EschVon wegen unparteiisch: Dan Codello blickt auf fast 20 Jahre Lokalpolitik zurück

Esch / Von wegen unparteiisch: Dan Codello blickt auf fast 20 Jahre Lokalpolitik zurück
Dan Codello zu Hause in seinem Büro. Sein großes Vorbild Willy Brandt ist omnipräsent. Foto: Editpress/Julien Garroy

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Seit dem 1. März hat Dan Codello mehr Zeit. Denn nach fast 20 Jahren ist für den 45-Jährigen das Kapitel Lokalpolitik abgeschlossen. Codello tritt einen neuen Job in der Gemeinde an und musste deswegen sein Mandat als Gemeinderat niederlegen. Streitbar war er immer, und für Gesprächsstoff sorgte der frühere Schiedsrichter in den letzten 20 Jahren auch regelmäßig. Mit dem Tageblatt blickt Codello auf zwei Jahrzehnte Escher Lokalpolitik zurück.    

Zeit verloren hat Dan Codello in seinem Leben selten. Zeit investiert dagegen schon. Als er 2002 mit nur 26 Jahren Gemeinderat in Esch wurde, da war er in die Mühlen der Lokalpolitik geraten. Und die mahlten vor 20 Jahren anders als heute. Codello erinnert sich an seinen ersten Wahlkampf 1999: „Fränz Schaack (damaliger Bürgermeister, Anm. d. Red.) hatte mir gesagt, dass es zwei Methoden als Lokalpolitiker gäbe: Auf jede Generalversammlung gehen und Artikel schreiben. Dein Name muss in die Zeitung, hatte er gesagt. Das Schreiben von Artikeln hat mit sich gebracht, dass du dein Wahlprogramm gut kennen musstest. Und das hat dann beim Kontakt mit dem Bürger geholfen. Denn dem musstest du rund um die Alzettestraße Rede und Antwort stehen“, sagt er.

Beim Wahlkampf 2011 hatte sich schon viel auf die sozialen Medien verlagert. Das war für Codello der Moment, in dem der direkte Kontakt der Lokalpolitik zu den Wählern verloren ging und der Ton gegenüber Lokalpolitikern durch die Anonymität im Internets rauer wurde. „1999 waren wir jung und quasi überall, auf jeder Generalversammlung, jedem ‚Dëppefest‘. So bin ich auch plötzlich zum Sekretär des Organisationskomitees zum 20. Jubiläum des Interessenvereins ,Cité Verte‘ geworden. Ich kann mich noch gut an die Sitzungen erinnern, immer mittwochs und meist mit ‚Verlängerung‘ bis 3 oder 4 Uhr nachts. Zu behaupten, ich hätte den Alkohol dort kennengelernt, wäre aber gelogen. Den habe ich durch die Schiedsrichterei viel früher kennengelernt.“

Als Fußball-Unparteiischer war Dan Codello in einer Vorreiterrolle, denn durch ihn wurden die Altersregeln beim nationalen Verband FLF geändert. Das runde Leder spielte in der Familie Codello eine große Rolle. Vater Romeo alias Gamin Codello spielte in den 1970er Jahren für Jeunesse Esch und war später lange als Trainer für den Rekordmeister aktiv. Mutter Lea ist eine gebürtige Mond, Schwester von Jang Mond (249 Einsätze für Jeunesse). Bruder Steve schaffte es bis in die U21-Nationalmannschaft. Und die Großeltern führten von 1971 bis 1985 das Jeunesse-Lokal in der „Hiel“. Kein Wunder, dass auch bei Dan Codello das Herz von Geburt an schwarz-weiß schlug. „Ich habe denen von der Fola immer gesagt, dass wir Jeunesse-Kinder im Zeichen des Europapokals geboren wurden. Ich zum Beispiel bin von meinen Eltern gegen Liverpool (1973, Anm. d. Red.) angedacht, und dann gegen Bayern (1975) geboren worden.“ So erinnerte man also den wesentlich geringer mit Titeln dekorierten Lokalrivalen an die Erfolge der Jeunesse …

