ForumVorwärts im Stillstand: In der sanften Mobilität gibt es Nachholbedarf – vor allem im Süden

Forum / Vorwärts im Stillstand: In der sanften Mobilität gibt es Nachholbedarf – vor allem im Süden
 Foto: Editpress/Alain Rischard

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Fast jeder ist tagtäglich davon betroffen: Staus auf den Straßen des Landes, die von den Verkehrsteilnehmern viel Geduld und eine fast schon stoische Haltung abverlangen.

Am stärksten betroffen ist der Süden des Landes, der jeden Tag lahmgelegt wird. Jede Alternativroute, jede Parallelstraße und jede Seitengasse werden befahren. Für viele beginnt der Stau vor der Haustür und endet spät am Abend nach der Arbeit vor der Haustür. Selbst die Fußgängerzonen und Wohnviertel werden morgens als Umwege genutzt. Pro Jahr verbringen wir im Durchschnitt etwa sieben Tage im Stau – Tendenz steigend1).

Staus haben nicht nur Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit und die damit verbundenen Kosten, sondern beeinträchtigen drastisch die Lebensqualität und werden langfristig zu einem Problem für die Attraktivität des Landes. Obwohl man annahm (und vorausrechnete), dass die Ausweitung der Telearbeit die Staus reduzieren würde, kann dies noch nicht bewiesen werden, da die im Stau verbrachte Zeit im letzten Jahr um zwei Stunden gestiegen ist2).

Für die südliche Grenzregion und ihre Gemeinden ist die Bewältigung der Staus eine echte Herausforderung. Im Kanton Esch leben 189.5403 Einwohner. Wenn man bedenkt, dass die meisten der mehr als 110.000 französischen Grenzgänger über die südlichen Grenzen ins Land anreisen, kommt man auf fast 300.000 Menschen, die sich auf einer Fläche von 242,8 km2 im Alltag beim Fortbewegen zurechtfinden müssen. Die beste Alternative zum Auto und die wirksamste Lösung zur Bekämpfung von Staus ist der Ausbau der Infrastruktur des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), insbesondere des Schienennetzes. Es ist erfreulich, dass die Regierung den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs seit 2013 massiv unterstützt. Ebenso lobenswert ist der Ausbau des Tramnetzes und der sanften Mobilität, von dem die Stadt Luxemburg und ihre Einwohner am meisten profitieren. Es bleibt allerdings noch viel zu tun.

Warum kein Schnellzug zwischen Esch und Luxemburg?

Luxemburg ist eines der europäischen Länder mit den höchsten Pro-Kopf-Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr, hat aber auch einen großen Entwicklungsrückstand aufzuholen. Aufgrund des Bevölkerungswachstums und der steigenden Zahl von Arbeitnehmern steigt auch der Bedarf an effizienten öffentlichen Verkehrsmitteln, insbesondere in den Grenzregionen. Die schnelle Tramlinie zwischen Luxemburg und Esch ist zwar zu begrüßen, es stellt sich jedoch die Frage, warum es keine schnelle Zugverbindung geben sollte, die wesentlich mehr Kapazität und Komfort bieten kann.

Anstatt von der Straße auf die Schiene zu wechseln, wechselt man im Süden des Landes von der Schiene auf die Straße!

Jimmy Skenderovic ist LSAP-Schöffe in der Gemeinde Rümelingen und Kandidat bei den Nationalwahlen
Jimmy Skenderovic ist LSAP-Schöffe in der Gemeinde Rümelingen und Kandidat bei den Nationalwahlen Foto: Editpress/Tania Feller

Der „Plan national de mobilité“ 2035 (PNM) stellt die Weichen für die Entwicklung der Mobilität für das Land. Die Fertigstellung von Projekten, die eine echte Veränderung im Alltag der Bürger im Süden des Landes bewirken können, ist für das Jahr 2035 vorgesehen, vorausgesetzt, es gibt keine Verzögerung. Der PNM betrifft auch das Kayltal. Dort haben aber mittlerweile die Verkehrsprobleme erheblich zugenommen, parallel zu einem Abbau und einer Verschlechterung der Qualität des ÖPNV. Es ist ärgerlich und unverständlich, dass die Verbesserung der Zugstrecke im Kayltal noch weitere zwölf Jahre warten muss.

