18. Dezember 2025 - 6.39 Uhr
Akt.: 18. Dezember 2025 - 7.06 Uhr
Chamber-Debatte zum Budget 2026„Verstoppte Lächer“ in der „Mogelpackung“
„Kann es sein“, ruft Laurent Zeimet in Richtung des Rednerpults, „dass die LSAP ihr soziales Herz immer dann entdeckt, wenn sie in der Opposition ist?“. Taina Bofferding, die gerade ihre Rede zum Haushalt 2026 gehalten hat, ist perplex. „Ist das eine ernst gemeinte Frage?“
Dieser kurze Austausch zwischen den beiden Fraktionspräsidenten von CSV und LSAP gibt ein gutes Bild ab für diesen langen Tag in der Chamber. Die Abgeordneten debattieren an diesem Mittwoch acht Stunden lang über den Budgetentwurf von Finanzminister Gilles Roth (CSV). Die Redner der Mehrheitsparteien CSV und DP folgen grob der Stoßrichtung des Berichterstatters Maurice Bauer (CSV) vom Vortag: Sie loben die sozialen Aspekte des Budgets, die Summen für Sozialtransfers, vor allem aber den jüngst vorgestellten Aktionsplan zur Bekämpfung von Arbeit.
In seiner ersten Rede als Fraktionsvorsitzender der CSV sagt Zeimet: „Wir stärken mit diesem Budget die soziale Kohäsion.“ Der Nachfolger von Marc Spautz betont in seiner Rede besonders die zweite Hälfte des „Christlich-Sozialen“. Auch DP-Fraktionschef Gilles Baum geht als erstes auf den Aktionsplan zur Armutsbekämpfung ein, für ihn trägt das Budget eine „sozial-liberale Handschrift“, Parteikollegin Carole Hartmann sieht darin ein „Zeichen starker Sozialpolitik“.

Die Opposition lässt das nicht unkommentiert durchgehen. David Wagner („déi Lénk“) bezeichnet die 46 Prozent Sozialausgaben im Budget als „Mogelpackung“. In Wahrheit seien es gut zehn Prozent weniger, wenn man beispielsweise die Subventionen für Betriebe und die Ukrainehilfe abziehe, die die Regierung zu den Sozialtransfers zähle, so Wagner. LSAP-Fraktionschefin Bofferding, die sich dafür später Zeimets Bemerkung über das soziale Herz ihrer Partei einholt, kritisiert den Armutsaktionsplan sowie die Verschärfung des Platzverweises. Der Regierung fehle ein „sozialpolitisches Gesamtpaket“, das Ursachen bekämpfe.
Reformen, Ausgaben und Löcher
Auch Finanzminister Roth geht am Morgen der Debatte auf den Aktionsplan ein. Das Budget stehe für Stabilität statt Unsicherheit, Mitte statt Extreme und Armutsbekämpfung statt Gleichgültigkeit. Roth zeigt sich vorsichtig optimistisch. Laut Statec sinke das Armutsrisiko langsam, die Arbeitslosenquote verbessere sich. Bofferding kann diese Perspektive später nicht teilen. Die LSAP-Fraktionschefin kritisiert einmal mehr die „Voodoo economics“ der Regierung, Wachstum und Steuereinnahmen durch Steuersenkungen zu schaffen. „Wachstum allein garantiert keine soziale Gerechtigkeit“, sagt Bofferding.
Die LSAP ist an diesem Tag nicht die einzige Oppositionspartei, die den Optimismus des Finanzministers nicht versteht. „Dieses Budget ist ein Dokument der Hilflosigkeit, Sie versuchen Löcher zu stopfen, wenn der Damm am Brechen ist“, sagt der Piratenabgeordnete Sven Clement in Richtung des Finanzministers. Für die Grünen und ihre Rednerin Sam Tanson markiert das Budget einen politischen Schwenk von ernsthafter Zukunftsgestaltung hin zu „diese Regierung über die nächste Wahl bringen“.
