Montag27. Oktober 2025

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WickringenVon Hornbach bis GridX: Warum Luxemburg Werbung nie richtig geregelt hat

Wickringen / Von Hornbach bis GridX: Warum Luxemburg Werbung nie richtig geregelt hat
GridX lockt mit großen Werbebildschirmen Foto: Editpress/Julien Garroy

In Wickringen leuchtet entlang der Autobahn ein gigantischer Komplex aus Hotel, Büros, Einzelhandel und Entertainment: GridX. Die überdimensionierten Bildschirme fallen auf – dabei war diese Art der Werbung jahrelang im Großherzogtum unerwünscht. Ein Rückblick.

Am 18. September wurde GridX in Wickringen offiziell eingeweiht. Der gewaltige Gebäudekomplex vereint auf 42.000 Quadratmetern Gastronomie, Hotel, Büros, Geschäfte und Entertainment unter einem Dach. Mittelfristig sollen bis zu 800 Menschen bei GridX arbeiten. Der Standort der Großinvestition der Unternehmerfamilie Giorgetti liegt nicht irgendwo in der rund 3.000 Einwohner zählenden Gemeinde Reckingen/Mess, sondern gut platziert entlang der Autobahn A4, die Luxemburg und Esch miteinander verbindet. Die „Multi-Experience Destination“ lockt dabei mit gigantischen Bildschirmen, die ihresgleichen suchen. Von der Autobahnausfahrt, ebenfalls von Giorgetti gebaut, gelangt man ohne Umwege zum Familienprojekt.

Ganz bewusst wird GridX zum Hingucker, und dies an einer Stelle, wo die Autofahrer lieber den Blick auf der Straße lassen sollten. Dennoch stellen die Werbeanlagen laut Pressestelle der Straßenbauverwaltung keine Gefahr für den Verkehr dar. Das könnte jedoch damit zusammenhängen, dass die Autobahn mehr als 25 Meter von der Werbefläche entfernt verläuft, eine Erlaubnis ist demnach dort nicht erforderlich. Für die spezifische Werbung von animierten Bildern auf Bildschirmen gibt es keine offiziellen Richtlinien. Man orientiere sich an den Normen aus Österreich, sagt Ralph Di Marco von der Pressestelle.

Paul Hammelmann ist Präsident der „Sécurité routière“
Paul Hammelmann ist Präsident der „Sécurité routière“ Foto: Editpress/Tanja Feller

Für Paul Hammelmann, der seit fast 45 Jahren Präsident der „Securité routière“ ist, handelt es sich weniger um ein Problem der Verkehrssicherheit als um eine Frage des gesellschaftspolitischen Einflusses: „Die Menschen werden belästigt, wenn sie die ganze Zeit mit Werbung konfrontiert werden.“

Er fügt hinzu, dass die „Securité routière“ eine Konvention mit dem Staat habe, um ihre Kampagne auf Schildern entlang der Autobahn zeigen zu können, „mit der exklusiven Botschaft mit Bezug zur Verkehrssicherheit. Als die grüne Partei das Transportministerium innehatte, wurde schließlich auch Littering hinzugefügt“. Eine Produktplatzierung von Partnern sei nicht gestattet, sagt Hammelmann. Hinzu komme, dass die Schilder dem Staat gehören und der Staat trage demnach die Verantwortung.

Die Werbung und der Staat

Tatsächlich ist die elektronische Werbeanlage von GridX durch ihre Ausmaße entlang der Autobahn spektakulär und in dieser Hinsicht in Luxemburg einzigartig. Große Werbeflächen sind im Großherzogtum eher selten, und dies hat mit der nationalen Politik vor 40 Jahren zu tun. Die Regierung gab sich mit dem Gesetz vom 18. Juli 1983 über die Erhaltung und den Schutz von nationalen Stätten und Denkmälern und vor allem mit der dazugehörigen großherzoglichen Verordnung die Möglichkeit, Anfragen für Werbeanlagen abzulehnen.

Auch nachts leuchten die Bildschirme weiter
Auch nachts leuchten die Bildschirme weiter Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Ein prominentes Beispiel ist das Werbetotem von Hornbach in der Nähe der Autobahn A6. Im Jahr 1998 eröffnete die deutsche Baumarktkette ihren ersten luxemburgischen Standort in Bartringen. Dazu gehörte die für Hornbach übliche Anfrage zur Errichtung eines großen Werbepfahls, auf dem der Name der Firma prangen sollte. Während sich die Gemeinde über die Ankunft des Baumarkts und die wirtschaftlichen Folgen freute, war die „Commission des Sites et Monuments nationaux“ weniger erfreut über die Ausmaße des Werbeturms. In einem Gutachten schrieb sie damals, dass das Gesetz von 1983 zum Ziel habe, „eine unkontrollierte Verbreitung von riesigen und beleuchteten Werbetafeln zu verhindern, die sich durch ihre
Aggressivität“ auszeichnen und „den übermäßigen Einsatz auffälliger und greller Materialien und das Fehlen jeglicher Einheitlichkeit und Harmonie“.

