Mittwoch5. November 2025

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DeutschlandVom Bröckeln der Brandmauer: Debatte über Migrationspolitik im Bundestag

Deutschland / Vom Bröckeln der Brandmauer: Debatte über Migrationspolitik im Bundestag
CDU-Chef Friedrich Merz (M.) schreitet im Bundestag an den rechtsextremen AfD-Abgeordneten – die ihm später zu einer Mehrheit für seinen Gesetzesvorschlag verhelfen – vorbei zum Rednerpult Foto: John MacDougall/AFP

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Im Bundestag ist es zu einer scharfen Debatte über weitere Schritte in der Migrationspolitik gekommen. Nachdem ein Unionsantrag eine Mehrheit mit AfD-Stimmen bekommen hatte, kam es zu einem weiteren heftigen Schlagabtausch im Parlament. Ein Tag mit Folgen.

Es werde seine wichtigste Rede im Wahlkampf, wenn nicht sogar überhaupt, heißt es vor Beginn der Sitzung des Bundestags aus dem Umfeld von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz. Seinen verschärften Asylkurs auch im Parlament zur Abstimmung zu stellen, soll der CDU-Chef im Alleingang durchgedrückt haben, so wird berichtet. Aber nicht jeder ist in seiner Fraktion darüber glücklich, dass Merz die Zustimmung der AfD in Kauf nehmen will.

Als es am Nachmittag losgeht im Parlament, bleiben dann auch einige Plätze leer bei der Union während der teils sehr hitzigen Debatte. Doch bevor Merz seinen Kurs erklären kann, muss er zunächst die Attacken des Kanzlers über sich ergehen lassen. In ruhigem, aber sehr scharfem Ton nimmt Olaf Scholz die Pläne seines Herausforderers in der Migrationspolitik auseinander und die Gleichgültigkeit des Oppositionsführers, ob die AfD diese Vorhaben unterstützt.

Politik in unserem Land ist doch kein Poker-Spiel. Der deutsche Bundeskanzler darf kein Zocker sein, denn er entscheidet im schlimmsten Fall über Krieg oder Frieden.

Bundeskanzler Olaf Scholz

BBei den Vorschlägen von CDU/CSU handele es sich um „Scheinlösungen, die unseren Rechtsstaat beschädigen und unsere Verfassung“, sagt Scholz. Er setzt noch einen drauf: Merz zocke, wenn er sage, bei dem Thema „all in“ gehen zu wollen – also wie beim Pokern. „Politik in unserem Land ist doch kein Poker-Spiel“, so Scholz. „Der deutsche Bundeskanzler darf kein Zocker sein, denn er entscheidet im schlimmsten Fall über Krieg oder Frieden.“ Das sitzt. Die SPD jubelt.

Merz mache zudem einen „unverzeihlichen Fehler“, indem er eine Mehrheit zusammen mit der AfD im Bundestag riskiere. Man müsse nun verhindern, dass es in Deutschland nach der Wahl zu einer Koalition zwischen Union und der AfD komme, warnt Scholz – dieses Gespenst malt der Kanzler klar an die Wand.

Auch kritisiert er die deutschen Behörden und macht sie mitverantwortlich. „Wir haben ein Vollzugsdefizit“, so Scholz. Denn alle vier Taten – in Mannheim, in Solingen, in Magdeburg und in Aschaffenburg – „hätten mit den bestehenden und von uns verschärften Gesetzen verhindert werden können.“ Starker Tobak.

Wir haben in Deutschland ein massives Problem der Ausländerkriminalität, vor allem unter den Asylbewerbern

Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz

Merz attackiert Scholz frontal

Merz wirkt zwischendurch getroffen. Auf dem Weg zum Rednerpult kühlt er wieder etwas runter, seine Rede wird aber keine mit besonderem Nachhall. Er beginnt erst leise, ruft dann aber: „Wir haben in Deutschland ein massives Problem der Ausländerkriminalität, vor allem unter den Asylbewerbern.“ Der Kanzler solle aufhören zu beklagen, dass die Gesetze in Deutschland so seien, wie sie sind, sondern er müsse sie im Zweifel ändern: „Sie sind doch nicht der Notar der Republik“, attackiert Merz – es gibt erstmals großen Applaus der eigenen Leute. Scholz wirkt versteinert.

