TransatlantikflügeVor 65 Jahren begann ein goldenes Zeitalter für die Luxemburger Luftfahrt

Transatlantikflüge / Vor 65 Jahren begann ein goldenes Zeitalter für die Luxemburger Luftfahrt
Die ersten Cargo-Flugzeuge der Cargolux waren in ihrem Vorleben als Passagierfluzeuge der isländischen Loftleidir über dem Atlanik unterwegs Foto: Cargolux

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Heute vor 65 Jahren landete erstmals ein Flugzeug der isländischen Loftleidir im Großherzogtum. Für die luxemburgische (und die isländische) Luftfahrt war es der Beginn einer neuen, glorreichen Ära.

Als das erste Flugzeug der Loftleidir am 22. Mai 1955 am Findel landete, waren sowohl Luxemburgs Victor Bodson als auch Islands Transportminister Ingolfur Jónsson mit dabei. Doch konnten sie damals kaum ahnen, wie erfolgreich die Geschäftspartnerschaft noch werden sollte.

Zu dieser Zeit war Fliegen, vor allem über den Atlantik, eine teure Angelegenheit. Nur die wenigsten konnten sich ein Ticket leisten. Der Weltmarkt wurde von nationalen, oftmals staatlichen Gesellschaften dominiert. Luxemburg versuchte derweil den eigenen Standort, den Findel, auf die Landkarte zu bringen. Wer ins Ländchen kommen wollte, war willkommen. Eine eigene Fluggesellschaft hatte das Land noch nicht.

Auf der Suche nach Start- und Landeplätzen war damals die isländische Fluggesellschaft Loftleidir. Die Gesellschaft hatte zuvor, wegen des starken Wettbewerbs auf dem isländischen Markt für Binnenflüge, entschieden, auf transatlantische Flüge (über Island) und niedrige Flugpreise zu setzen.

Ein transatlantischer Billigflieger

Dass Loftleidir damals nach Luxemburg kam, war weder Zufall noch Absicht. Das Unternehmen war nicht überall willkommen. Loftleidir war der „International Air Transport Association” (IATA) nicht beigetreten. In dem Verband waren damals praktisch alle Fluggesellschaften vertreten. Er legte Tarif- und Serviceregeln fest und half ihnen, wirtschaftlicher zu arbeiten. Unter anderem schrieb der Verband auf vielen Strecken Mindest-Flugpreise vor. An die IATA-Beschlüsse war Luxemburg, da es noch keine eigene Airline hatte, ebenfalls nicht gebunden. Nur von Luxemburg aus war das Fliegen mit einer freien Preisgestaltung möglich.

Dass der Gesellschaft trotz fehlendem IATA-Abkommen gestattet wurde, in New York zu landen, lag an einer historischen Vereinbarung, die bereits 1945 geschlossen wurde. Darin gab es keine Klausel, die die Flugpreise festlegte. Bereits seit 1948 flog Loftleidir zwischen Island und New York.

Ab 1955 nahm Loftleidir dann Linienflüge von Luxemburg nach Island auf, und von dort weiter in die USA. Nur wenige Jahre später war das Unternehmen zu einer festen Größe in der Fluggastbeförderung zwischen Europa und Amerika geworden. Während seiner geschäftigsten Jahre flog das Unternehmen bis zu fünfmal täglich nach Luxemburg. Aus ganz Europa kamen damals die Kunden (darunter viele in der Region stationierte US-Soldaten) bis nach Luxemburg, um von hier aus über Island weiter nach New York zu fliegen. Die Zahl der Passagiere auf Findel sprang innerhalb von zehn Jahren von 55.591 (1960) auf 476.938 (1970).

Schlüssel des Erfolgs von Loftleidir in Luxemburg waren die niedrigen Preise. Da sich nun scheinbar jeder leisten konnte, über den Atlantik zu fliegen, erhielt die Airline Beinamen wie „Hippie Airline” oder „Rucksacktouristen-Airline“.