2002 nachgerückt

Für solche und andere Sprüche bekam Dan Codello früh die „Quittung“: „Mein erstes Spiel als Schiedsrichter war ausgerechnet auf der Fola“, lacht er. „Ich war der erste der Familie, der nicht selbst spielen wollte. Als ich mit 13  im ,Aktuellen Sportstudio‘ eine Reportage über den jungen Bundesliga-Schiedsrichter Dr. Markus Merk sah, da wollte ich eine ähnliche Karriere einschlagen. Mein Vater war nicht begeistert, denn er war nie ein Freund der Schiedsrichter gewesen, ist mehr als einmal vom Platz geflogen. Ich habe einen Brief an die FLF geschrieben und einige Zeit später hat sie wegen mir das Mindestalter für Schiedsrichter von 16 auf 14 gesenkt. So wurde ich mit 14 zum jüngsten Schiedsrichter im Land.“

Dan Codello im Jahr 2003
Dan Codello im Jahr 2003 Foto: Editpress-Archiv

Mit 17 kam Codello erstmals als Linienrichter in der höchsten Division zum Einsatz, mit 25 hörte er auf. Denn inzwischen war sein politisches Engagement in den Mittelpunkt gerückt. Am 9. April 2002 war er für Dr. Richard Schneider in den Escher Gemeinderat nachgerückt, nachdem er sich sowohl bei den Gemeindewahlen 1999 als auch bei den Neuwahlen 2000 als zweiter Ersatz auf der LSAP-Liste platziert hatte. 1998 war er in die Partei eingetreten. Dabei hatte ihn Felix Braz überreden wollen, zu den Grünen zu kommen. Und auch Änder Hoffmann („déi Lenk“) hatte es ihm mit seiner Rhetorik und seinem Pragmatismus angetan. Den Ausschlag gab jedoch Henri Hinterscheid. „Er fragte: ‚Was hast du davon, wenn du in eine Partei gehst, in der du dein Leben lang Oppositionspolitiker bist? Dann doch lieber eine Volkspartei, dort kannst du in verschiedenen Punkten links sein und in anderen liberaler. Und vor allem kannst du mitgestalten.‘ Er hatte nicht unrecht. In der Opposition bewegt man gar nichts.“  

Dan Codello aber wollte etwas bewegen. Dieser Ehrgeiz sollte ihm auch Probleme bereiten. Zum Beispiel 2013, als er seine Kandidatur für den Schöffenposten stellte und sich parteiintern gegen Taina Bofferding durchsetzte, die bei den Wahlen 119 Stimmen mehr als Codello erhalten hatte. „Das Wahlgesetz sieht so etwas vor und die Fraktion hat sich damals für meine Erfahrung entschieden. Trotzdem war ich zu naiv. Denn ab diesem Tag hatte ich einen Teil der Fraktion gegen mich. Die haben dann nur noch auf den Moment gewartet, um die Maschinerie in Gang zu setzen. Der Kollektivvertrag war dieser Moment.“ Codello war Personalschöffe geworden und Präsident der Verhandlungsgruppe der Arbeitgeber in den Kollektivvertragsverhandlungen mit den Gemeindearbeitern der Südgemeinden. Dabei handelte er sich den Zorn der Gewerkschaften ein.    

Der Parteiaustritt

Trotzdem zog er bei den für die LSAP verheerenden Kommunalwahlen 2017, als die Partei drei Sitze und den Bürgermeisterposten verlor, als Fünftgewählter in den Gemeinderat ein. Der Bruch mit der Partei war da bereits vollzogen. „Ich habe meine Konsequenzen aus den Kollektivvertragsverhandlungen gezogen. Kurz vor den Wahlen kam dann das Gerücht auf, ich würde danach direkt zur CSV wechseln. Das war gezielt gestreut worden. Ich lag 2015 auf dem OP-Tisch durch den Stress. Das wollte ich nicht noch mal. Aber ich wollte auch nicht ganz aufhören. Ich war gewählt, es war mein Sitz“, sagt Dan Codello. Er verließ die Partei, saß fortan als Parteiloser beziehungsweise in einem kurzen Intermezzo als Mitglied der paneuropäischen Volt-Partei im Gemeinderat. „Ich habe noch ganz gute Beziehungen zur LSAP Esch, aber nicht zu jedem“, sagt Codello heute. 