Eine bedeutende Veränderung im öffentlichen Nahverkehr fand am 10. Dezember 2017 mit der Einweihung der ersten Tramlinie und größeren Umgestaltungen im Bahnverkehr statt. Hieß es für die einen „Good Morning Mobilitéit“ in der damaligen Werbekampagne, war es ein „goodbye“ für die Einwohner des Kayltals und Düdelingens mit dem Wegfall der Direktverbindungen in die Hauptstadt. Der Grund dafür soll die Entlastung der Hauptachsen aus Rodange und aus Frankreich düdelingerseits gewesen sein.

Seit 2017 sind fast alle CFL-Fahrgäste im Kayltal entweder auf den Bus oder das Auto umgestiegen. Das liegt nicht nur am Wegfall der Direktverbindung mit der Stadt Luxemburg. Aufgrund ständiger Ausfälle und Verspätungen kann sich kein Fahrgast mehr auf die CFL verlassen. Noch unverständlicher ist es, dass der Zug zwischen 6 und 8 Uhr und zwischen 16 und 18 Uhr jeweils viermal zwischen Rümelingen und Nörtzingen pendelt. Ein mehr als bescheidenes Angebot in einer Grenzregion mit 15.000 Einwohnern und Tausenden von Grenzgängern, die täglich mit dem Auto durch das Kayltal durchfahren. Die zahlreichen Beschwerden und Verbesserungsvorschläge der CFL-Fahrgäste wurden schlichtweg ignoriert. Auch zwei parlamentarische Anfragen von 2017 und 2019 des LSAP-Abgeordneten Yves Cruchten nützten nichts.

Verspätungen und gefährliche Bahnsteige

Wir haben Pläne für die Eroberung des Weltraums, aber schaffen es nicht, den Zug von Rümelingen nach Nörtzingen auf einer bestehenden Infrastruktur anständig fahren zu lassen! Für die Fahrt von Rümelingen nach Kirchberg muss man 1,5 Stunden einplanen, vorausgesetzt, es gibt keine Verspätung. Die Hin- und Rückfahrt dauert im Durchschnitt 15 Stunden pro Woche, was sich auf ungefähr 60 Stunden pro Monat summiert. Der Zeitverlust ist jedoch nicht das einzige Problem. Die Züge sind zu klein und man muss sich in der Regel durch die Menschenmenge kämpfen, um einen Stehplatz zu finden. Der Bahnsteig in Nörtzingen ist lebensgefährlich und es grenzt schon an ein Wunder, dass es dort noch keinen Unfall gegeben hat. In manchen Zügen funktionieren die Türen nicht und werden seit Jahren nicht mehr repariert. Bei Verspätungen gibt es überhaupt keine Kommunikation und die Apps geben oft falsche Informationen an. Wir sind wahrscheinlich das einzige Land der Welt, das Verspätungen bis zu sechs Minuten grün markiert, da diese nicht als solche in die Statistiken einfließen.

Luxemburg brüstet sich gerne damit, dass die Pro-Kopf-Investitionen in das Schienennetz die der Schweiz überragen. Der Unterschied zur Schweiz besteht aber darin, dass die Züge funktionieren und die Reisenden sich auf eine pünktliche und angenehme Reise verlassen können. Die Schweizer Transportministerin war vor einigen Jahren unter Druck geraten und musste fast zurücktreten, weil einige neu gelieferte Züge nicht an die Höhe der Bahnsteigkante angepasst waren. In Luxemburg ist man froh, wenn man den Boden berühren kann, ohne sich zu verletzen.

Darüber hinaus wurden fast alle regionalen Bahnhöfe geschlossen und verrotten. Es ist unverständlich, dass die bestehende Eisenbahninfrastruktur im Kayltal völlig aufgegeben wurde. Es gibt weder einen Plan für die Verbesserung des Verkehrs in der Grenzregion, noch ist dort ein einziger Cent investiert worden. Wir haben Pläne für die Eroberung des Weltraums, aber schaffen es nicht, den Zug von Rümelingen nach Nörtzingen auf einer bestehenden Infrastruktur angemessen fahren zu lassen.

Die Landesplanung spielt eine wichtige Rolle und der Ansatz, dort zu arbeiten, wo man lebt, ist der richtige, auch wenn er utopisch erscheint. In den letzten Jahren wurden beispielsweise im Kayltal keine öffentlichen Arbeitsplätze (mit Ausnahme der Gemeinden) geschaffen. Es gibt weder Aussicht auf die Ansiedlung einer Agentur oder einer öffentlichen Einrichtung in dieser Region, noch gibt es dort ein Projekt zur Unterstützung der Mobilität.  Das Kayltal – wie auch andere Grenzregionen und Städte – kann nicht bis 2035 warten und braucht konkrete Lösungen und Investitionen. 

