„Natürlich erfordert der Wiederaufbau der EU-Verteidigungsfähigkeiten dringende und erhebliche Investitionen: Dies war das zentrale Thema des heutigen Treffens“, fügte Dombrovskis hinzu. Dafür soll es den EU-Mitgliedstaaten erlaubt werden, „vorübergehend von den normalen Haushaltsanforderungen abzuweichen“. Laut Dombrovkis will eine große Mehrheit der EU-Mitglieder die für ein höheres Defizit nötige Aktivierung der nationalen Schutzklauseln des Stabilitäts- und Wachstumspakts „in Erwägung ziehen“. Dies hätten die Diskussionen am Samstag ergeben.
Dazu soll das neue Kreditinstrument „Sicherheitsmaßnahmen für Europa“ (Safe) in Höhe von 150 Milliarden Euro kommen. „Dadurch können die Mitglieder Kredite für Investitionen in wichtige Verteidigungssektoren wie Munition, Raketen, Drohnen und Cybersicherheit vergeben“, sagte Dombrovskis. Auch sollen Finanzierungen der Privatwirtschaft im Rüstungsbereich unterstützt und erleichtert werden.
Noch am Freitag hatte Donald Trumps erratische Zollpolitik das informelle Treffen in Warschau, bei dem keine Beschlüsse gefasst wurden, beherrscht. Zwar wurden die Strafzölle gegen die EU am Mittwoch für 90 Tage sistiert. Allerdings gilt weiterhin für Güter aus aller Welt ein Importzoll von 10 Prozent. Dazu kommen im Falle der EU Stahl-, Aluminium und Autoeinfuhr-Strafzölle von 25 Prozent, wie EU-Finanzkommissar Valdis Dombrovskis in Warschau zum Auftakt des Treffens klagte.
Ernsthafte und konstruktive Verhandlungen
„Wir treffen uns zu einem sehr wichtigen Zeitpunkt für den EU- und Weltmarkt, aber auch die Sicherheit“, betonte der polnische Gastgeber Domanski. Vor allem aber gelte es nun, „diese 90-Tage-Frist weise einzusetzen“, forderte Domanski. Der amtierende deutsche Finanzminister Jörg Kukies forderte zu Beginn des Austauschs in der erweiterten Euro-Währungsgruppe am Freitagvormittag eine differenzierte Antwort der EU mit allfälligen Gegenzöllen. So sei die EU etwa hochgradig von amerikanischen Digitaldienstleistungen abhängig. Noch aber sei das Glas eher halbvoll als halbleer, sagte Kukies.
„Die Verunsicherung ist mit Händen greifbar“, fasste die erstmals an so einem EU-Treffen teilnehmende schweizerische Finanzministerin Karin Keller-Sutter im persönlichen Gespräch ihre Eindrücke vom Freitag zusammen. Die helvetische Finanzministerin hat dieses Jahr die turnusgemäße Präsidentenrolle der Schweiz inne und konnte so am Mittwoch rund 25 Minuten mit Trump direkt telefonieren. Keller-Sutter setzt nun vor allem darauf, dass Trump sich weiterhin lösungsorientiert zeigt, wie er dies in dem Telefongespräch vom Mittwoch getan habe. „Das Gespräch war konstruktiv“, erzählt Keller-Sutter. Sie habe vor allem auf die hohen Schweizer Investitionen in den USA hingewiesen, immerhin sei man die Nummer vier im Manufacturing-Bereich.
Auch am Freitag demonstrierten Gastgeber Domanski und EU-Finanzkommissar Dombrovskis vor der Presse Einheit und Stärke. „Wir wollen ernsthafte und konstruktive Verhandlungen“, sagt der Pole. Die EU werde die Ruhe bewahren, aber ihre Wirtschaftsinteressen verteidigen, drohte Dombrovskis. Zuvor hatte der Lette am Freitagnachmittag EU-Berechnungen präsentiert, die zeigen, dass die USA unter den von Trump angedrohten Strafzöllen bis 2027 weit mehr leiden wird als die EU. „Noch gibt es eine auf international anerkannten Regeln basierende Ordnung“, sagt Dombrovskis. Das klingt stark, und dennoch ist es auch ein Hilferuf.
De Maart
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