Das Gutachten wurde anschließend an die damalige Kulturministerin Erna Hennicot-Schoepges (CSV) weitergeleitet, mit der Empfehlung, die Anfrage von Hornbach abzulehnen. Das geschah dann auch. Hornbach klagte daraufhin vor dem Verwaltungsgericht und bekam im Dezember 1999 recht. Das Gericht begründete die Entscheidung unter anderem damit, dass es dem Ministerium nicht zustehe, über Anfragen von Werbeflächen zu bestimmen, solange die Kriterien nicht präzise im Gesetz geregelt sind. Dies war im Gesetz von 1983 nicht der Fall. 

Es folgten etliche Prozesse von anderen Unternehmen, die ihre Werbung aufstellen wollten. Als Reaktion reichte die Kulturministerin am 17. Oktober 2000 ein Gesetzesprojekt ein, um wieder die Vormachtstellung bei der Werbungsfrage zu erlangen. Der Staatsrat schrieb in seinem Gutachten, die Autoren hätten unter „dem Einfluss besonderer Einzelfälle gehandelt, um dringend die geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu ändern“. Zudem verwies er unter anderem auf den Zweck von Werbung und die Gewerbefreiheit. Es blieb beim Projekt. 

Der Bürgermeister freut sich

Carlo Muller, Bürgermeister von Reckingen/Mess
Carlo Muller, Bürgermeister von Reckingen/Mess Foto: Paul Huybrechts

Erst 2014 versuchte die Regierung von DP, LSAP und „déi gréng“ mit dem Omnibus-Gesetz, Werbung stärker zu regulieren. Das Gesetz von 1983 wurde dementsprechend angepasst und die Gemeinde Reckingen/Mess passte im Juni 2016 im vorauseilenden Gehorsam ihr Bautenreglement in Bezug auf Außenwerbung an. Die finale Version des Omnibus-Gesetzes vom Jahr 2017 wurde jedoch bis dahin aufgeweicht, sodass am Ende nur noch Immobilienprojekte betroffen waren, die als Kulturgut eingestuft wurden. Mit dem Gesetz vom 25. Februar 2022 über das Kulturerbe wurde das Gesetz von 1983 endgültig aufgehoben. 

Für GridX bedeutet all dies: nahezu freie Bahn. Der Bürgermeister von Reckingen/Mess, Carlo Muller, zeigt sich im Gespräch mit dem Tageblatt erfreut über die Fertigstellung des Großprojekts, das er als „Kathedrale“ für Oldtimerfans beschreibt.

Eigentlich war auf derselben Fläche seit 1993 ein Shoppingzentrum geplant, welches nie umgesetzt wurde. Darauf folgte die Idee für das Autoparadies „Motorworld“ samt Kongresszentrum. Um die Kundschaft zu erhöhen, wurden der ursprünglichen Idee noch Boutiquen und ein Gastronomiebereich hinzufügt. Das Projekt überragte letztlich selbst die Grenzen, die im Bautenreglement der Gemeinde vorgesehen waren. „Wir haben dann das zulässige Volumen angepasst, damit das Hotel ein weiteres Stockwerk bekommen konnte“, erklärt Muller. Mit Blick auf die Werbeanlagen betont der Bürgermeister, dass diese Teil der Baugenehmigung waren. „Wir haben einen sehr guten Kontakt zu den Verantwortlichen von GridX“, fügt Muller hinzu, „wir haben ihnen auch mitgeteilt, dass abends die Lichtstärke reduziert werden sollte.“

Für die Gemeinde Reckingen/Mess stellt GridX einen großen Mehrwert dar: „Ohne GridX würden wir keine Tramhaltestelle bekommen.“ Dabei ist vor Ort kein neuer Auffangparkplatz geplant. „Es ist nicht gewollt, dass der Verkehr in den umliegenden Ortschaften zunimmt, weil alle zum Parkplatz fahren wollen“, erklärt Muller. Gleichzeitig wird ihm zufolge bei Veranstaltungen im GridX mit bis zu 10.000 Besuchern gerechnet, die mit der Tram anreisen könnten.

Kühe beobachten unseren Fotografen vor dem GridX-Komplex
Kühe beobachten unseren Fotografen vor dem GridX-Komplex Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante