Die AGBs, die allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Nutzung von Internet-Spielen, aber auch von angeschlossener Hardware wie etwa interaktiven Kameras, haben es Dr. Matthieu Farcot angetan; er bezeichnet sie als seine „perverse Ader“. Im Rahmen des CyberDay (von Restena und Uni.lu organisiert) referierte er unter dem Titel „Der Kaiser hat keine Kleider“ über die Gefahren, die mit dem Einverständnis des Nutzers zu eben diesen Geschäftsbedingungen einhergehen.
Dr. Matthieu Farcot nimmt kein Blatt vor den Mund und die Studenten, die seinem englischsprachigen Referat mit französischem Akzent in einem Saal der „Maison du Savoir“ auf Belval lauschen, hängen an seinen Lippen und den Slides, die seine Thesen illustrieren.
35 Meter langer Ausdruck
Farcot belässt es nicht bei digitalen Illustrationen, er lässt auch schon mal die Tür des Hörsaals öffnen, um die Geschäftsbedingungen eines elektronischen Spiels – bei dem es vordergründig darum geht, die Welt zu retten, eigentlich aber die Anhäufung von Gewinnen für ein Unternehmen, das auch über Luxemburg operiert, dabei im Vordergrund steht – in ihrem beeindruckenden Ausmaß, das auf Papier ausgedruckt und aneinandergefügt 35 Meter Länge erreicht, vorzuführen. Am Beispiel von Fortnite, das zurzeit millionenfach gespielt wird, verdeutlicht der Cyber-Experte, wie unkritisch der Vertrag, der implizit dann abgeschlossen wird, wenn die oben erwähnten Bedingungen per Kick akzeptiert werden, betrachtet wird.
„Privacy is no longer a social norm“
Mark Zuckerberg, 2010
Wer den Button „I agree“ drückt, ist berechtigt, das Spiel zu spielen, begibt sich aber in eine Situation, in der er die Kontrolle über die Inhalte seines Computers, seines Notebooks, seines Smartphones usw. abgibt, den Zugriff auf die Adressen seiner „Freunde“ toleriert, seinen Standort und seine Bewegungsmuster ebenso wie seine Vorlieben (die er via seine Internet-Recherchen verrät) preisgibt.
Klickt er besagten Knopf zum Ausdruck seines Einverständnisses, darf der Nutzer Fortnite (und übrigens viele andere Spiele) spielen, tut er es nicht, wird er nicht in den „Genuss“ des elektronisch-ludischen Vergnügens kommen. Dazwischen gibt es nichts, ein Kompromiss über die Konditionen kann nicht ausgehandelt werden …
Die Alternative zum Einverständnis mit den AGBs heißt also schlichtweg, das Spiel nicht spielen. Dies befriedigte das Publikum von Farcot selbstredend nicht: Ja, es gebe eine weitere Alternative, so der Konferenzler, diese sei die Änderung der Regeln, also der Gesetze. Politisches Engagement gegen die übertriebene Macht der Anbieter, so der Experte, sei eine Möglichkeit zum Gegensteuern.
Bei Software und bei Hardware
„Arguing that you don’t care about the right to privacy because you have nothing to hide is no different than saying you don’t care about free speech because you have nothing to say“
Edward Snowden, 2015
Wie dringend notwendig dies ist, zeigt ein weiteres Beispiel: Eine Intenet-fähige Kamera, günstig auf einer der bekannten Plattformen eingekauft und pünktlich geliefert, verspricht (laut Verpackungstext) den Schutz der Privatsphäre …
Auch bei dieser Hardware lesen sich die AGBs allerdings wie ein mephistophelischer Vertrag zum Verkauf der eigenen Seele. Rechte, zum Beispiel die am eigenen Bild, werden via Geschäftsbedingungen auf alle Zeit und unwiderrufbar an das produzierende Unternehmen abgetreten, dem u.a. erlaubt wird, die aufgenommenen Sequenzen kommerziell zu nutzen.
Der Wert solcher Bilder, ebenso wie der von den oben beschriebenen Bewegungsprofilen, den ausgedrückten Vorlieben und Lieblingsbeschäftigungen, Reisezielen usw. beträgt Milliarden von Dollar, so Farcot. Google, Amazon und Konsorten bauen ihre riesigen Datenzentren nicht aus reinem Humanismus, so resümiert es Dr. Matthieu Farcot.
Besonders der Unterschied zwischen dem Anspruch (Marketing-mäßig verkauft) und der Wahrheit (in den AGBs versteckt) stört den Experten, der weiterhin aufklärend tätig ist.
Fortnite, der Hype

Nach einer globalen Katastrophe sind 98 Prozent der Menschheit verschwunden und stattdessen streunen Zombies durch die Gegend.
Der Spieler und (wenn vorhanden) sein Team sollen Beute sammeln, damit eine Festung (Fort) errichten und diese vor den in der Nacht (Night) erscheinenden Zombies verteidigen.
In diesem kostenlosen „Battle Royale“-Modus treten bis zu 100 Spieler entweder alleine, zu zweit oder als Team von bis zu vier Spielern gegeneinander an. Der letzte Überlebende, beziehungsweise das letzte überlebende Team, gewinnt.
Bisher war „Fortnite“ nur als Download-Version erhältlich, doch das soll nun ein Ende haben, laut Epic Games, den Entwicklern von „Fortnite“. Am 16. November 2018 wird eine exklusive Hardware-Version, CD-Version, für rund 30 Euro angeboten und enthält einige zusätzliche Inhalte.
Im „Battle Royale“-Modus gibt es eine eigene Währung, die so genannten „V-Bucks“.
Diese können im Spiel für Echtgeld erworben oder durch Missionen gesammelt werden, wobei Letzteres allerdings einige Zeit in Anspruch nehmen kann.
Durch den Verkauf von V-Bucks nahm der Spieleentwickler Epic Games im Mai 2018 296 Millionen Dollar ein.*
Wie Mathieu Farcot erläuterte, hat das Spiel besonders dadurch schnell an Popularität gewonnen, dass Erstspieler ähnliche Chancen haben wie Spieler, die bereits Geld investiert haben; dies sei ein kommerziell geniales Prinzip, das zur schnellen Verbreitung und zum aktuellen Hype geführt habe.
* Quelle: Wikipedia
De Maart

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