Der „Kreis“ meint die Logik, Obst und Gemüse jahrelang via EU-Dekret in Form und Farbe so zu regeln, dass der Handel die bildlich gemeinte „krumme“ Möhre gar nicht erst haben will. Sie ist unverkäuflich, weil der Verbraucher nur perfektes Obst und Gemüse in den Auslagen sehen will und kauft.
Am anderen Ende bleibt der Landwirt als Produzent, der viel Arbeit in Saat, Aufzucht und Ernte investiert hat, darauf sitzen. Im Zweifelsfall landet die in ihrer Geradlinigkeit suboptimal geratene Möhre schließlich im Müll und irgendwer verurteilt die Lebensmittelverschwendung, tut aber nichts. Gregor hat etwas getan.
Vor allem, nachdem sie festgestellt hat, dass es Menschen gibt, für die eine Möhre eine Möhre ist – egal ob krumm oder grade. Nur gab es die „B-Ware“ lange nirgends, bis 2022 „Onperfekt“ in Marnach an den Start ging. Der Standort des kleinen Eckladens in der Shopping Mile ist gut gewählt. Das Einkaufszentrum bietet einiges an Nahversorgung, liegt zentral und ist gut frequentiert.
39.000 Kilo unperfekte Ware
„Wir haben heute alle wenig Zeit“, sagt Gregor. „Beruf, Familie, … – ein Einkauf muss schnell gehen.“ Der kleine Laden bietet ausschließlich Produkte vom Land, saisonal und regional. Rund 15 Landwirte liefern das, was sie normalerweise wegwerfen müssten. Weitere Zulieferer sind willkommen. Knapp 39.000 Kilo Obst und Gemüse haben seit der Eröffnung des Ladens schon eine zweite Chance bekommen.
Das steht auf einem Schild gegenüber der Kasse. Diese Zahl steigt täglich. Aktuell (Stand Ende Januar 2025) ist sie sogar bis auf 52.053 Kilo angestiegen. Was sich so einfach anhört, hatte Vorlauf. Die studierte Geographin hat zuvor ins Metier geschnuppert und mit Mitstreitern bei Landwirten ausgeholfen. Seit sie selbst aussortieren musste, weiß sie nicht nur, wie viel Arbeit in der Erzeugung der Produkte steckt.
Hautnah erlebt sie, wie viel „Abfall“, gemeint ist nicht verkäufliche Ware, für den Handel bei einer Ernte anfällt. Gespräche mit Freunden über die Lebensmittel, die aus ästhetischen Gründen weggeworfen werden, wecken die soziale Ader der ehemaligen Koordinatorin bei Resonord, dem „regionalen Sozialzenter Norden“.
Zu wenig im Land produziert
Als Fachfrau für Regionalentwicklung stößt sie schon dort soziale Projekte an. Für „Onperfekt“ ist der erste Test eine Art monatlicher Pop-up-Markt, ob sie Abnehmer für das Obst und Gemüse finden. Sie kommen reichlich. Rund 100 Menschen besuchen zum Schluss die Märkte, obwohl sie kaum Werbung machen. Über Crowdfunding trommelt die mittlerweile von drei auf rund 200 Genossen angewachsene Initiative 115.000 Euro zusammen.
Es kann losgehen. Aus der Frage, was passiert denn mit der krummen Möhre, ist ein kleiner Betrieb mit Verkaufsfläche, der vier Menschen beschäftigt, entstanden. Sensibilisierung für das Thema Lebensmittelverschwendung und das Problem der „B-Ware“, Verkauf und Unterstützung der Produzenten sind die Missionen.
Dem steht eine andere Tatsache gegenüber. Das produzierte Obst und Gemüse, das im Handel landet, ist zu wenig für den Bedarf der wachsenden Bevölkerung. 8.300 Tonnen Gemüse wurden laut statistiques.lu 2023 in Luxemburg produziert. Die größten Anteile daran haben Karotten, Weißkohl, Kürbis und Zwiebeln. Noch einmal knapp 1.500 Tonnen kommen aus dem Obstanbau im Land auf den hiesigen Markt. Äpfel und Pflaumen liefern hier laut gleicher Quelle die größten Erträge.
Trotzdem reicht es nicht, viel wird importiert. „Wir müssen unsere lokalen Märkte stärken und mehr eigene Produkte herstellen“, sagt die „Onperfekt“-Gründerin. Vor dem Hintergrund der Abhängigkeiten durch die Globalisierung, der allgemeinen Weltlage und den Erfahrungen durch die Pandemie gewinnen Initiativen wie „Onperfekt“ ungeahnte Aktualität.
Gute Initiative!
Da ich selbst im Gärtchen Gemüse anbaue, ernte ich auch mal B-ware. Wird in meiner Küche verarbeitet und wir genießen leckere Gemüsegerichte. Nahrungsmittel sind wertvoll, nur nichts verschwenden!