Bei einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung habe das nationale Recht Vorrang, wischt er rechtliche Bedenken an den Unionsplänen beiseite. „Was muss eigentlich in Deutschland noch passieren? Wie viele Menschen müssen noch ermordet werden? Wie viele Kinder müssen noch Opfer solcher Gewalttaten werden?“, fragt Merz Scholz, „bevor Sie auch der Meinung sind, dass es sich hier um eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung handelt?“

Erst gegen Ende beschäftigt Merz sich mit der AfD. Es könne sein, dass die AfD am Freitag erstmalig die Mehrheit für ein notwendiges Gesetz ermögliche. Aber vor die Wahl gestellt, „weiter ohnmächtig zuzusehen“ oder jetzt „aufrechten Ganges das zu tun, was unabweisbar notwendig ist, vor diese Wahl gestellt, entscheide ich mich und entscheiden wir uns für diesen letztgenannten Weg.“

Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) spricht nach Merz von einem Schicksalstag. FDP-Chef Christian Lindner meint in seiner Rede, das Problem sei nicht, dass die AfD den Unionsplänen zustimme, sondern dass Grüne und SPD dies nicht täten. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht wirft den Grünen vor, „hauptverantwortlich“ für den Aufstieg der AfD zu sein.

Und die AfD selbst? Sie wähnt sich an diesem Tag am Ziel, der Brandmauer ein Ende gesetzt zu haben. Der anfangs ruhige Ton von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel wird aggressiver, als sie etwa von „Brandmauer-Toten“ spricht. Sie kündigt trotz AfD-Kritik im Unionsantrag Zustimmung an.

AfD-Politiker: „Jetzt beginnt etwas Neues“

Und so bekommt am Ende der Antrag der Union, der eine drastische Verschärfung der Asylpolitik fordert, eine denkbar knappe aber historische Mehrheit mit AfD-Stimmen: Für den Antrag stimmten 348 Abgeordnete, dagegen 345, zehn enthielten sich, wie Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt am Mittwochnachmittag mitteilt. In dem Antrag wird unter anderem gefordert, Flüchtlinge an den deutschen Grenzen abzuweisen – wobei der Antrag keine gesetzliche Wirkung hat. Ein zweiter Unionsantrag fällt durch und bekommt keine Mehrheit.

Nachdem das Ergebnis feststeht, wird es noch einmal turbulent im Parlament. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich beantragt in einem emotionalen Statement die Unterbrechung der Sitzung. Nach einem solchen Votum, dürfe man „nicht so einfach zur Tagesordnung“ übergehen, sagt er. Die Union sei „aus der politischen Mitte dieses Hauses ausgebrochen“. Merz weist das zurück und äußert Bedauern über das Ergebnis. „Ich suche in diesem Deutschen Bundestag keine anderen Mehrheiten als die in der demokratischen Mitte des Parlaments“, beteuert er.

Und dann geht der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, ans Mikrofon. Er bezeichnet das Abstimmungsergebnis als „wahrlich historischen Moment“. In Richtung von Merz sagt er: „Herr Merz, Sie haben geholfen, den hervorzubringen und jetzt gehen Sie ans Mikrofon und stehen hier mit schlotternden Knien und bibbern und entschuldigen sich und bedauern das.“ Das sei kein Kanzlerformat. Nun sei das Ende der „rot-grünen Dominanz“ in Deutschland gekommen. „Jetzt und hier beginnt eine neue Epoche. Jetzt beginnt etwas Neues. Und das führen wir an“, sagt der AfD-Politiker. „Sie können folgen, Herr Merz, wenn Sie noch die Kraft dazu haben.“

RCZ
30. Januar 2025 - 13.54

Olafs Kanzlerchancen steigen!

Grober J-P.
29. Januar 2025 - 23.25

Es ist einfach zum Kotzen. Vater und Onkel Nékel würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie das mitbekämen. Die sahen rot beim Anblick von "Gielemännercher"!