Tanson zielt in ihrer Rede ohne viel Umschweife auf die „verstoppte Lächer“ im Budget. In den vergangenen Wochen hatte neben Oppositionspolitikern auch die Handelskammer kritisiert, dass weder die Kosten für erhöhte Verteidigungsausgaben noch die geplante Steuerreform in der mehrjährigen Finanzprognose des Haushaltsentwurfs berücksichtigt worden seien. Finanzminister Roth (CSV) kündigt am Morgen an, die einheitliche Steuerklasse sei am Dienstag vom Regierungsrat angenommen worden und werde der Finanzkommission und der Öffentlichkeit am 6. Januar präsentiert. Laut Roth sollen sich die Kosten der Reform auf 880 Millionen Euro belaufen, gegenfinanziert durch eine Nicht-Anpassung der Steuertabelle an die Inflation.

Das sei keine Gegenfinanzierung, entgegnet Tanson am Mittag: „Et kann een net eppes mat eppes géigefinanzéiren, wat iwwerhaapt net budgetiséiert ass.“ Auch bei der Verteidigung, so die Grünenabgeordnete, müssten zwischen 2026 und 2029 zwischen einer und zwei Milliarden Euro vorgesehen werden, wolle man sich progressiv an die 3,5-bzw.-5-Prozent-Ziele der NATO heranarbeiten. „Steet awer och alles net am Pluriannuel“, sagt Tanson. Genauso wenig wie 400 Millionen Euro zusätzliche Kosten im Jahr 2027 aus dem Armutsplan.
Der Finanzminister verteidigt seine Planung. „Das Budget entspricht der aktuellen Beschlusslage der Regierung“, sagt Roth. Die liege bei den Verteidigungsausgaben eben beim Zwei-Prozent-Ziel. Und die Kosten für die Steuerreform seien nicht in den Haushalt eingeflossen, weil der diesbezügliche Gesetzentwurf noch nicht vorliege. Die finanziellen Auswirkungen der Reform, versichert der Minister der Chamber, würden im Gesetzesprojekt festgelegt werden. Taina Bofferding zeigt kein Verständnis für Roths Argumentation. Die LSAP-Politiker hält entgegen, bei RTL liefe ja auch schon Werbung für die „Defence Bonds“, und die seien auch noch nicht als Gesetz gestimmt (das wurden sie erst am Abend). Sam Tanson zieht am Ende ein vernichtendes Fazit: „Es fehlt enorm viel in diesem Budget, und trotzdem steht unter dem Strich ein strukturelles Defizit.“
Wir haben unsere Schulden im Griff
Auch das weiß der Finanzminister an diesem Tag zu verteidigen. Es sei „ein Defizit, das sich ergibt aus den Herausforderungen des Moments.“ Luxemburg habe 2026 die zweitniedrigste Schuld in der Eurozone 2026. Roth klopft auf Holz: „Wir haben unsere Schulden im Griff.“ Ihm spricht DP-Redner André Bauler zu: Die Maastricht-Kriterien der EU würden eingehalten, man habe noch „bëssche Sputt“. ADR-Fraktionschef Fred Keup hingegen nutzt die Schuldenfrage, um zum Angriff auf die CSV überzugehen, dem Hauptkonkurrenten seiner Partei im konservativen Mileu. „Was ist anders als bei Gambia? Wo ist der CSV-Einfluss? Wir sehen ihn nicht.“
Neue Geldquellen gesucht
Auch eine verlässliche Einkommensquelle des Staates wird an diesem Debattentag von fast allen Rednern aufs Korn genommen: die Tabaksteuer. „Der Staat selbst ist abhängig geworden“, sagt Clement. Ein Fakt, den der Finanzminister nicht abstreitet. 2026 rechnet Roth mit Einnahmen von 1,5 Milliarden Euro. Gegen die EU-Pläne zu einer Besteuerung nach Wirtschaftskraft will sich der Minister in Brüssel auflehnen. Es handle sich dabei um einen „Präzedenzfall, der nicht im Interesse dieses Landes“ sei, so Roth. „Die Leute, die auf diese Einnahmen verzichten wollen, sollen mir sagen, wo sie diese Milliarde sonst einsparen wollen.“