Alte Flugzeuge für neue Cargolux

Doch Loftleidir hatte ein Problem. Die Flüge dauerten sehr lang. Und im Gegensatz zur Konkurrenz konnte Loftleidir sich zunächst keine neuen Düsenjets zulegen. Das Abkommen mit den USA war an die Nutzung langsamerer Flugzeuge gebunden.

Der Tageblatt-Artikel vom 23. Mai 1955
Der Tageblatt-Artikel vom 23. Mai 1955

Eine Lösung fand man 1969: Eine kleine Fluggesellschaft, Air Bahama, flog von den Bahamas nach Luxemburg, bot niedrige Flugpreise und nutzte gebrauchte Düsenflugzeuge. Loftleidir Icelandic kaufte den Betrieb. Ab nun ging es ab Luxemburg nicht nur mehr täglich bis nach New York. Auch die Bahamas standen nun täglich auf dem Flugplan des Findel. Von dort aus war Miami schnell zu erreichen.

Ein Jahr nachdem Loftleidir Air Bahama übernommen hatte, ermöglichte ein neuer Vertrag mit den USA, die niedrigen Flugpreise beizubehalten, gleichzeitig aber schnellere Flugzeuge zu nutzen. Loftleidir konnte die Flotte modernisieren – die vierstrahligen Jets vom Typ DC-8 prägten fortan auch das Bild am Findel. Die nicht mehr benötigten Canadair CL-44 wurden zum Verkauf ausgeschrieben. Jedoch wollte sie niemand haben. Das Unternehmen entschied, die Flugzeuge wieder in ihre ursprüngliche Form als Frachtflugzeuge umzubauen. Mit diesen Maschinen und einigen Partnern, zu denen auch die 1962 gegründete Luxair zählte, wurde ein neues Unternehmen für Luftfracht gegründet: die Cargolux. Gleich mit in die neue Firma übernommen wurden Büros, Hangar und Mitarbeiter.

Letzter Flug im Jahr 1999

1970 entschied Loftleidir, nun doch der IATA beizutreten. Die Flugpreise blieben niedrig, nur nicht mehr ganz so niedrig wie davor. Die Gesellschaft bekam stärkeren Gegenwind. Treibstoffkrise und der Konkurrenzkampf mit der isländischen Flugfelag Islands machten ihr zu schaffen. 1973 erzwang die isländische Regierung eine Fusion der beiden Fluggesellschaften.

Durch den Zusammenschluss entstand Icelandair. Die Gesellschaft führte das Luxemburg-Geschäft von Loftleidir weiter fort. Die Beteiligung an Cargolux wurde jedoch verkauft. Erst an die deutsche Lufthansa. Dann, etwa zehn Jahre später, an SAir Logistics (Swissair). Später landete der Anteil beim Luxemburger Staat, dann bei Qatar Airways, dann wieder beim Staat. 2014 wurde er an die chinesische HNCA (Henan Civil Aviation and Investment) verkauft.

Noch während vielen Jahren stand derweil die Passagierverbindung Luxemburg-Island-USA. 1997 soll die Marke von einer Million Passagieren geknackt worden sein. Doch zunehmende Deregulierung veränderte das Fluggeschäft. Heute werden die großen Städte direkt angeflogen. Das ist nunmehr billiger. Und auch praktischer für die Bewohner der Großstädte. Neue Billigflieger traten in den Markt ein.

Am 9. Januar 1999 fand der letzte Flug einer Icelandair von Luxemburg aus statt. Die Strecke hatte sich nicht mehr gelohnt. Nachteil für Luxemburg: Es gab fortan keine Passagierflüge mehr in die USA, nach Südafrika, auf die Bahamas, oder, wie mehrmals gehofft, nach China. Geblieben ist aber die Cargolux und ihr weltweites Netz für Luftfracht. Sie zählt heute zum strategischen Tafelsilber des Landes. Dieses Jahr hat sie ihren 50. Geburtstag gefeiert. 

