Das Problem ist nicht neu, verschärft sich aber Jahr für Jahr. Was manche Touristiker nicht daran hindert, den Kopf in den Sand, respektive den nicht vorhandenen Schnee zu stecken: „Das mit dem Schneemangel in Skigebieten unter 1.000 Metern ist ein Blödsinn. Das sind natürliche Schwankungen, da wird viel hineininterpretiert, was so nicht stimmt.“ So hatte Peter Schröcksnadel, ehemaliger Präsident des Österreichischen Skiverbandes und selbst Betreiber mehrerer Skigebiete, noch vor drei Jahren Warnungen vor dem buchstäblichen Wegschmelzen der Geschäftsgrundlage des alpenrepublikanischen Wintersports in den Wind geschlagen.
Tatsächlich ist auf Frau Holle schon länger kein Verlass mehr. Schneearme Winter gab es immer wieder, freilich auch immer öfter. Doch der Mangel ließ sich mit den 33.000 Schneekanonen im ganzen Land meist beheben. Das war zwar schon vor der Energiekrise teuer und alles andere als umweltfreundlich, aber der Rubel musste rollen. Schließlich spielte der Wintertourismus 2019 noch 7,6 Prozent des Bruttonationalprodukts (BNP) ein. Die Pandemie ließ diesen Wert 2021 auf 4,1 Prozent sacken. Ob das Vor-Corona-Niveau in Zukunft wieder erreicht und vor allem dauerhaft gehalten werden kann, ist zweifelhaft.
Sommerrodeln im Winter
Dieser Winter liefert bereits einen Vorgeschmack auf die disruptive Kraft des Klimawandels: In den tiefer gelegenen Skigebieten in Niederösterreich ist die Skisaison ebenso wie in Oberösterreich nach wenigen Tagen bereits zu Ende. In St. Corona am Wechsel etwa hat man aus der Not heraus die Sommerrodelbahn geöffnet, um die eigentlich für Skifahrer gedachten Liftanlagen in Betrieb halten zu können. Anderswo versucht man die verhinderten Skifahrer zum Wandern zu animieren. Der Einsatz von Schneekanonen ist nicht mehr möglich, weil dafür zumindest ein paar kalte Tage erforderlich sind. Selbst aus Tirol oder Vorarlberg veröffentlichen deutsche Zeitungen Bilder, die keine Tourismuswerbung sind: Von bräunlich-grünen Bergen ziehen sich schmale weiße Kunstschneebänder ins Tal. Wintersportstimmung kommt da keine auf.
Tödliche Schmalspurpisten
Gefährlich sind die Schmalspurpisten noch dazu. Weil es entlang der weißen Bänder keine Sturzräume gibt, in denen fallende Wintersportler auf einem Schneepolster landen könnten, steigt das Verletzungsrisiko dramatisch an. Allein in Tirol wurden heuer schon elf tödliche Wintersportunfälle verzeichnet. Zumindest im Hinblick auf dieses Risiko gibt es Hoffnung: Inzwischen bedrohen nämlich die hohen Temperaturen auch die kümmerlichen Skipistenreste.
Wandern ist nur eine aus der Not geborene Alternative derer, die in Erwartung sicherer Schneelagen gebucht haben und nun dort sind, wo sie Ski fahren oder snowboarden wollten, aber nicht können. Insofern sind Meldungen, wonach sich der aktuelle Schneemangel bisher nicht auf die Buchungslage ausgewirkt habe, nur ein schwacher Trost. Wenn sich in Europa herumspricht, dass es in Österreich nur noch ganz oben auf den – allerdings ebenfalls schon beträchtlich geschrumpften – Gletschern Skifahrgarantie gibt, werden sich potenzielle Gäste überlegen, ob sie für einen Sommerurlaub nicht gleich weiter in den Süden fliegen. Außerdem ist auf den Gletschern auch das Preisniveau ganz oben.
Wenn nicht entgegen den Prognosen doch noch Schnee kommt oder zumindest ein paar kalte Tage den Einsatz der Schneekanonen ermöglichen, hat das Folgen für die Hauptsaison im Februar und März.
Während sich Klimaexperten einig sind, dass der Schneemangel früher oder später vielen Tourismusregionen den Garaus machen wird, wenn keine Alternativen zum Schneesport gefunden werden, übt sich die Politik noch in Zweckoptimismus. Man solle „jetzt nicht schwarzmalen“, rät Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler (ÖVP) und verweist darauf, dass es Ende Dezember, Anfang Jänner oft wenig Schnee gebe. Das Wiener Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) warnt dagegen: Mindestens ein Drittel der vor der Covid-19-Pandemie erwirtschafteten jährlichen touristischen Wertschöpfung von rund 30 Milliarden Euro in Österreich sei gefährdet, wenn der Klimawandel ungebremst voranschreitet.
De Maart
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