Vorschläge für neue Einnahmen gibt es aus der Opposition, zum Beispiel durch die höhere Besteuerung von reichen Einkommen. CSV-Fraktionschef Zeimet ist dagegen: „Breite Schultern zahlen heute schon mehr Steuern als schmale Schultern.“ Für die LSAP-Fraktionspräsidentin Bofferding ist ein Geschäftsmodell, das auf den Tabaksteuereinnahmen basiert, nicht länger haltbar – angesichts der Pläne für eine „génération sans tabac“, den Gesundheitsschäden und den Kosten für das Gesundheitssystem. Der Rechnungshof schätzt diese auf 850 Millionen Euro im Jahr. „Wir brauchen neue Geldquellen“, sagt Bofferding. Sie fordert die Regierung auf, sich dieser Diskussion nicht zu verschließen und „proaktiv die Köpfe zusammenzustecken“.
Am Abend werden sowohl die Gesetzesentwürfe zum Budget 2026 als auch zur mehrjährigen Finanzprognose bis 2029 mit den 34 Ja-Stimmen von CSV und DP gegen 25 Nein-Stimmen der Opposition angenommen.
„Defence Bonds“, Steuerkredite für „Business Angels“ und eine Frauenquote
Neben dem Haushalt 2026 stimmte die Chamber an diesem Mittwoch noch weitere Gesetze. Dazu gehört eine jährliche Zuwendung von jeweils 20 Millionen für die Finanzaufsichtsbehörde (CSSF) und zwei Millionen für die Versicherungsaufsichtsbehörde („Commissariat aux assurances“). Diese Summen seien notwendig, um den wachsenden Anforderungen an die Behörden gerecht zu werden und den unabhängigen Institutionen die nötige Planungssicherheit zu geben, so Berichterstatter Michel Wolter (CSV).
Ebenfalls von der Mehrheit angenommen wurde ein Steuerkredit für „Business Angels“ – Privatpersonen, die in Start-ups investieren. Diese „Steuerbelohnung“, so Berichterstatter Laurent Mosar, könne maximal 20 Prozent des investierten Kapitals umfassen, mit einem Deckel von 100.000 Euro pro Jahr.
Des Weiteren wurde ein Gesetz gestimmt, das den Datenaustausch zwischen Steuerverwaltung und Kataster- und Vermessungsamt (ADT) erlaubt – eine wichtige Grundlage für das Funktionieren der Mobilisierungs- und Leerstandssteuer. Auch für die „Defence Bonds“, Staatsanleihen in Höhe von 150 Millionen Euro zur Finanzierung der Verteidigungsausgaben, wurde am Mittwochabend eine gesetzliche Grundlage geschaffen. Für private Anleger werden die Zinsgewinne aus den „Defence Bonds“ komplett steuerfrei sein.
Zu guter Letzt wurde die EU-Richtlinie „Women on Boards“ in luxemburgisches Gesetz gegossen, die eine Geschlechterbalance in Verwaltungsräten festlegt. In Zukunft müssen mindestens 33 Prozent aller Direktorenposten mit dem unterrepräsentierten Geschlecht besetzt werden. Das Gesetz gelte nicht für klein- und mittelgroße Betriebe, so Berichterstatterin Diane Adehm (CSV), sondern nur für börsennotierte Unternehmen. Das betreffe in Luxemburg etwa 30 Betriebe. Die CSSF soll die Einhaltung des Gesetzes überwachen und Verstöße sanktionieren.
De Maart

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