„Die Bahn kam mit großer Geschwindigkeit die Straße herunter und krachte dann gegen die Hauswände“, berichtete ein Augenzeuge. „Wir sind alle hingerannt und haben geholfen, die Fahrgäste zu retten.“ Die ersten Helfer sahen sich einem Horrorszenario gegenüber: Die Bahnkabine war komplett zertrümmert. In dem Wrack sahen sie Menschenleiber, die sich nicht mehr bewegten und Verletzte, die um Hilfe schrien.
Am Tag nach dem Unglück auf der weltberühmten und historischen Standseilbahnlinie mit dem Namen Elevador da Glória steht Lissabon immer noch unter Schock. Die Flaggen an städtischen Gebäuden hängen auf halbmast. Es war das bisher schwerste Unglück in der Geschichte des Nahverkehrs der portugiesischen Hauptstadt.
Die abschüssige Straße Calçada da Glória, auf der sich die Tragödie am frühen Mittwochabend gegen 18 Uhr Ortszeit ereignete, ist auch am Donnerstag abgesperrt. Bis tief in die Nacht hatten die Bergungsarbeiten gedauert. Viele Opfer waren im Stahlgewirr und unter den Trümmern eingeklemmt worden.
Spezialisten auf Spurensuche
Nach dem Ende der Rettungsarbeiten begannen Spezialisten der Polizei mit der Spurensicherung und der Suche nach der Ursache des Unfalls. Erste Hinweise deuten auf einen technischen Fehler und auf Schlamperei bei der Wartung hin. Der Kripo-Chef in Lissabon, João Oliveira, sagte im portugiesischen Fernsehen, dass es keine Hinweise auf einen Sabotage- oder Terrorakt gebe.

Die historische Standseilbahn war eine beliebte Touristenattraktion. Entsprechend sind unter den Opfern viele ausländische Urlauber. Ein deutscher Familienvater sei umgekommen, seine Frau und sein dreijähriges Kind sollen verletzt worden sein, berichtete das Fernsehen.
Die offizielle Identifizierung aller Toten und Verletzten war am Donnerstag noch im Gange. Bestätigt wurde aber bereits, dass sich auch der portugiesische Bahnangestellte, der die Kabine steuerte, unter den Toten befindet. Das spanische Außenministerium meldete zwei verletzte Spanier.
Jahrhundertealte Touristenattraktion
Bei dem vom Unglück betroffenen Transportsystem handelt es sich um eine Standseilbahn, die erstmals im Jahr 1885 in Betrieb genommen wurde. Sie überwindet die steile Straße Calçada da Glória und verbindet den Platz Praça dos Restauradores im unteren Teil Lissabons mit dem höhergelegenen Garten Jardim de São Pedro de Alcântara – ein beliebter Aussichtspunkt mit schönen Panoramablicken über die Innenstadt, zu Lissabons Castelo de São Jorge und zum Fluss Tejo.

Die Standseilbahn besteht aus zwei Wagen auf parallelen Schienen, die über ein Stahlseil verbunden sind. Während der eine Wagen talwärts fährt, zieht er den anderen bergauf – ein Gegengewichtssystem. Die Streckenlänge beträgt 265 Meter, die durchschnittliche Steigung liegt bei 18 Prozent. In jeden Wagen passen bis zu 45 Fahrgäste. Die Bahnstrecke mit dem Namen Elevador da Glória ist eines der Wahrzeichen Lissabons und ist seit 2002 als Nationaldenkmal geschützt.
Bereits 2018 entgleiste die Bahn aufgrund eines technischen Fehlers, aber damals gab es keine Opfer. Doch auch damals kamen schon Vorwürfe auf, dass die Seilbahn nicht sicher sei. Nach der Tragödie an diesem Mittwochabend berichteten Augenzeugen, dass zunächst der an der unteren Station stehende Wagen plötzlich einige Meter abgesackt sei. Kurz darauf raste der Gegenwagen von oben völlig außer Kontrolle die Steilstrecke hinab, schrammte an den Wänden entlang und krachte in der Kurve mit voller Wucht gegen ein Gebäude.
Wartung durch externes Unternehmen
Vor allem die Wartung der Bahn steht nun im Fokus. Seit 14 Jahren wird sie nicht vom städtischen Bahnbetreiber Carris, sondern von einem externen Unternehmen durchgeführt. Carris verteidigt sich in einer Erklärung gegen Vorwürfe: „Das Wartungsprotokoll wurde skrupulös eingehalten.“ Gewerkschaften hingegen berichten von Beschwerden der Beschäftigten – etwa zur mangelnden Spannung der Stahlseile, mit denen die Bahnen gezogen werden.
Nach dem verheerenden Unglück bleiben also drängende Fragen, wie etwa diese: Hat ein Seil- oder Bremsversagen das Unglück ausgelöst? Waren die Sicherheitsprotokolle ausreichend und wurden sie korrekt umgesetzt? Wurden Warnsignale ignoriert? Bis die Ermittler für Klarheit sorgen, bleiben der Elevador da Glória und zwei weitere Stadtseilbahnen in Lissabon außer Betrieb.
Unterdessen legten am Donnerstag Bürger und Stadtbesucher vor der Absperrung des Unglücksortes Blumen und Kerzen ab. Ein Bild, das Lissabons touristisches Symbol und Wahrzeichen zu einer Stätte der Trauer macht.
De Maart
@Nomi: Ist mir schon klar, dass ein klassisches Notbremssystem, wie es normalerweise bei Standseilbahnen installiert ist in diesem Fall - wegen der Rillenschienen - nicht anwendbar ist.
Leider habe ich bislang keine detaillierte technische Dokumentation zu dieser Bahn gefunden, sollte sie jedoch tatsächlich ohne Notbremssystem betrieben worden sein, so wäre das absolut unverantwortlich.
Zwar handelt es sich um eine historische Bahn, allerdings wurde sie enorm stark frequentiert.
Bei deser aaler Kutsch sinn keng No'ut-Bremsbaacken ob den Schinnen, well d'Schinnen komplett an der Strooss lei'en. Et ass also net wei' bei engem Lift oder beim Pafendall-Funicular!
Daat eenzegt waat hei d'Kabinnen unhaellt ass den Kabel, an wann deen rei'sst, dann geht et an der eischter Kei'er an d'Mau'er !
Di eng Kabinn steht ennen an ass onbeschiedegt. Also ass di aaner Kabinn vun ganz uewen, mat Karacho eroofgeduest, ongebremmst !
Allen betroffenen Familienangehörigen gilt mein tiefstes Mitgefühl.
Dem Ergebnis der - hoffentlich seriösen und transparenten - Untersuchung kann man selbstverständlich nicht vorgreifen, auch, wenn erste Berichte zu Mängeln bereits Böses erahnen lassen. Grundsätzlich sind Standseilbahnen und Seilbahnen, auch ältere Anlagen, sehr sichere Transportmittel, vorausgesetzt, sie werden kontinuierlich mit der nötigen Sorgfalt gewartet und verschlissene Teile ausgetauscht. Ist dies nicht der Fall, sind grössere Katastrophen lediglich eine Frage der Zeit, wie etwa vor einigen Jahren am italienischen Monte Mottarone, wo die Seilbahn mit einer bewusst blockierten Tragseilbremse verkehrte.