dies verändert die Logik des monetären Wettbewerbs grundlegend: Bei ausreichender Größe des technologischen Vorsprungs wird jene Währung am attraktivsten, die am besten vor Cyber-Bedrohungen geschützt ist – und nicht unbedingt diejenige, hinter der die mächtigste Wirtschaft oder die glaubwürdigste Zentralbank steht.

Stablecoins werden für einen wachsenden Anteil grenzüberschreitender Zahlungen sowie als Einstiegs- und Ausstiegspunkte für spekulative Kryptoinvestitionen verwendet, aber es besteht noch viel Unklarheit hinsichtlich ihrer Sicherheit und Governance. Regulierungsbehörden und Bürger sollten daher Fragen stellen. Wer ist für die Verwaltung des Ledgers verantwortlich? Inwieweit ist das System vor böswilligen Akteuren geschützt? Was passiert, wenn die kryptografische Grundlage einer Währung durch Entwicklungen im Bereich des Quantencomputings kompromittiert wird?

Von der zufriedenstellenden Beantwortung dieser Fragen hängt die nationale und internationale Währungsstabilität ab. Handelt die Politik nicht entsprechend, könnten wir uns in einem volatilen und fragmentierten Währungssystem wiederfinden, wie es für das 19. Jahrhundert charakteristisch war, als die unkontrollierte Ausgabe von Privatgeld den Weg für Panik, Run auf Banken, Manipulationen und Zusammenbrüche ebnete.

Multipolares Währungssystem

Auf jeden Fall steuern wir möglicherweise auf ein multipolares Währungssystem zu, in dem einige Währungen – und die damit verbundenen digitalen Ökosysteme – aufgrund ihrer Fähigkeit zur Minimierung ihrer „Angriffsfläche“ und der Maximierung der Datenüberprüfbarkeit einen „Integritätsbonus“ genießen. Die erfolgreichsten Währungen werden eine äußerst robuste Finanzarchitektur aufweisen, die sämtliche Schritte abdeckt, von der Validierung der Transaktionen bis zum Schutz von Nutzeridentitäten und Transaktionshistorien. Eine Währung, die von einem Staat mit schwachen Cyberabwehrmechanismen oder undurchsichtigen technologischen Standards ausgestattet wird, dürfte daher an Boden verlieren, während eine technologisch hochentwickelte Währungszone mit hohen Integritätsstandards über ihre Verhältnisse punkten könnte.

Diese neue technologische Landschaft wird möglicherweise erhebliche geopolitische Folgen haben. So wie einst die Vorherrschaft auf See zu Dominanz im Handel führte, könnte die Kontrolle über die Zahlungsinfrastruktur zunehmend über wirtschaftliche Souveränität entscheiden. Der strategische Wert von Zahlungsdaten – nicht nur für die Geldpolitik, sondern auch für Überwachung, Rechtsdurchsetzung und Sanktionen – bedeutet, dass es sich bei digitalen Währungen nicht um neutrale Technologien handelt, sondern um umkämpfte Machtbereiche. Währungen, deren digitale Ökosysteme das größte Vertrauen genießen – sowohl in ihre Institutionen als auch in ihren Code – werden das internationale System von morgen dominieren.

Die Wahrung der internationalen Währungsstabilität in einem derartigen Umfeld erfordert mehr als nur technologische Innovationen. Eine globale Koordinierung der Standards für Tokenisierung, kryptografische Interoperabilität, Datenschutz und Post-Quanten-Resilienz wird unerlässlich sein. Die Alternative – nämlich die Ausbreitung zersplitterter Netzwerke, die unterschiedlichen Regeln und systemischen Schocks unterliegen – bietet den idealen Nährboden für Instabilität.

* Hélène Rey ist Professorin für Wirtschaftswissenschaften an der London Business School.

Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier

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