1) www.wort.lu/luxemburg/stau-statistik-stadt-luxemburg-unter-top-60-weltweit/1043337.html

2) www.tomtom.com/traffic-index/luxembourg-country-traffic/

3) statistiques.public.lu/fr/publications/series/en-chiffres/2023/demographie-lux-en-chiffres-2023.html

Bella
27. September 2023 - 12.35

@oswaldcl "Und wie war das, als die Bahnlinie im Kayltal gekürzt wurde, weil eilige Autofahrer sich an der Bahnschranke in Rümelingen störten ? " Jetzt haben sie an der Stelle einen Parkplatz und die Franzosen fahren stundenlang morgens und abends mit dem Auto durch den Rond-Point. Früher fuhr der Direktzug von Rumelange-Ottange ohne Umsteigen nach Luxemburg. Damals hätten wir den Fränz auch gebraucht.

Emile Müller
27. September 2023 - 11.38

Esch-Luxemburg, Luxemburg-Esch,.... Das Land besteht nur aus diesen beiden Namen wenn man die Politiker hört.... Alles muss zentralisiert werden, alles muss nach Esch oder Luxemburg. In den letzten 10 Jahren sah und sieht man, dies führt zum Chaos und zum Koller.... Aber hey immer weiter so und sich dann noch hinstellen und dies als eine gute "Politik" verkaufen zu wollen, da fehlen einem doch die Worte... Wenn man wirklich noch einen Grund gebraucht hätte warum die L(SA)P unwählbar ist.... Wann kommt denn endlich der Ausbau Richtung Norden und Osten um wirklich eine Entlastung herbeizuführen, wenn dort nichts in die Infrastruktur investiert wird, kann auch nichts entlastet werden und alles wird sich weiter um die Achse Esch-Luxemburg drehen mit dem wenig überrachenden Resultat dass eine Tram neben der Schiene absolut keine Entlastung bringen wird!

oswaldcl
26. September 2023 - 21.46

Was sagt denn der Jimmy dazu, dass die Bahnlinie von Esch nach Audun-le-Tiche abgeschafft und durch Busse ersetzt werden soll ? Ist dies das richtige Zeichen ? Und wie war das, als die Bahnlinie im Kayltal gekürzt wurde, weil eilige Autofahrer sich an der Bahnschranke in Rümelingen störten ? Damals hat die Politik kläglich versagt und hat die falschen Zeichen gesetzt.

jean-pierre.goelff
26. September 2023 - 16.55

Ech sin keen Kolleg vum gringen Fränz,Turmes an co.;mee,daat waat virun gudd 25 Joër verschleeft gin ass,daat kann den Fränzi och nit esou schnell riicht beïen!

liah1elin2
26. September 2023 - 13.01

Kann mich gut erinnern, wie in der Vergangenheit in Luxemburg Stadt die Tramschinen rausgerissen wurden und der Eisenbahnverkehr verkümmerte. Im anderen erwähnten Land, wo ich aufgewachsen bin, passierte das Gegenteil. Heute ist das ÖV-System unverzichtbar und wird weiter optimiert, weil der Verkehr auf Straße und Schiene weiter zunehmen wird. Wenn ich mir das Nörglertum um den ÖV in Luxemburg der letzten Jahre so anschaue, staune ich nicht schlecht. Endlich wurde massiv in den ÖV investiert und muss weiterhin geschehen, regional und überregional. Denn der Strassenverkehr ist für in- und ausländischen Pendler eine Zumutung geworden. Und jetzt auf Fehlern rumzureiten, weil vielen die Farbe der Partei nicht zusagt die den ÖV verantwortet, ist peinlich und kleinlich.

JJ
26. September 2023 - 12.15

1000 000. Wie sang einst Jacques Dutronc? "Un million de chinois et moi et moi et moi." Es wird bald Staus zu Fuß oder mit dem Rad geben. Oder der Gag: " Wie kriege ich 5 Elefanten in eine 2CV?"

Jemp
26. September 2023 - 11.59

"Dir kennt jo mamm Velo fueren!" würde da unser Blitzminister grinsend kontern.

luxmann
26. September 2023 - 11.13

Bei 4 zugverbindungen pro stunde zwischen Luxemburg und Esch muesste es doch problemlos moeglich sein 2 davon ohne halt und die 2 anderen mit halt in jedem bahnhof zu organisieren.