Wir sehen uns als die moralisch Überlegenen – über die Völkerrechtsverächter Trump und Putin –, da wir für eine „regelbasierte Ordnung“ eintreten. Dieser neue Begriff ist durchaus ambivalent. Damit ist häufig gerade nicht die geltende Völkerrechtsordnung gemeint, sondern deren Überwindung. Es geht hier um Werte wie Demokratie, Menschenrechte …
Anders als in der völkerrechtlichen Ordnung ist nicht ein ideologische Unterschiede überbrückendes Regelsystem gemeint. Der Begriff zielt auf eine Spaltung zwischen legitimen und illegitimen Staaten, zwischen denen es keine bindenden Orientierungen mehr gibt.
Noch problematischer ist die Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht zur Unterstützung der Ukraine. Die Kriege gegen Ex-Jugoslawien und den Irak wurden mit einem UN-Versagen begründet. Man nahm für sich in Anspruch, anstelle der UN den Weltfrieden zu sichern. Warum wird heute nicht in gleicher Weise, sondern mit dem Selbstverteidigungsrecht argumentiert?
Jede Gewaltanwendung steht unter der Einschränkung, dass sie das geringere Übel gegenüber ihrer Unterlassung darstellt. Wenn es um den Weltfrieden geht, darf man großen Schaden zulassen. Der Nachteil ist, dass die Koalition, die sich als Ersatz-UN versteht, zur Kriegspartei wird. Im Krieg gegen Ex-Jugoslawien und den Irak war nicht mit einer militärischen Bedrohung zu rechnen. Russland ist aber in der Lage, den Krieg nach West-Europa zu bringen.
Wenn es um die Selbstverteidigung eines Staates geht, sieht das Folgenkalkül anders aus. Kein Staat ist zur kollektiven Selbstverteidigung verpflichtet, wenn dies den Krieg in sein eigenes Land tragen würde, wenn nicht Bündnisverpflichtungen bestehen. Wenn sich aber Staaten zur Ersatz-UN erklären, können sie sich nicht aus der Verpflichtung zur Verteidigung des Friedens entlassen, weil Gegengewalt droht. Wenn sich also heute die Ukrainer-Unterstützer auf das kollektive Selbstverteidigungsrecht berufen, haben sie sich die rechtliche Basis geschaffen, nur die Unterstützung zu leisten, die sie selbst aus dem Krieg heraushält.
Es wäre völlig unverantwortlich, einen Weltkrieg auszulösen. Dieser Gedanke würde aber auch gelten, wenn sich die Koalition der Unterstützerstaaten zur Ersatz-UN erklärte. Nur ist es eben zweierlei, das eigene Land aus Krieg herauszuhalten, oder einen Weltkrieg zu verhindern. Von den zwei zur Verfügung stehenden Legitimationsansätzen wählt man sich den, der einem gerade gelegen kommt. Wir sind keineswegs ethisch so koscher, wie wir uns gerne sehen.
De Maart
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