Die genuschelten Worte des wuchtigen Würdenträgers haben im Vielvölkerstaat Bosnien-Herzegowina Gewicht. Ob als Premier oder Präsident des Teilstaates der Republika Srpska oder als serbisches Mitglied von Bosniens dreiköpfigen Staatspräsidium: Seit über zwei Jahrzehnten teilt der frühere Basketballer Milorad Dodik bei den bosnischen Serben die Karten aus.
Seinem Ruf als der gewiefteste Krisentreiber in Bosniens vertrackten Politlabyrinth wird der 65-Jährige auch im neuen Jahr gerecht: Seit Bosniens Oberster Gerichtshof den russophilen Chef der SNSD am Mittwoch in erster Instanz zu einer Haftstrafe von einem Jahr verdonnerte, droht Dodik wieder einmal dunkel mit einer Sezession der von ihm derzeit als Teilstaatspräsident geführten Republika Srpska. „Bosnien und Herzegowina gibt es nicht mehr“, donnerte er unmittelbar nach der Urteilsverkündung seinen Anhängern zu.
Dodik liegt an Macht und Geld, er benötigt keinen Krieg: Er setzt auf die Strategie, Bosnien und Herzegowina langfristig auszuhöhlen und so sinnlos zu machen
Das Überschreiten und Austesten von Grenzen zur Stärkung der Zuständigkeiten seines Teilstaates und zur Schwächung des Zentralstaates sind ebenso Markenzeichen des serbischen Nationalisten wie seine regelmäßigen Sezessionsdrohungen und seine wiederholten, aber bislang folgenlosen Ankündigungen eines Unabhängigkeitsreferendums. Dodik komme der Zustand einer permanenten Krise zupass, glaubt der Analyst Srdjan Puhalo in Banja Luka: „Dodik liegt an Macht und Geld, er benötigt keinen Krieg: Er setzt auf die Strategie, Bosnien und Herzegowina langfristig auszuhöhlen und so sinnlos zu machen.“
Seit Ende des Bosnienkriegs (1991-1995) hat der sogenannte Oberste Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft (OHR) als eine Art Oberschiedsrichter im zerstrittenen Vielvölkerstaat über die Einhaltung des Dayton-Friedensvertrags zu wachen. Dodiks Versuch, mit zwei von ihm 2023 abgesegneten Gesetzen die von ihm als „kolonialistisch“ kritisierten OHR-Verfügungen auf dem Territorium der Republika Srpska eigenmächtig außer Kraft zu setzen, könnte dem Strippenzieher nun ein Berufsverbot bescheren.
Dodik tobt – und droht. Es ist weniger die einjährige Haftstrafe, von der sich der steinreiche Unternehmer für umgerechnet 18.500 Euro problemlos freikaufen könnte, als das sechsjährige Verbot, ein öffentliches Amt zu begleiten, das den machtbewussten Vollblutpolitiker auf die Barrikaden ziehen lässt: Mit Hilfe des von seiner SNSD kontrollierten Regionalparlaments will er die Justiz- und Polizeiorgane des Zentralstaates in der Republika Srpska für verfassungswidrig erklären und verbieten lassen.
Pflichtschuldig haben sich seine Schutzherren in Belgrad, Budapest und Moskau in ersten Reaktionen solidarisch mit dem vermeintlichen Justizopfer erklärt. Belgrad stehe an der Seite Dodiks, versichert Serbiens Präsident Aleksandar Vucic. Ungarns Premier Viktor Orban spricht von einer „Hexenjagd“. Das russische Außenministerium warnt vor den „katastrophalen Folgen“ der „Verfolgung“ von Dodik durch die „Justizmarionetten des Westens“.
Begrenzte Unterstützung
Doch nicht nur Vucic hat Dodik öffentlich ausdrücklich zum „Dialog“ ermahnt. Von der neu erwachten Sympathie Washingtons für autoritär gestrickte Regenten scheint der von den USA schon seit Jahren sanktionierte Dodik weiter ausgenommen. Als Rückschlag muss der erklärte Trump-Fan die am Donnerstag verbreitete Erklärung des US-Außenministeriums empfunden haben: Washington unterstütze das Urteil und widersetze sich jeder Aktion „lokaler Leader“, die die Sicherheit Bosniens und der Region gefährden könne.
Die Unterstützung für Dodik scheint selbst in der Republika Srpska begrenzt. Die Oppositionsparteien im Teilstaat, die sich früher im vermeintlich nationalen Interesse regelmäßig vor den Karren des SNSD-Chefs spannen ließen, sprechen nun zwar auch von einem „politischen Urteil“, doch blieben der Solidaritätskundgebung für Dodik auffällig fern. Eine „Beruhigung der Spannungen und Emotionen“ fordert der oppositionelle Bürgermeister von Banja Luka, Drasko Stanivukovic: Gesetze zum Verbot der nationalen Justizorgane könnten zu „gewissen Konflikten“ führen.
Politik-Chamäleon Dodik hat mittlerweile zwar Gesprächsbereitschaft signalisiert, will gleichzeitig aber das Regionalparlament die von ihm anvisierte Verbannung der nationalen Justizorgane aus dem Teilstaat vorantreiben lassen. Sein Anwaltsteam bringt mittlerweile die von Dodik zunächst ausgeschlossene Einlegung einer Berufung ins Gespräch. Gewohnt widersprüchlich findet das Webportal klix.ba Dodiks Gebaren: „Wenn er das Gericht nicht anerkennt, warum will er dann gegen dessen Urteil Berufung einlegen lassen?“
De Maart
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