Du kanns e Waasserkapp hunn, awer keng dräi Kapen drop

Spätestens seit dem 1. März ist das alles Schnee von gestern. Codello will sich lieber an die heiteren Momente erinnern, wozu für ihn auch das Kapitel Heller zählt. Wochenlang hielten die Pläne des österreichischen Künstlers André Heller zur Neugestaltung des Brillplatzes die Stadt in den Jahren 2006 und 2007 in Atem. „Ich habe mir vor ein paar Wochen die Frage gestellt, wie der Marco-Polo-Artikel ausgefallen wäre, wenn wir das Heller-Projekt realisiert hätten. Heller ist zwar umstritten, aber bekannt. Das, was jetzt herausgekommen ist, ist schön, aber es redet niemand darüber. Heller wäre ein Wow-Effekt gewesen. Ich muss jedenfalls heute noch schmunzeln, wenn ich im Rathaus im dritten Stock am Heller-Modell vorbeigehe. Das hat immerhin 300.000 Euro gekostet.“ 

Die schönen und interessanten Momente der 20 Jahre überwiegen. Und ich will das nicht missen, weil ich auch sonst nicht all diese interessanten Menschen kennengelernt hätte“, zieht Dan Codello Bilanz. Selbst wenn sich das Image des Lokalpolitikers verändert hat. Der Aufwand und die Entschädigung dagegen kaum.  „Das ist kein ‚Benevolat‘, aber auch nicht bezahlt. Der Aufwand ist riesig.“ Er versteht nicht, weshalb Esch mit seinen inzwischen 36.000 Einwohnern noch immer lediglich 19 Gemeinderäte zählt: „Du kanns e Waasserkapp hunn, awer keng dräi Kapen drop.“

Eine Beziehung hat er wegen der Politik aufgegeben. Auf seine politische Laufbahn habe seine Homosexualität keinen Einfluss gehabt, sagt Codello. Trotzdem war er zu Beginn unsicher und ging zum Psychologen: „Ich habe Dr. Gleis gesagt, ich bin in der Politik und ich bin schwul. Ich wollte wissen, wie ich mich verhalten soll, denn damals gab es noch keinen Bettel oder Schneider in Spitzenpositionen. Er sagte: ‚Du musst dir das nicht auf die Stirn schreiben, aber wenn dich einer fragt, dann sei ehrlich.‘ Daran habe ich mich immer gehalten.“

Auch die berufliche Laufbahn blieb unbeeinflusst. Nach dem Abitur im LGE studierte Codello Geschichte und Politik, ohne einen Abschluss zu machen. Er arbeitete für die Luxair, ehe er in den Staatsdienst wechselte. Nun schlägt er ein neues Kapitel auf. Wieder im Dienste der Gemeinde. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die Großregion, die Partnerstädte, aber auch die Weiterverfolgung der Arbeit der Kommissionen werden die künftigen Aufgaben sein. Für seinen Nachfolger im Gemeinderat, Ben Funck, hält er folgenden Ratschlag bereit: „Er soll mit den Füßen auf dem Boden bleiben und am Anfang vielleicht mehr zuhören als reden. Und er muss die notwendige Distanz zu den Sachen bewahren, um sich eine eigene Meinung bilden zu können. Das gilt nicht nur für Ben, sondern für alle. Man darf nie vergessen, wo man herkommt.“

2014: Nachdem Lydia Mutsch Ministerin wurde, vereidigt Dan Kersch seine Parteikollegen Vera Spautz als Bürgermeisterin und Dan Codello als Schöffe. Codello hatte sich zuvor in einer umstrittenen parteiinternen Wahl gegen Taina Bofferding durchgesetzt.
2014: Nachdem Lydia Mutsch Ministerin wurde, vereidigt Dan Kersch seine Parteikollegen Vera Spautz als Bürgermeisterin und Dan Codello als Schöffe. Codello hatte sich zuvor in einer umstrittenen parteiinternen Wahl gegen Taina Bofferding durchgesetzt.