UngarnViktor Orban will seine Macht lebenslang zementieren

Ungarn / Viktor Orban will seine Macht lebenslang zementieren
Will den langfristigen Machterhalt seiner Partei sichern: Viktor Orban Foto: AFP/Attila Kisbenedek

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Ungarns autoritär gestrickter Dauerpremier Viktor Orban wittert neue Morgenluft. In Europa gewinnen gleichgesinnte Nationalpopulisten an Einfluss. Und im eigenen Land hofft er, mit einem Souveränitätsgesetz der ebenso gegängelten wie zerstrittenen Opposition endgültig das Wasser abzugraben.

Europas prominentester Störenfried wittert wieder Morgenluft. Die „Winde des Wandels sind hier“, triumphierte Ungarns autoritärer Dauerpremier Viktor Orban nach dem Wahlsieg des niederländischen Gesinnungsgenossen Geert Wilders in Anlehnung an den Scorpions-Gassenhauer Anfang der 90er Jahre.

Tatsächlich fühlen sich EU-skeptische Rechtspopulisten trotz des Machtverlusts der polnischen PiS europaweit im Aufwind. Ihr ungarisches Vorbild will die Macht seiner Fidesz-Partei im eigenen Land gar auf Lebenszeit zementieren. Er habe eine neue Generation von Fidesz-Politikern „ausgebildet“, die in der Lage sei, das Land nach 2030 bis 2060 zu führen, verkündet das mittlerweile 60-jährige Politfossil voller Tatendrang. Es sei „höchst fraglich“, ob die Partei ohne Orban ihre Erfolgsserie fortsetzen könne, meint hingegen das Nachrichtenportal „index.hu“: Es gebe derzeit keinen Fidesz-Politiker hinter Orban, der einen ähnlichen Einfluss habe wie er.

Doch Ungarns gebeutelte Opposition kann kaum auf den ohnehin noch nicht absehbaren Abtritt des energiegeladenen Politveteranen hoffen. Denn der machtbewusste Solist mauert eifrig weiter an den Fundamenten für den langfristigen Machterhalt seiner Partei. An Orbans nur mit einer Zweidrittelmehrheit zu ändernden Verfassungserbe werden künftige Politikergenerationen noch lange zu knabbern haben – genauso wie an dem genau nach dem Maß von Fidesz geschneiderten Wahlrecht.

Gegängelte Opposition

Rechtzeitig vor den Europa- und Kommunalwahlen im nächsten Jahr legt Orban der gegängelten Opposition mit einem vage formulierten „Gesetz zum Schutz der nationalen Souveränität“ nun neue Daumenschrauben an. Künftig soll ein „Amt für die Souveränität“ darüber wachen, ob Parteien, Bürgerrechtsgruppen oder Einzelpersonen durch aus dem Ausland erhaltene Unterstützung die „Souveränität verletzen“. Wird von der Justiz auf Antrag des Amts ein Strafverfahren eröffnet, können selbst Haftstrafen von bis zu drei Jahren drohen.

„Wir wollen den linken Journalisten, Pseudo-Bürgerrechtlern und Dollar-Politikern einheizen, die das Interesse amerikanischer Milliardäre oder Brüsseler multinationaler Firmen vertreten“, so Fidesz-Fraktionschef Mate Kocsis letzte Woche bei der Vorstellung der Gesetzesvorlage im Parlament: „Wir möchten denen das Leben schwermachen, die unsere Heimat für Dollars verkaufen.“ Sie werde keinesfalls von ausländischen Mächten, sondern von Exil-Ungarn im Ausland unterstützt, so die Opposition. Kritiker wittern in dem Gesetz denn auch vor allem ein neues Instrument der Regierung, um nicht nur die missliebige Oppositionskonkurrenz, sondern auch kritische Medien und Bürgerrechtsgruppen nach Belieben schikanieren und kalt stellen zu können.

Dass der Opposition bei den Kommunalwahlen im nächsten Frühjahr auch noch der Verlust ihrer Hochburg Budapest droht, ist allerdings weniger Folge neuer Repressionen als ihrer Uneinigkeit. Nur bei einem geeinten Auftritt hätte die Opposition gegen die übermächtige Fidesz-Partei eine Chance. Doch im Gegensatz zu den Bürgermeisterwahlen 2019 und den Parlamentswahlen 2022 dürfte die zerstrittene Opposition kaum mehr mit einem gemeinsamen Wahlbündnis in die Kommunal- und Europawahlen ziehen.

Ungarns Wahlsystem ist ein Mix aus Verhältnis- und Mehrheitswahl – und bevorzugt klar die stärkste Partei: So fuhr Fidesz beispielsweise bei der Wahl 2018 mit nur 46 Prozent der Stimmen über zwei Drittel der Parlamentssitze ein. Bei den Bürgermeisterwahlen 2019 gelang es der Opposition, sich in einigen Städten auf gemeinsame Kandidaten zu verständigen, um eine Zersplitterung ihrer Stimmen zu verhindern. Überraschend entthronte damals der grün-linke Herausforderer Gergely Karacsony den damaligen Fidesz-Bürgermeister von Budapest.

Kampf ums Budapester Rathaus

Mit dem in Budapest erfolgreich getesteten Modell eines breiten Bündnisses von der sozialistischen MSZP bis hin zur rechtsnationalen Jobbik mühte sich die Opposition, bei der Parlamentswahl 2022 auch die landesweite Vorherrschaft von Fidesz zu brechen. Doch der Versuch scheiterte kläglich: Vor allem wegen der starken Verluste von Jobbik, deren rechtsextreme Ex-Stammwähler weder den Schulterschluss mit dem linksliberalen Lager noch die Umwandlung in eine konservative Volkspartei mittragen wollten, legte Fidesz selbst kräftig zu.

Den Kampf um das Budapester Rathaus könnte die Opposition vermutlich auch ohne Jobbik gewinnen. Doch auch die Parteien des linksliberalen Lagers sind sich nicht mehr grün. Vor allem in den Reihen der liberalen Momentum-Partei, aber auch der grünen LMP und der sozialistischen MSZP mehrt sich die Kritik an der sozialdemokratischen DK des umstrittenen Ex-Premiers Ferenc Gyurcsany als Symbol von „Ungarns korrupter Politikkultur“.

Doch ohne ein gemeinsames Bündnis mit der dominanten, aber gut organisierten DK sagen unabhängige Analysten der Opposition sowohl bei den Europa- als auch Kommunalwahlen ein Debakel voraus: Da die meisten der kleineren Oppositionsparteien an der Fünfprozenthürde zu scheitern drohen, dürften ohne eine Bündelung der Kräfte zehn bis zwölf Prozent der Stimmen verloren gehen.