„Die Flugzeuge waren immer voll“

Einen großen Teil der Geschichte miterlebt hat Egill Gudmundsson. 1967 von Loftleidir nach Los Angeles, USA, geschickt, um dort zum zertifizierten Mechaniker der C44 von Canadair zu werden. Die Isländer hatten den Frachtflieger C44 in einer Passagierkonfiguration für ihre Transatlantikflüge bestellt. Ein Jahr später bot ihm Loftleidir einen Job im Großherzogtum an.

„In Luxemburg war damals alles klein“, erinnert er sich. „Ein sehr verschlafenes Städtchen. Kein McDonalds, keine großen Supermärkte.“ Doch auch „fast leere Straßen, kein Stress, keine Hektik und viel gegenseitiges Vertrauen“. Es war die Zeit, als manch ein Luxemburger am Wochenende zum Flughafen kam, um einen Hauch von der großen weiten Welt zu erblicken.

„Damals war Fliegen teuer“, erzählt der heutige Rentner gegenüber dem Tageblatt. Und Loftleidir war ein Billigflieger. Daher der Erfolg: „Es sind damals wirklich sehr viele Menschen gekommen. Einfach nur weil es billig war. Die Flugzeuge waren immer voll. Drei Flüge pro Tag.“

„So billig wie heute bei Ryanair waren die Preise jedoch nicht“, so Egill Gudmundsson weiter. „Sie waren etwa 50 Prozent niedriger“ als bei den traditionellen nationalen Gesellschaften. Auf den langen Flügen sei dafür jedoch Essen und Trinken im Preis inbegriffen gewesen. „Und das Essen war gut … und viel.“ Auch bei Alkohol wurde damals nicht gespart. „Im Flugzeug konnte man Rauchen und Trinken. So viel man wollte … das war damals schon anders als heute.“

Lange Arbeitswochen

Als Mechaniker sei er jedoch weniger in der Luft, eher immer am Boden, auf dem Flughafen, gewesen. „Auch an Wochenenden wurde gearbeitet“, so Egill Gudmundsson. Lange Arbeitswochen von 44 Stunden sind ihm in Erinnerung geblieben. „Zudem machten die Flugzeuge damals richtig viel Lärm. Auf der Arbeit mussten wir immer schreien. Eine richtige Lärm-Verschmutzung. Heute kann man sie kaum noch hören.“

Gut verdient habe er damals nicht, erzählt er auf Nachfrage. „Ich mietete eine Wohnung und die Vermieter erhöhten dauernd die Miete. Man musste sich anzulegen wissen, um klarzukommen. Das Gehalt sei erst besser geworden, als er, Jahre später, zum Flugingenieur wurde und „selber mit Fliegen begann“. Das war jedoch bereits bei der Cargolux, zu der Egill Gudmundsson 1970 (mit der Gründung) wechselte. Er begleitete seine in Cargo-Flugzeuge zurückverwandelten C44-Maschinen. 

Sein ursprünglicher Plan, „nur einige Jahre in Luxemburg zu bleiben“, hat zwar nicht geklappt, doch er bereut es nicht. Luxemburg sei eines der besten Länder in Europa, unterstreicht er. Heute lebt er teils in Island, teils in Luxemburg. Drei seiner vier Kinder leben und arbeiten im Großherzogtum – ein Sohn ist seit kurzem Pilot bei Cargolux.

Auf das, was die beiden kleinen Länder erreicht haben, ist er stolz: Die Strecke in die USA wurde geöffnet. Dabei muss einem bewusst sein, dass Loftleidir nur eine kleine Fluggesellschaft war“, fügt er hinzu. „Die großen Wettbewerber hatten viel mehr Flugzeuge. Loftleidir nie mehr als sechs.“

Quellen

Als Quellen zum Schreiben der Geschichte dienten, neben dem Gespräch mit Egill Gudmundsson, die Online-Enzyklopädie Wikipedia sowie die Webseiten icelandair.com, yesterdaysairlines.com und loftleidir.com.