3. Dezember 2025 - 6.48 Uhr
IndonesienVerheerende Fluten: Experten machen Entwaldung mitverantwortlich
Mehr als 600 Menschen sind bei den verheerenden Überschwemmungen auf der indonesischen Insel Sumatra ums Leben gekommen, mehrere Hundert gelten weiterhin als vermisst. Heftige Monsunregenfälle in Kombination mit dem tropischen Wirbelsturm Senyar haben in der vergangenen Woche nicht nur Indonesien, sondern auch Sri Lanka, Thailand und Malaysia überflutet. In der gesamten Region kamen mehr als 1.000 Menschen ums Leben, Straßen, Brücken und ganze Stadtviertel wurden zerstört.
Besonders dramatisch ist die Lage in der indonesischen Provinz Aceh. Dort werden Grundnahrungsmittel knapp, die Preise für Reis, Gemüse und andere Güter haben sich bereits verdreifacht. Doch die Anlieferung gestaltet sich schwierig, in Aceh allein zerstörten die Fluten zwölf Brücken und unterbrachen Provinzstraßen.
Vor dem Hintergrund der Katastrophe fordern Umweltorganisationen und Klimaforscher einen grundlegenden Kurswechsel der indonesischen Regierung. Sie sehen in der Flut ein weiteres Beispiel dafür, wie Klimawandel und jahrzehntelange Entwaldung die Auswirkungen extremer Wetterereignisse verschärfen.
Politische Konsequenzen gefordert
Zu den schärfsten Kritikern zählt Greenpeace Indonesien. „Die enormen Überschwemmungen, die Sumatra getroffen haben, sollten die letzte Warnung für die Regierung von Präsident Prabowo Subianto sein, ihre Waldverwaltungs-, Umwelt- und Klimapolitik vollständig zu überarbeiten“, sagte Arie Rompas, Leiter des Waldkampagnen-Teams. Die Katastrophe sei die direkte Folge der Klimakrise und jahrelang geduldeter Umweltzerstörung. Greenpeace und andere Organisationen fordern daher, die Überschwemmung unverzüglich zur nationalen Katastrophe zu erklären und die Hilfe zu beschleunigen.
Die enormen Überschwemmungen, die Sumatra getroffen haben, sollten die letzte Warnung für die Regierung von Präsident Prabowo Subianto sein, ihre Waldverwaltungs-, Umwelt- und Klimapolitik vollständig zu überarbeiten
Für die umweltpolitischen Akteure sind zwei Faktoren entscheidend: der Klimawandel und die massive Entwaldung weiter Teile Sumatras. Der Wirbelsturm Senyar, der sich vom 25. bis 27. November in der Straße von Malakka bildete, ist laut der Meteorologiebehörde BMKG ein äußerst seltenes Phänomen – die Region liegt innerhalb von fünf Breitengraden um den Äquator, wo sich tropische Stürme normalerweise nicht entwickeln. „Extreme Regenfälle werden uns weiterhin heimsuchen als direkte Folge der Klimakrise“, sagte Iqbal Damanik, Klima- und Energiekampagnen-Manager bei Greenpeace Indonesien. In der nationalen Klimapolitik dürfe es „keine falschen Lösungen wie Biokraftstoffe“ mehr geben.
Jahrzehnte der Waldzerstörung
Doch vor allem die langfristige Veränderung der Landschaft rückt in den Fokus. Analysen von Umweltorganisationen, darunter Auswertungen von Daten des indonesischen Forstministeriums, zeigen, wie stark sich die natürlichen Wälder Sumatras seit den frühen 1990er Jahren verändert haben: Kilometerweit wurden sie für Palmöl- und Zellstoffholzplantagen oder landwirtschaftliche Nutzflächen gerodet. Besonders betroffen sind Nordsumatra, Aceh und Westsumatra.
„Die Mehrheit der Flusseinzugsgebiete auf der Insel Sumatra befindet sich in kritischem Zustand, mit einer natürlichen Waldbedeckung von weniger als 25 Prozent“, erklärte der Forscher Sapta Ananda Proklamasi von Greenpeace Indonesien. Insgesamt seien nur noch zehn bis 14 Millionen Hektar natürlicher Wald übrig – weniger als 30 Prozent der Gesamtfläche Sumatras.
Vergleich mit Nachbarländern
Unabhängige Wissenschaftler bestätigen den Zusammenhang zwischen Entwaldung und dem Ausmaß der aktuellen Überschwemmungen. Bayu Dwi Apri Nugroho, Experte für Umweltklimatologie an der Gadjah-Mada-Universität, sagte dem Jakarta Globe, der zentrale Unterschied zu Flutereignissen in Thailand, Vietnam oder den Philippinen liege in den „Einzugsgebietsbedingungen und dem Ausmaß der Umweltzerstörung“.
„Sobald der Wald verschwindet, sinkt die Fähigkeit des Bodens, Wasser aufzunehmen, drastisch“, erklärte er. Schon eine kurze Episode extremen Regens könne schwere Flussüberflutungen verursachen. Die Folge seien Sturzfluten, die große Mengen an Baumstämmen und Schlamm mit sich führen – ein Szenario, das in den Nachbarländern wegen geringerer Entwaldung viel seltener vorkomme. In Indonesien dagegen hätten die aus degradierten Waldgebieten herausgerissenen Trümmer erheblich zu den hohen Todeszahlen beigetragen, indem sie in Wohngebiete gespült wurden. „Sturzfluten in Sumatra werden häufiger und zunehmend zerstörerischer werden“, warnte Bayu.
Druck auf Jakarta wächst
Kritik gibt es auch an der Wirtschaftspolitik der Regierung, die nach Ansicht von Umweltverbänden eine fortgesetzte Entwaldung begünstigt. Neben illegalem Holzeinschlag werde großflächige industrielle Rodung „vom Staat legalisiert – von einer Regierung zur nächsten“, sagte Greenpeace-Vertreter Rompas. Die Organisation fordert daher nicht nur einen Kurswechsel in Sumatra, sondern auch ein Ende der Waldzerstörung in anderen Regionen, etwa durch Nickelbergbau in Raja Ampat oder geplante Rodungen in Westpapua.
Zudem warnen Umweltverbände, dass das von Präsident Prabowo angestrebte Wirtschaftswachstum von acht Prozent kaum zu erreichen sei, wenn Umweltzerstörung und klimabedingte Katastrophen die Infrastruktur des Landes zunehmend gefährden.
De Maart
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